-->Daß da so einige dubiose Dinge ablaufen im Luftverkehr über Afrika schrieb schon Peter Scholl-Latour in"Afrikanische Totenklage":
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Parallel zu diesem angelsächsischen Aufgebot entfaltete sich
ein weit gespanntes Netz russischer und ukrainischer Fluglinien.
Dort gaben sich die Sicherheitsbeamten Präsident Putins mit
zwielichtigen Gestalten der osteuropäischen Mafia die Hand. In
ganz Afrika stößt man auf diese Luftflotte und ihre zahllosen,
veralteten Maschinen. Immer wieder greifen Piloten aus der
ehemaligen Sowjetunion gegen gute Bezahlung in die
unterschiedlichen Bandenkämpfe ein und benutzen ihre
verrosteten Iljuschin oder Tupolew als improvisierte Bomber.
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....Offenbar fühlen sich die USA dazu
berufen, das entstandene Vakuum im Herzen Afrikas mit ihrem
Einfluß und Wirtschaftspotential aufzufüllen. Verblüffend ist
daran, daß sie sich für dieses gewaltige Unternehmen
kontinentalen Ausmaßes in erster Linie auf die kleine
Völkerschaft der Tutsi stützten, die - zumal nach dem
Völkermord von 1994 - noch maximal drei bis vier Millionen
Menschen zählen dürfte. Bevor ich nach Kigali aufgebrochen
war, hatte ich meine »Schularbeiten« gemacht, und dazu gehörte
die Lektüre des Buches »Out of America« des bereits erwähnten
schwarzamerikanischen Korrespondenten Keith B. Richburg.
Dieser zutiefst ehrliche Beobachter war Anfang der neunziger
Jahre mit großen Erwartungen und Illusionen in den Kontinent
seiner Vorväter gereist. Erst allmählich gewann er Abstand von
seiner ursprünglichen, durchaus sympathischen Naivität. »Der
Fall der Sowjetunion und die Beendigung des Ost-West-Konflikts
verhalfen Afrika zu einem zweiten Erwachen«, so
hatte er noch 1991 optimistisch geschrieben. Zur Zeit des Kalten
Krieges seien die afrikanischen Staaten nicht viel mehr als
Figuren auf dem Schachbrett eines weltweiten Wettbewerbs
zwischen Washington und Moskau gewesen. Speziell hob er
dabei die Figur Mobutus hervor, der gewiß ein »korrupter
Hundesohn« gewesen, aber der CIA bei ihren Einsätzen gegen
die Kubaner Fidel Castros in Angola überaus nützlich gewesen
sei. Ende 1990 sei in Afrika eine völlig neue Lage entstanden,
denn die diversen schwarzen Potentaten mußten plötzlich
feststellen, daß sie ihren strategischen Nutzwert für Afrika
eingebüßt hatten. In Zukunft würde Amerika als Gegenleistung
für jede Hilfeleistung die Durchführung von freien Wahlen und
die Gewährung von Menschenrechten von ihren früheren
Günstlingen gebieterisch einfordern. Da nehme es nicht wunder,
daß diese Diktatoren, die sich jahrzehntelang an die Ausstellung
von Blanko-Schecks gewöhnt hatten, diese strengen politischen
Auflagen »als eine neue Form des westlichen Imperialismus und
als Einmischung in ihre inneren Angelegenheiten« heftig
ablehnten.
Die Illusionen des Reporters der »Washington Post« sollten
nicht von Dauer sein. Spätestens im Bandenkrieg von Somalia,
vor allem aber während der Greuel von Ruanda und später
Liberia entdeckte Richburg, daß die vielgerühmte
Globalisierung ein ideologischer Slogan zur Tarnung weltweiter
»Amerikanisierung« war. Nur ein Narr mochte angesichts des
Unheils, das den Schwarzen Erdteil heimsuchte, noch den
Thesen des Politologen Francis Fukuyama anhängen,
demzufolge mit der universalen Ausbreitung repräsentativer
Demokratie und freier Marktwirtschaft der Idealzustand der
Menschheit erreicht, eine definitive Glücksformel gefunden,
kurzum das »Ende der Geschichte« gekommen sei.
Der monarchische Absolutismus, den Präsident Mobutu Sese
Soko dreißig Jahre lang seiner Republik Zaire-Kongo auferlegt
hatte, trieb seinem katastrophalen Ende entgegen. Das Steuer
dieses gewaltigen Imperiums war seinen Händen entglitten. Der
»big man« verkapselte sich in dem »afrikanischen Versailles«,
das er an seinem Geburtsort Gbadolite in der Äquatorial-Provinz
mit verschwenderischem Luxus errichtet hatte. Im Sommer
1996 wurde bekannt, daß der »Große Leopard« an einem
Prostata-Krebs erkrankt war. Von da an war er nur noch
sporadisch in seiner Heimat zu sehen, ließ sich in der Schweiz
operieren und hoffte in seiner palastähnlichen Villa an der Côte
d'Azur vergeblich auf Genesung.
Sein Nachfolger war von den Experten des amerikanischen
Nachrichtendienstes längst ausgespäht und kontaktiert worden.
Dabei fiel der Blick Washingtons nicht etwa auf den relativ
angesehenen Oppositionspolitiker Etienne Tshisekedi, der zur
Übernahme bereitstand. Die Männer des Schattenkrieges hatten
eine ganz andere, seltsame Wahl getroffen. Der Gegenspieler
Mobutus würde ein im Umkreis des Tanganjika-Sees
unrühmlich bekannter Revoluzzer sein, ausgerechnet jener
Laurent Désiré Kabila, der nach einem Lehrgang in Marxismus-Leninismus
an den Kaderschulen der DDR im östlichen Kongo
gemeinsame Sache mit Che Guevara gemacht und als Anführer
der Simba-Rebellen ein kurzlebiges Terror-Regime in Kisangani
errichtet hatte.
Spätestens ab 1986 stellte Kabila sich in den Dienst der
Amerikaner, verbündete sich mit dem Ruander Kagame und
dem Ugander Museveni, die im Exil von Dares-Salam seine
kommunistischen Phantastereien geteilt hatten. Unverzüglich
gab Kabila den großen Wirtschaftskonsortien in USA zu
verstehen, daß er bereit war, die unermeßlichen
Mineralvorkommen des Kongos und Katangas zu Rabattpreisen
an seine neuen Gönner zu verhökern. Dabei handelte es sich um
Kupfer, Kobalt, Uranium, um Diamanten und Gold sowie um
extrem seltene Metalle, die angeblich für Interkontinental-Raketen
und Weltraum-Kapseln unentbehrlich sind. Noch bevor
er überhaupt die Regierungsgewalt in Kinshasa antreten konnte,
hatte er den übereiligen Akquisiteuren aus Übersee all jene
Konzessionen und Schürfrechte zugestanden, die sie ihm
abverlangten und über die er überhaupt kein Verfügungsrecht
besaß. Die Reichtümer des Kongo inklusive der bislang
staatlichen Grubengesellschaft Gécamines wurden - auf dem
Papier zumindest - den US-Konzernen sowie deren kanadischen
oder südafrikanischen Tarnfirmen ausgeliefert. Das Geflecht
dieser global operierenden Unternehmen ist schwer
durchschaubar, aber immer wieder wurden die Namen Anglo-American
de Beers, Barrick Gold, American Mineral Fields
(Arkansas), Anaconda Mining und andere genannt. Im Board
dieser diversen Gesellschaften hatten hochprominente Politiker
der Vereinigten Staaten ihren Sitz.
Die Rechnung Washingtons schien aufzugehen, noch ehe
Mobutu endgültig vertrieben war. Doch die Planer dieses »grand
design« hatten ihre Rechnung wohl ohne Kenntnis der absurden
Kehrtwendungen, der totalen politischen Unberechenbarkeit des
Kontinents gemacht. Es sollte gar nicht lange dauern, bis die
New Yorker Kolumnisten entdeckten, daß die sogenannten
Afrika-Experten in der Person Kabilas ein »Frankenstein-Ungeheuer«
herangezüchtet hatten. Die unheimlichen Auftritte
dieses glatzköpfigen, unförmig aufgeschwollenen Mannes an
der Spitze seiner hemmungslos mordenden »Kinder-Soldaten«,
der »Kadogo«, warfen düstere Schatten auf den »afrikanischen
Neuanfang«.
Die Afrika-Beauftagte des US-State Department Susan Rice
brachte die offizielle Linie »Handel statt Hilfe« auf einen
einfachen Nenner: »Wenn man mit Vertretern der privaten
Wirtschaft spricht - gemeint sind nicht die »eigentlich
Verdächtigen« wie Ã-l-Gesellschaften oder ähnliche - sondern
die Produzenten von Verbrauchsgütern, Telekommunikations-
oder Infrastruktur-Anlagen, so wird man feststellen, daß sie
Afrika als ein wichtiges, langfristiges Projekt ansehen.
Zunehmend organisieren sie sich, um bei der Entwicklung
Afrikas eine konstruktive Rolle zu spielen, und zwar auf eine
Weise, die der amerikanischen Wirtschaft und den
amerikanischen Arbeitnehmern zugute kommt.«
Ein »großes Spiel« um Einfluß und Gewinn war zwischen
Washington und Paris längst im Gange, obwohl man -
angesichts der hoffnungslosen Unterlegenheit der französischen
Konkurrenten allenfalls von einem »petit jeu« hätte sprechen
dürfen. Seit Ende der Ost-West-Konfrontation glaubte
Washington auf Pariser Vorbehalte keine Rücksicht mehr
nehmen zu müssen. Schon im Mai 1995 hatte Ron Brown, der
damalige US-Handelsminister bei einem Besuch Dakars, einst
die wichtigste französische Basis am Senegal, unverblümt
verkündet: »Die Vereinigten Staaten sind nicht gewillt, die
afrikanischen Märkte weiterhin den früheren Kolonialmächten
zu überlassen.« Die französische Publizistin und Mitterrand-Vertraute,
Michèle Cotta, zog daraus den Schluß, Frankreich
fühle sich in Afrika isoliert und allein gelassen. Die
amerikanische »Domination« sei dort unvermeidlich. François
Mitterrand hatte seine letzten Kartuschen längst verschossen.
Jetzt rächten sich die Torheiten und die krummen Geschäfte
seines Sohnes Jean-Christophe.
Im Troß der Tutsi-Krieger des Oberst Kabarere näherten sich
auch die marodierenden Freischärler der »Allianz der
Demokratischen Kräfte für die Befreiung von Kongo-Zaire« - so
nannte sich die Sammelbewegung Laurent Kabilas - der
Metropole Kinshasa.
Mobutu war ein Schatten seiner selbst, als er sich vor dem
Hafen Pointe Noire - also präzis auf Äquatorhöhe - auf dem
südafrikanischen Eisbrecher »Outeniqa« mit dem Vermittler
Nelson Mandela traf. Danach blieb ihm nur noch der Weg ins
Exil. Der Mohr Mobutu hatte seine Schuldigkeit getan. Mit
ehemaligen Komplizen, die zu nichts mehr taugten, sondern nur
noch schaden konnten, pflegte man in Washington nicht viel
Federlesens zu machen. Das hatte sich schon an den
Präzedenzfällen Ngo-Dinh-Diem in Vietnam, Jonas Savimbi in
Angola, an Manuel Noriega in Panama, Siyad Barre in Somalia,
an Suharto in Indonesien erwiesen. Im September 1997 sollte
der »big man« von Zaire in Spanien seiner Krankheit erliegen.
»Es hat etwas länger gedauert«, entschuldigt sich James
Kabarere, als er von seiner Besprechung zurückkommt. »Ich
wurde bei Oberst Karegeya aufgehalten. Aber den kennen Sie
ja.« Am Vortag war ich in der Tat bei Patrick Karegeya, dem
Geheimdienst-Chef der Republik Ruanda gewesen. Auch er
hatte eine grüne Kampfuniform getragen. Im Typus sah dieser
kahlköpfige Tutsi-Offizier, der ebenfalls in Uganda der
»Patriotischen Front« angehört hatte, seinem Kampfgefährten
Kabarere ziemlich ähnlich. Auch er hatte sich bei seiner
militärischen Fortbildung durch die Angelsachsen einen
gewissen »sense of humour« angeeignet.
Staatsgeheimnissse hat er mir natürlich nicht verraten. Dafür
berichtete er schmunzelnd über seine Dienstreise nach Dares-Salam,
wo er vor drei Jahren Laurent Kabila offiziell
aufgefordert hatte, sich für die Übernahme der Macht in der
»Demokratischen Republik Zaire« bereitzuhalten. Kabila, der
ehemalige Weltrevolutionär, sei damals in der Hauptstadt
Tansanias recht erfolgreich in allen möglichen Geschäften tätig
gewesen. Mit Hilfe seines Transportunternehmens sei er in
Waffen-, Drogen- und Diamantenschmuggel verwickelt
gewesen. Gleichzeitig habe er einige Bars betrieben, wo neben
konspirativen Treffen auch die Prostitution florierte. Daß in
Wirklichkeit die amerikanische CIA diese »Leuchte der
Demokratie« - Madeleine Albright dixit - entdeckt und gefördert
hatte, verschwieg der ruandische Nachrichtendienst-Chef
verständlicherweise. »Sie haben sich inzwischen mit Kabila
überworfen«, wandte ich ein, »und jetzt hat sich Ihr Chef
Kagame auch noch seinen früheren Alliierten Yoweri Museveni
zum Feind gemacht. Sehen Sie die Möglichkeit einer Beilegung
dieses Zerwürfnisses?« Da war Karegeya kategorisch. »Die
Ugander haben uns verraten. Sie sind uns in den Rücken
gefallen und wollten uns als ihre Untergebenen behandeln. Eine
Versöhnung wird es da nicht geben, niemals.« Er wiederholte
»niemals«. Aber in Afrika gilt wohl mehr noch als andernorts
die Regel: »Never say never!«
Auch bei Colonel James Kabarere, dem ruandischen
Stabschef, bringe ich das Thema Laurent Kabila zur Sprache,
und dafür ist er der richtige Mann. Mit seinen Tutsi-Kriegern
hatte er Kabila ja den Weg nach Kinshasa freigekämpft. Am 17.
Mai 1997 hielt der dicke, schon unheimlich wirkende
Berufsverschwörer seinen triumphalen Einzug in die Hauptstadt
der Republik Zaire, die er sofort wieder in Kongo umbenannte.
Die Massen jubelten ihm wie einem Messias zu. Mobutu und
dessen verrohte Soldateska hatten sich in den letzten Jahren so
verhaßt gemacht, daß jeder Wechsel eine Erlösung versprach.
Obwohl Kabarere Ausländer und Ruander war, wurde er von
Kabila zum Kommandeur der gesamten kongolesischen
Streitkräfte ernannt. Mit Galgenhumor holt jetzt der Offizier zu
einer ausführlichen Schilderung seiner damaligen Erlebnisse
aus. Der neue Kongo-Präsident habe sich von Anfang an wie ein
wahnwitziger Despot aufgeführt. Die gemäßigten
Oppositionspolitiker des Kongo wurden auf Distanz gehalten
oder verhaftet. Seinen Gesprächspartnern und Mitarbeitern sei
Kabila mit beleidigender Überheblichkeit begegnet. »Im Kongo
bin ich Gott. Nicht einmal eine Ratte darf die Straße vor mir
überqueren«, hatte laut Kabarere der Nachfolger Mobutus
geäußert. Tatsächlich habe er sich nur im Schutz einer fast vier
Kilometer langen Eskorte - darunter Panzerfahrzeuge,
Raketenwerfer, Luftabwehr-Kanonen - aus dem von Mobutu
übernommenen Marmorpalast herausgewagt. Behinderten
irgendwelche Passanten seinen Weg, wurden sie von Kabilas
Leibgarde wahllos abgeknallt oder überfahren. Bei jedem
Ausflug dieses schwarzen »Ubu Roi«, dieses »König Ubu«,
seien durchschnittlich vier Menschen seiner Willkür zum Opfer
gefallen.
Besonders belustigt zeigt sich der Stabschef über eine andere
Anekdote. Kabila hatte einen Tresorraum von Mobutu
übernommen, wo neben gewaltigen Bargeldsummen in Dollar
ein unermeßlicher Schatz an Goldbarren und Diamanten
aufbewahrt wurde. Eines Tages sei ihm der Schlüssel zu diesem
Tresor abhanden gekommen. Die Residenz sei sofort abgesperrt
und alle Anwesenden verhaftet worden. Sechs Stunden lang
hätten die Verdächtigen um ihr Leben gefürchtet, bis der
Staatsschef den Schlüssel doch noch in einem Winkel seiner
Hosentasche entdeckte. Darauf sei seine Wut schlagartig in
Jubelstimmung umgeschlagen, und der Champagner sei in
Strömen geflossen.
Der Konflikt zwischen dem Präsidenten und seinem
ruandischen Oberbefehlshaber war wohl unvermeidlich. Kabila
gehörte dem Stamm der Baluba an, einer der bedeutendsten
Völkerschaften des Kongo, die sowohl in der Grubenprovinz
Shaba als auch in Kasai im Umkreis der reichsten Diamanten-Minen
von Mbuji-Mayi zahlreich vertreten ist. Diese ethnische
Bindung stärkte ihm zweifellos den Rücken. Hinzu kam, daß die
Einwohner der Metropole Kinshasa mehrheitlich Bakongo, also
auch Bantu sind. Sehr bald sollten sie sich mit den Tutsi-Befreiern
überwerfen, die sich als Herrenrasse aufführten und
als fremde Besatzung empfunden wurden.
Während eines Abstechers zu Fidel Castro nach Kuba, der
seine amerikanischen Gönner zutiefst schockierte, hatte Kabila
überraschend die Absetzung seines hochverdienten Stabschefs
Kabarere angeordnet und befahl den Tutsi-Soldaten, die sich im
Kongo befanden, das Territorium seiner Republik unverzüglich
zu räumen. Das Gleiche galt für jene Armee-Brigaden aus
Uganda, die sich weiterer Provinzen im Nord-Osten bemächtigt
hatten. Den Gefolgsleuten Kabareres blieb zunächst nichts
anderes übrig, als den Rückzug anzutreten. Der endgültige
Bruch mit Kabila war vollzogen, und von nun an galt es, diesen
heimtückischen Renegaten zu Fall zu bringen. Aus ihren
vorgeschobenen Positionen in Kivu drangen Ruander und
Ugander noch tiefer in die östlichen Regionen des Kongo vor.
Im Süden erreichten sie den Hafen Kalemie am Tanganjika-See.
Dabei stießen sie auf geringen Widerstand von Seiten der
demoralisierten Kongo-Armee, die teilweise sogar zu ihnen
überlief. Hingegen hatten sich Überreste der Hutu-Miliz
Interahamwe wie auch die Steinzeithorden der »Mayi-Mayi« mit
Kabila verbündet und mußten als Gegner ernstgenommen
werden.
Oberst James Kabarere ist wohl ein afrikanischer
»Condottiere« ganz besonderer Art. Er beschloß, den
verräterischen Despoten in seiner Hochburg Kinshasa zu
überfallen und physisch zu beseitigen. Dabei glaubte er, sich auf
die volle logistische Unterstützung der Amerikaner verla ssen zu
können. Kabila war von Washington zum Abschuß freigegeben,
seit er eine Propaganda-Kampagne gegen die »US-Tutsi-Achse«
entfesselt, vor allem seit er die Konzessionen und
Überschreibungen, die er den großen transatlantischen
Grubenkonsortien gewährt hatte, mit einem Federstrich
annullierte. Es gehörte von Seiten Kabareres viel Kühnheit dazu,
mit einer lächerlich kleinen Tutsi- Truppe von 400 Mann der
weit überlegenen Kongo-Armee Kabilas in den Rücken zu fallen
und sie von Westen her, also von der atlantischen Mündung des
Kongo aus, zu attackieren. Zu diesem Zweck hatte er sich eine
Boeing 737 und zwei andere Flugzeuge angeeignet, besser
gesagt, sie waren ihm von diskreten Mittelsmännern zur
Verfügung gestellt worden. Mit diesen Maschinen landete er
Anfang August 1998 in der ehemaligen belgischen Marinebasis
Kitona, wo die lokale Kongo-Garnison von 20000 Soldaten sich
überraschend auf die Seite der Ruander schlug. Sie hatten seit
Monaten keinen Sold erhalten und waren von Kabila einer
ideologischen Umerziehung unterworfen worden, deren
groteske Methoden immer noch marxistische Orientierung
verrieten.
»Unter unsäglichen Strapazen haben wir uns zum Kongo-Hafen
Matadi durchgequält und den Staudamm von Inga
besetzt. Wir waren also in der Lage, die Elektrizitäts- und
Trinkwasser-Versorgung Kinshasas zu unterbrechen«, erklärt
der Colonel. »Aber dann schlug das Unternehmen fehl. Kabila
war kein unerfahrener Politiker und besaß eine ungewöhnliche
demagogische Begabung. Durch unsere Zangenbewegung aus
dem Westen bedroht, spielte er sich als kongolesischer
Nationalist und als Gegner des amerikanischen Imperialismus
auf. Sein Feldzug gegen die ausländische Ausbeutung des
Kongo fand Gehör bei den sechs Millionen Einwohnern der
Hauptstadt. Er stiftete eine systematische Treibjagd auf alle
Tutsi und Banyamulenge an, die noch in Kinshasa verblieben
waren oder die für solche gehalten wurden.«
Nicht nur durch ihren hohen Wuchs und ihre Faciès verrieten
sich diese Hamiten. Sie waren der im West-Kongo üblichen
Verkehrssprache Lingala nicht mächtig, deren »L« sie wie »R«
aussprachen. In Kinshasa fand eine afrikanische Neu-Inszenierung
der »Sizilianischen Vesper« statt, bei der
bekanntlich die französischen Gefolgsleute des Hauses Anjou
im 13. Jahrhundert auf Grund ihrer Unfähigk eit, das italienische
Wort »Ciceri« auszusprechen, identifiziert und zur Ermordung
freigegeben worden waren. Unter den Mördern, die den
unglücklichen Tutsi nachstellten und sie der Tortur des
»necklace« unterzogen - so waren in Soweto bei Johannesburg
die Hinrichtungen durch brennende Autoreifen genannt worden
- taten sich besonders jene Kinder-Soldaten oder »Kadogo«
hervor, die seinerzeit zur Wiederherstellung der »Demokratie«
in aller Eile ausgehoben wurden.
Oberst Kabarere gesteht unverblümt die Katastrophe ein, die
ihn damals mitsamt seinem Himmelfahrts-Kommando ereilte.
Seine Männer wurden plötzlich zum Freiwild. Doch es gelang
dieser vorzüglichen Truppe, sich unter schweren Verlusten auf
angolanisches Staatsgebiet durchzukämpfen. Bei den
»Guérilleros« des Aufstandsführers Jonas Savimbi - obwohl der
inzwischen in offener Gegnerschaft zu seinen ehemaligen
amerikanischen Förderern stand - fanden die versprengten
Ruander schließlich Zuflucht. An Bord von Flugzeugen
anonymer, zutiefst verdächtiger Fluggesellschaften wurden sie
nach Kigali repatriiert.
Inzwischen war im Kongo der »afrikanische Weltkrieg«
ausgebrochen. Im Osten dieses riesigen Beckens hatten Ugander
und Ruander, um Kabila zu kontern, Gegenregierungen ins
Leben gerufen und mit Oppositionspolitikern besetzt, die im
tansanischen Exil die Mobutu-Epoche überlebt oder einst sogar
einem Kabinett des »Président fondateur« angehört hatten.
Dieses »Rassemblement Congolais pour la Démocratie« oder
Kongolesische Sammlungsbewegung für Demokratie, spaltete
sich sehr bald in eine von Ruanda gesteuerte Marionetten-Clique
des Arztes Joseph Ilunga in Goma und - weiter nördlich mit Sitz
in Bunia - in eine von Uganda abhängige Mannschaft unter dem
Universitätsprofessor Wamba di Wamba auf. Dazu gesellte sich
in der Äquatorialprovinz, nordöstlich von Kinshasa, die
Sezession des Babembe-Stammes unter deren Anführer Jean-Pierre
Bemba, einem früheren Mobutu-Loyalisten, der ein
gewaltiges Vermögen zusammengerafft hatte und sich jetzt
ebenfalls auf Kampala ausrichtete.
All diese konfusen Intrigen erwähnt Oberst Kabarere nur am
Rande. Hingegen beschäftigt er sich intensiv mit der
bewaffneten Intervention der afrikanischen Republiken
Simbabwe, Namibia, Angola, vorübergehend sogar Tschad, die
Kabila zu Hilfe eilten. Präsident Robert Mugabe von Simbabwe,
ehemals Süd-Rhodesien, brachte es fertig, eine Streitmacht von
13 000 Soldaten in die Umgebung von Mbuji-Mayi zu verlagern
und dort die reichsten Diamanten-Vorkommen des Kongo unter
seine Kontrolle zu bringen. Wer die Flugzeuge für diesen
massiven Transport zur Verfügung stellte, bleibt weiterhin
rätselhaft, ebenso wie die Beförderung eines tausend Mann
starken Kontingentes aus Namibia, dem ehemaligen Deutsch-Südwest-
Afrika. Noch verblüffender war das dezidierte
militärische Eingreifen des angolanischen Präsidenten Eduardo
dos Santos auf Seiten Laurent Kabilas. Denn dieser ehemalige
Marxist und Statthalter Fidel Castros hatte sich ja inzwischen
den Amerikanern als Vasall angedient. Dos Santos befürchtete
wohl eine Koalition der immer noch mächtigen angolanischen
Aufstandsbewegung »Unita« mit dem neuen Regime von
Kinshasa und suchte diese zu konterkarieren. Die angolanischen
Panzerbrigaden setzten dem verlorenen Haufen des Colonel
Kabarere im Raum von Matadi am härtesten zu.
Natürlic h ging es auch hier um Diamanten, Erdöl, Gold und
strategische Mineralien. Angeblich hatte Präsident Mugabe, der
gerade dabei war, in Simbabwe die verbliebenen britischen
Farmer zu drangsalieren und zu enteignen, eine ehemals
belgische Diamanten-Förderungs gesellschaft, »Minière de
Bakwanga«, an sich gerissen und sich dem gigantischen
Konsortium Anglo-American de Beers in den Weg gestellt.
Doch wo gab es denn überhaupt schwarzafrikanisches Kapital,
auf das er hätte zurückgreifen können. Die neugegründeten
Firmen, die in seiner Hauptstadt Harare ihre Büros eröffneten,
waren wohl nur Scheingebilde, die extrem hohe
Gewinnbeteiligungen an den Familien-Clan Mugabes und die
dort einflußreichsten schwarzen Politiker abführten.
Inkompetente einheimische Direktoren kassierten exorbitante
Gehälter. Aber in Wirklichkeit waren es wiederum
amerikanische, in seltenen Fällen europäische Experten und
Finanziers, die bei diesen Gruben-Übernahmen - unter Wahrung
strikter Anonymität - die Fäden zogen und die größten Profite
einstrichen. Der Name des Abenteurers Billy Rautenbach
tauchte in diesem Zusammenhang immer wieder auf. Zwischen
den Unabhängigkeits-Veteranen Robert Mugabe von Simbabwe
und Thabo Mbeki von Südafrika kam es zu heftigen
Interessenkonflikten, aber beide waren doch dazu verurteilt,
bescheidene Statistenrollen in einem globalen Business zu
spielen, dessen komplizierte Verästelungen sie gar nicht
überblicken, geschweige denn kontrollieren konnten. In dem
Maße, wie sich in Pretoria die politische Regierungsübernahme
durch »Black Power « konkretisierte, hatten die dortigen großen
Wirtschafts- und Bank-Institute ihre diskrete Absetzbewegung
in Richtung Amerika oder Großbritannien längst eingeleitet. Ein
wild auswuchernder, skrupelloser »Raubtier-Kapitalismus« - das
Wort stammt von Helmut Schmidt - hatte sich Afrikas
bemächtigt.
Im Zeichen der »freien Marktwirtschaft« und unter Assistenz
des Internationalen Währungsfonds wurden die natürlichen
Reichtümer der Entwicklungsländer, speziell des Schwarzen
Erdteils, einer verantwortungslosen »Plutokratie« ausgeliefert.
Wieder greife ich bei diesem Vorwurf auf amerikanische
Zeitzeugen zurück wie den renommierten Schriftsteller Gore
Vidal - selbst der exklusiven Upperclass angehörend - oder den
scharfsinnigen Leitartikler William Pfaff von der »Los Angeles
Times«. Wer über die entscheidenden Aktienpakete an den
Bergbau-Gesellschaften »Busico«, »Little Rock Mining«,
»Sapora-Mining« und etlicher anderer verfügte, die sich in den
östlichen Kongo-Provinzen unter ruandischer und ugandischer
Protektion breitmachten, blieb oft im dunkeln. Als besonders
nützlich sollte sich dort die Raffgier des Oberbefehlshabers der
ugandischen Streitkräfte in Kivu, General James Kazini, eines
engen Verwandten Präsident Musevenis, erweisen.
Diese einträglichen Transaktionen, an denen - gewissen
Gerüchten zufolge - neben Staatspräsident Kagame auch der
sympathische Oberst Kaberere beteiligt waren, kommen in
dessen Hauptquartier natürlich nicht zur Sprache. Ebensowenig
äußert sich der ruandische Colonel zur wachsenden Bedeutung,
zur Omnipräsenz jener »Mercenary-Companies«, deren Kraken-Arme
weltweit ausgreifen und die in den Wirren Afrikas ein
ideales Betätigungsfeld entdeckten. Der englische Autor
Frederick Forsyth vermittelt in seinem Roman »The Dogs of
War - Die Hunde des Krieges« noch eine recht altmodische
Vorstellung dieses Gewerbes, das inzwischen mit allen
elektronischen Raffinessen ausgestattet, nach den strengen
Regeln des modernen Business funktioniert. Diese Unternehmen
bemühen sich sogar um eine gewisse Respektabilität und sind
offiziell registriert.
Natürlich sind weiterhin auch geheime staatliche Elite-Kommandos
mit ihren Rangers und Sonderagenten überall in
Aktion. Ich erinnere mich in diesem Zusammenhang an ein
Gespräch, das ich im Kosovo mit einem amerikanischen Colonel
der Ersten Infanteriedivision, »The Big Red One«, in deren
mächtigen Basis »Bondsteel« geführt hatte. Dabei erfuhr ich,
daß seit Ende des Kalten Krieges mehr als hundert »Purple
Heart«, eine amerikanische Tapferkeitsauszeichnung für
todesmutige Spezialeinsätze, für sogenannte »covert
operations«, verliehen wurden. Die internationale Ã-ffentlichkeit
hatte kaum zur Kenntnis genommen, daß sich schon beim
amerikanischen Golfkrieg gegen Saddam Hussein eine Wende
des strategischen Denkens ankündigte.
Das Schwergewicht bei den sich mehrenden
Regionalkonflikten liegt heute eindeutig bei privaten
angelsächsischen Gesellschaften, die global zwischen
Kolumbien in Latein- Amerika und der Insel Bougainville im
West-Pazifik operieren. Diese paramilitärischen Unternehmen,
die oft ihre Niederlassungen aus Südafrika nach England oder
Kanada verlagert haben, entsprechen in keiner Weise mehr
jenen abenteuerlichen Söldnerhaufen, den »Affreux« oder
»Abscheulichen«, die zur Zeit der ersten großen Kongo-Krise
der sechziger Jahre von dem Briten Mike Hoare, dem Belgier
Jean-Pierre Schramme oder dem Franzosen Bob Denard
angeführt wurden. Die verkrachten Existenzen oder
pathologischen »niggerkiller« von einst sind durch eine strenge
Auswahl eiskalter, mit den Mitteln modernster Technik
arbeitender Profis abgelöst worden. Der Verkauf von
Kriegsmaterial jeglicher Kategorie - überwiegend aus den
unerschöpflichen Restbeständen der ehemaligen Sowjet-Armee
stammend - zählt am Rande der Legalität zum lukrativsten Teil
dieses Geschäfts.
Von diesen »Händlern des Todes«, den »war racketeers«, wie
sie in den amerikanischen Medien heißen, seien recht wahllos
nur einige genannt. Da hatte »Air Scan International«, die in
Florida beheimatet ist, von Cabinda aus in die Kämpfe am
Unteren Kongo eingegriffen. Gleichzeitig war sie auf Seiten der
Rebellen des Süd-Sudan engagiert. »Century Arms Limited«
und »Trans World Century Arms« - heute in Montreal ansässig -
wurden als Rüstungslieferanten häufig erwähnt. Besondere
Beachtung verdient die ursprünglich auf den Bahamas
registrierte Firma »Sandline International«, die den militärischen
Schutz der Diamanten-Minen in Nord-Angola wahrnimmt und
zur Rettungsaktion des Tutsi-Kommandos Oberst Kabareres
eingeschaltet wurde. Der Name »Sandline« wird auch im
Zusammenhang mit der separatistischen Außeninsel
Bougainville in Papua-Neuguinea erwähnt. Im bluttriefenden
Diamanten-Krieg von Sierra Leone sollte »Sandline« Aufgaben
übernehmen, die mit politischen Vollmachten verbunden waren
und auf eine staatliche Stabilisierung hinzielten. An dieser Stelle
hatte auch »Defense Systems LTD« seinen Platz, die angeblich
von einer »Armour Holdings INC.« in Florida übernommen
wurde und den bewaffneten Schutz von Petroleumanlagen und
Großbauprojekten in so unterschiedlichen Ländern wie
Kolumbien und Niger, Aserbeidschan, Kongo und Uganda,
Sierra Leone, Algerien oder Tschad gewährleistete. Unter den
Klienten dieser »new mercenaries«-Agenturen finden sich die
Namen de Beers, Texaco, Chevron, Anglo American, Shell,
Bechtel und andere mehr.
Als dominierender Partner von »Sandline« taucht immer
wieder der Name »Executive Outcomes« auf. Diese florierende
Organisation wurde 1993 in Großbritannien gegründet und
nahm ein solches Ausmaß an, daß ihre Mitarbeiter als »counter
insurgency« - Berater von regulären Regierungen - angeheuert
wurden, um bei der Bekämpfung von Aufstandsbewegungen
behilflich zu sein. Zu den Auftraggebern zählten die Türkei,
Algerien, Nigeria, Sri Lanka, um nur diese zu nennen.
»Executive Outcomes« ist auch in fast alle jene Konflikte
verstrickt, die um die Mineralvorkommen Afrikas geführt
werden, und begnügt sich längst nicht mehr mit reinen
Sicherungsaufgaben. Sowohl in Angola als auch in Sierra Leone
geriet diese Privat-Gesellschaft in die Rolle einer aktiven
Bürgerkriegspartei. Daß diese mächtige Organisation im Jahr
1999 offiziell ihre Tätigkeit einstellte, bedeutet keineswegs, daß
sie nicht unter geschickter Tarnung weiterhin aktiv bleibt.
Parallel zu diesem angelsächsischen Aufgebot entfaltete sich
ein weit gespanntes Netz russischer und ukrainischer Fluglinien.
Dort gaben sich die Sicherheitsbeamten Präsident Putins mit
zwielichtigen Gestalten der osteuropäischen Mafia die Hand. In
ganz Afrika stößt man auf diese Luftflotte und ihre zahllosen,
veralteten Maschinen. Immer wieder greifen Piloten aus der
ehemaligen Sowjetunion gegen gute Bezahlung in die
unterschiedlichen Bandenkämpfe ein und benutzen ihre
verrosteten Iljuschin oder Tupolew als improvisierte Bomber.
Am Rande sei erwähnt, daß nicht nur auf den »killing fields«
des Kongo oder Sierra Leones die moderne Kriegführung sich
ein merkantil entstelltes, widerliches Gesicht zugelegt hat. In
Amerika registrierte Spezialfirmen für Militärberatung und
Waffenhilfe mit ihren pensionierten Generalstabsoffizieren und
hochqualifizierten Guerilla-Experten sind unlängst auf dem
Balkan in Erscheinung getreten. Der kroatische
Überraschungssieg über die »Serbische Republik Krajina«
wurde im Sommer 1994 mit Hilfe solcher Dunkelmänner erzielt.
Lange bevor die alliierte Bombardierung 1998 gegen Rest-Jugoslawien
einsetzte, waren ähnliche Unternehmen als
Geburtshelfer und Betreuer der »Kosovo-Befreiungsarmee«
tätig und bildeten die albanischen Partisanen der UCK für ihren
Einsatz aus.
Aber zurück zum Kongo. Dort tragen inzwischen diverse
afrikanische Streitkräfte ihre Heimspiele aus. An schwerem
Material, an Tanks, die nach wenigen Tagen Einsatz zu Schrott
werden, an Munition, die pausen- und sinnlos verschossen wird,
fehlt es ja nicht. Die mageren Ressourcen dieser
Entwicklungsländer werden buchstäblich verpulvert. Wie er
denn die Kampfkraft seiner Gegner beurteile, frage ich Colonel
Kabarere. Die Armee von Simbabwe sei so schlecht nicht
gewesen, antwortet er. Man habe ihr noch den britischen Drill
angemerkt. Aber die Angolaner hätten eine klägliche Figur
abgegeben, obwohl bei ihnen jedes Bataillon über beachtliche
Feuerkraft und zahlreiche Panzer verfügte.
Sichtlich irritiert ist der Vize-Stabschef von Ruanda über die
Rolle seiner engsten ehemaligen Verbündeten der »Vo lks-Verteidigungsstreitkräfte«
von Uganda. Sie waren mit vier
Brigaden in den Ost-Kongo eingerückt und hatten im Rahmen
der sogenannten »Initiative für afrikanische Krisen-Bewältigung«
(ACRI) eine bevorzugte Belieferung durch das
Pentagon genossen. »Sie haben sich doch persönlich in
Kisangani aufgehalten?« fragt mich Kabarere. Diese Stadt an
der Kongo-Biegung wurde entgegen einer formellen Absprache
durch die 305. Brigade der Ugander besetzt, die ja von US-Ausbildern
zu einer Elitetruppe getrimmt worden war. »Sie
haben sich an der Tshopo-Brücke überzeugen können, daß wir
sogar die besten Einheiten Musevenis mit weit geringeren
eigenen Kräften in die Flucht schlagen und ihnen schwere
Verluste zufügen können.«
Kein Wort hingegen äußert Kabarere zu der intensiven
Unterstützung, die Ruanda und Uganda bei ihren beiden
Feldzügen gegen Kinshasa - erst auf Seiten Kabilas, dann als
seine Gegner - bei Israel gefunden hatten. Dabei sei die
israelische »Security«-Firma »Silver Shadow« besonders stark
engagiert gewesen. Der Oberst verschweigt, daß Kabila
neuerdings die verrottete Kongo-Armee Mobutus, die ihm nur
partiell zur Verfügung steht, durch Instrukteure aus Nordkorea
auf Vordermann zu bringen sucht. Noch weniger mag er
berichten, daß die Israelis - in einer bemerkenswerten
Kehrtwendung - plötzlich für Kabila Partei ergriffen und sich
zur Ertüchtigung seiner Streitkräfte verpflichteten. Die
Bevollmächtigten aus Jerusalem, so konnte man in der
europäischen Presse lesen, hatten sich diesen Frontwechsel
durch die Übereignung eines Drittels der kongolesischen
Diamanten-Produktion vergüten lassen, ein hervorragendes
Geschäft, da es sich dabei um Roh-Edelsteine handelte, deren
Wert sich nach dem Schliff um ein Vielfaches vermehrt. An
Kabarere richte ich die gleiche Frage wie an seinen
Geheimdienst-Kollegen Patrick Karegeya: Ob noch irgendein
Arrangement mit dem Uganda-Präsidenten Museveni vorstellbar
sei. Auch er entgegnet mit einer glatten Verneinung. Der Traum
vom großen Hima-Reich der Niloten in Ost- und Zentralafrika
war wohl endgültig zerstoben.
Wie lange wird sich die kriegerische Minderheit der Tutsi-Rasse
- bedrängt durch eine Vielzahl feindlicher Ethnien - in
ihrem riesigen Expansionsgebiet, das fünfzehnmal so groß ist
wie Ruanda, behaupten können? Die Tutsi verfügen dort ja nur
über kleine Garnisonen, die im Dschungel weit verstreut sind.
Gibt es überhaupt eine Überlebenschance für diese
»äthiopische« Herrenrasse, die schon Richard Kandt so manches
Rätsel aufgab? Die Frage beschäftigt mich, während ich zum
»Hôtel des Mille Collines« zurückgefahren werde. Was hat es
den Amerikanern gebracht, daß sie zum Halali gegen den
waidwunden Mobutu bliesen, der heute den Kongolesen im
Vergleich zu dem neuen Tyrannen Kabila als das geringere Übel
erscheint? Die Schaffung einer durchgehenden amerikanischen
Einfluß- und Herrschaftszone zwischen dem somalischen
Osthorn Afrikas und der Atlantikküste Angolas ist mit allzu
vielen Hypotheken belastet. Das Morden nimmt dort kein Ende.
Die Opfer der sukzessiven Massaker von Ruanda und Burund i
werden inzwischen auf 1,5 Millionen geschätzt. Im gesamten
Kongo-Becken seien sogar 2,5 Millionen Menschen
umgekommen. Jede staatliche Ordnung löst sich auf. Das Chaos
frißt sich wie ein Krebsgeschwür fort. Was nutzt es da den
verzweifelten Schwarzen, wenn sich Bill Clinton bei seiner
Afrika-Tournee im März 1998 in Kigali für die Passivität der
USA während des Genozids von 1994 in aller Form
entschuldigt?
INHALT
AVANT-PROPOS...................................................................... 10
KONGO I.................................................................................. 13
Die Schlacht am Tshopo-Fluß................................................. 14
»Der Fluß, unser Vater, ist hart«............................................. 24
Abschied vom »guten Wilden«................................................ 33
RUANDA I................................................................................ 61
Die Prophezeiungen des Doktor Kandt.................................... 62
UGANDA.................................................................................. 87
Mutmaßungen über einen Völkermord..................................... 88
RUANDA II.............................................................................. 109
Der »lange Marsch« der Tutsi............................................... 110
TANGANJIKA-SEE.................................................................. 138
Zurück in die Steinzeit.......................................................... 139
Wo Stanley auf Livingstone stieß.......................................... 142
Ein junger Mann namens Kabila............................................ 146
In den Klauen der »Simba«.................................................. 154
Die Verzweiflung Che Guevaras........................................... 160
KENIA.................................................................................... 174
Am Ende der Safari.............................................................. 175
Der vergessene Kampf der Mau-Mau.................................... 189
Humanität als Selbstzweck................................................... 201
SUDAN................................................................................... 205
Ã-l-Bohrung am Gazellen-Fluß.............................................. 206
Der »Baum der lachenden Frauen«....................................... 218
ANGOLA................................................................................ 236
»Die Überreste unserer Toten«............................................. 237
»Angola é nossa«................................................................ 246
Die brennenden Dörfer von Uige........................................... 250
Abschied nach 500 Jahren................................................... 266
Diamanten, Blut und Ã-l........................................................ 276
Die Muttergottes im Minenfeld............................................... 299
KONGO II............................................................................... 335
Der böse Zauber Laurent Kabilas.......................................... 336
»Lumumba ist ganz Afrika«.................................................. 343
Matata ezalite...................................................................... 355
Blauhelme und Söldner........................................................ 388
Requiem für einen Rebellenführer......................................... 403
SÜDAFRIKA........................................................................... 407
Wenn es Nacht wird in Pretoria............................................. 408
Nelson Mandela oder »Uncle Tom«?..................................... 416
Beim »Godfather« von Soweto............................................. 426
Menetekel am Witwatersrand................................................ 437
NAMIBIA................................................................................. 443
Zeitungskrieg in Windhuk..................................................... 444
Der Staatschef als Landwirt.................................................. 460
»Hart wie Kameldornholz«.................................................... 464
Ein schwarzweißrotes Disneyland......................................... 468
Die Front am Okavango....................................................... 472
LIBERIA.................................................................................. 481
Amerikas Zerrbild an der Pfefferküste.................................... 482
Das Imperium »Firestone«.................................................... 500
Schädelstätte in Lofa-County................................................ 505
ELFENBEINKÜSTE................................................................. 510
Das Erbe des alten Magiers.................................................. 511
»Aus Afrika stets etwas Neues«............................................ 517
Eine Sure gegen die Feuergeister......................................... 528
GUINEA.................................................................................. 535
Ein afrikanisches Albanien.................................................... 536
Die Willkür des »Großen Elefanten«...................................... 540
Schwarze Jakobiner............................................................. 547
Die frommen Muslime des Fouta-Djalon................................ 558
Frühe Warnsignale aus Kano................................................ 568
SIERRA LEONE...................................................................... 572
Am Abgrund aller Dinge....................................................... 573
Kreolen und »Geister-Soldaten«........................................... 578
»Rule Britannia!«................................................................. 589
Die Rambos von Executive Outcomes Ltd............................. 592
Die weißen Kanonen der UNO.............................................. 602
»Man of War«-Bucht............................................................ 608
SUMMARISCHE ZEITTAFEL................................................... 611
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