Jochen
05.07.2003, 13:53 |
@dottore, Abgaben, Geld, Eigentum Thread gesperrt |
-->Hi dottore,
hab da mal ne Frage bzgl. der Abgabensache:
Die Abgabe ist sozusagen die Folge der Macht. D.h. die Abgabe gibts in der Feudalgesellschaft und in der Eigentumsgesellschaft (Stamm mal außen vor). Dann könnte es doch auch in der Feudalgesellschaft ein standartisiertes Abgabengut geben, und dieses stand. Abgabengut könnte man dann als"Geld" bezeichnen?
(Der Abgabenschuldner hätte dann allerdings in der Feudalgesellschaft keine Möglichkeit, über"Märkte", sprich Verschuldung, an das Abgabengut zu kommen und die Sache wäre schon wieder beendet...???).
Ist also eine standartisierte Abgabe in der Feudalgesellschaft denkbar?
Gruß
Jochen
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dottore
05.07.2003, 19:46
@ Jochen
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Re: @dottore, Abgaben, Geld, Eigentum |
-->>Hi dottore,
>hab da mal ne Frage bzgl. der Abgabensache:
>Die Abgabe ist sozusagen die Folge der Macht. D.h. die Abgabe gibts in der Feudalgesellschaft und in der Eigentumsgesellschaft (Stamm mal außen vor).
In der FG gibts auch"Eigentum" - das erringt und verteidigt der Feudalherr mit seiner Macht (später ius occupandi usw.). Das"Privat-Eigentum" ist ein Derivat davon - ohne durch sein Erscheinen das"Obereigentum" zum Verschwinden zu bringen.
>Dann könnte es doch auch in der Feudalgesellschaft ein standartisiertes Abgabengut geben, und dieses stand. Abgabengut könnte man dann als"Geld" bezeichnen?
Ja, sofern der Feudalherr nicht von seiner Eigenwirtschaft (Domänen usw.) lebt und ex seiner Burg herrscht. Er muss über kurz oder lang wieder mal Krieg führen und die Söldner wollen etwas"Handfestes" haben - etwas, das fest und handlich ist, mit dem sie also wieder abziehen können ohne dass es sie allzusehr beschwert. Metall halt halt schon was.
>(Der Abgabenschuldner hätte dann allerdings in der Feudalgesellschaft keine Möglichkeit, über"Märkte", sprich Verschuldung, an das Abgabengut zu kommen und die Sache wäre schon wieder beendet...???).
Die Märkte sind just so entstanden: Feudalherr erhebt Abgaben - und zwar jene, die er als Sold verwenden kann (in diesen umzu"wandeln") - und die müssen sich die Abgabenschuldner halt beschaffen. So entstehen als Abgabenbeschaffungsplätze"Märkte".
>Ist also eine standartisierte Abgabe in der Feudalgesellschaft denkbar?
Selbstverständlich. Die war ja keine monolithische Sklavenhalterwirtschaft.
Jedenfalls meine, durch immer mehr historische Belege gestützte These (z.B. das Entstehen der"souks" in Ancient Mesopotamia).
Gruß!
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Jochen
05.07.2003, 20:37
@ dottore
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Re: @dottore, Abgaben, Geld, Eigentum |
-->>>(Der Abgabenschuldner hätte dann allerdings in der Feudalgesellschaft keine Möglichkeit, über"Märkte", sprich Verschuldung, an das Abgabengut zu kommen und die Sache wäre schon wieder beendet...???).
>Die Märkte sind just so entstanden: Feudalherr erhebt Abgaben - und zwar jene, die er als Sold verwenden kann (in diesen umzu"wandeln") - und die müssen sich die Abgabenschuldner halt beschaffen. So entstehen als Abgabenbeschaffungsplätze"Märkte".
Hmm, Eigentum entsteht dann aus der FG quasi zwangsläufig? Z.B. so: Macht erhebt Abgabe, Druck wächst auf Abgabenschuldner, Umsturzversuche (Wat Tyler). Wenn der Umsturz gelingt, entweder Machtwechsel, oder Eigentumsentstehung oder andere Varianten.
Eigentumsentstehung ist dann (wie bisher meine Meinung) nur in Krisensituationen wahrscheinlich. Entweder externe Schocks (KatASTROphen, dadurch Untergang der bisherigen Gesellschaftsstruktur) oder interne Krisen (Wirtschaftskrise, mit Forderungen nach"Umverteilung").
Denn wenn das Abgabengut leicht zu beschaffen ist, besteht wahrscheinlich nur ein geringes Bedürfnis nach Umsturz.
Das mit den Märkten aber erscheint mir noch nicht logisch. Denn: Am Markt müssen doch Eigentümer auftreten, wegen Kredit. Kredit nur mit Eigentum möglich. Also gibt es einen Schuldner, der kein Eigentum hat. Wie soll daraus ein Markt entstehen? Ein Markt entsteht doch erst mit verschuldungsfähigen Eigentümern?
>>Ist also eine standartisierte Abgabe in der Feudalgesellschaft denkbar?
>Selbstverständlich. Die war ja keine monolithische Sklavenhalterwirtschaft.
>Jedenfalls meine, durch immer mehr historische Belege gestützte These (z.B. das Entstehen der"souks" in Ancient Mesopotamia).
Also muß Geld nicht unbedingt ein, sagen wir mal, Derivat des Kredits sein & somit auch nicht unbedingt nur in einer Eigentumsgesellschaft möglich sein? Das wäre eine erhebliche Änderung deiner und H/S früherer Thesen?
Schönen Gruß
Jochen
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dottore
06.07.2003, 15:04
@ Jochen
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Re: @dottore, Abgaben, Geld, Eigentum |
-->Hi Jochen,
>Hmm, Eigentum entsteht dann aus der FG quasi zwangsläufig? Z.B. so: Macht erhebt Abgabe, Druck wächst auf Abgabenschuldner, Umsturzversuche (Wat Tyler). Wenn der Umsturz gelingt, entweder Machtwechsel, oder Eigentumsentstehung oder andere Varianten.
Ja, so entnehme ich es den Quellen, u.a. Ablösung der griechischen Tyrannis, der römischen Könige (Brutus I), Klöstergründungen (wem gehörte das Land vorher?), Magna Charta, Reformation, Umverteilung der"Nationalgüter" nach 1789, mexikanische Revolutionen (Juarez, Zapata bis Chiapas), die Entkolonialisierung, Mugabe (es fehlt die versprochen Verteilung an die Landsleute), usw.
>Eigentumsentstehung ist dann (wie bisher meine Meinung) nur in Krisensituationen wahrscheinlich.
Ja. Es ist nicht unbedingt eine"Entstehung", aber immer eine Umverteilung.
>Entweder externe Schocks (KatASTROphen, dadurch Untergang der bisherigen Gesellschaftsstruktur) oder interne Krisen (Wirtschaftskrise, mit Forderungen nach"Umverteilung").
So schaut's wohl aus.
>Denn wenn das Abgabengut leicht zu beschaffen ist, besteht wahrscheinlich nur ein geringes Bedürfnis nach Umsturz.
Sehr wichtiger Aspekt! Die praekolumbianischen"Hochkulturen" hatten sich immer wieder schlagartig verflüchtigt (auch schon vor den Spaniern), wenn das tributäre Gut Mais"knapp" wurde (Klima usw.).
>Das mit den Märkten aber erscheint mir noch nicht logisch. Denn: Am Markt müssen doch Eigentümer auftreten, wegen Kredit.
Der erste Kreditnehmer ist immer die Macht selbst. Sie kann als einzige (von ihr und den potenziellen Gläubigern dann auch) als"sicher" erwartete Einnahmen, Eingänge, Einzahlungen o.ä. diskontieren. Der Macht-, alias Staatskredit ist immer der erste (durchgehend analysiert z.B. von Mueller im Fall von Venedig).
>Kredit nur mit Eigentum möglich.
Eben. Das"Obereigentum" (zunächst"Ersteigentum") der Machthaber. Wobei der Durchgriff auf die immobilen Titel der Macht zunächst fehlt (kommt dann nach dem Umsturz), und die mobilen Titel eben Abgabentitel sind: Das sog."Recht", Abgaben einfordern zu können, wird verpfändet. Besonders lehrreich die Geschichte des Frühkapitalismus 14./15./16. Jh. (Fugger, Welser als Finanziers der Mächte).
>Also gibt es einen Schuldner, der kein Eigentum hat.
Die Macht verpfändet nur selten und zumeist zum"Schluss" auch noch ihr Eigentum (sogar die Reichskleinodien). Ansonsten zieht die Macht auf ihre Abgabentitel.
Bei den Privaten, deren Kreditnahme viel später kommt, gibt es keine machtbewehrten Titel. Daher sie die Forderungen der Kreditgeber auch noch sachlich besichern müssen (Grundpfand).
>Wie soll daraus ein Markt entstehen? Ein Markt entsteht doch erst mit verschuldungsfähigen Eigentümern?
Der erste"Markt" ist der, wo die Macht als Nachfrage von Machtbeschaffern bzw. Machtbesicherern oder Machtmaximierern auftritt (Söldner). Der zweite Markt ist der, wo sich die Abgabenverpflichteten das Abgabengut"ertauschen", sofern sie es nicht selbst herstellen können, z.B. Metall. Das, was wir heute"Märkte" nennen, erscheitn erst viel später ("souks" oder die diversen römischen"Foren").
>Also muß Geld nicht unbedingt ein, sagen wir mal, Derivat des Kredits sein
Zuerst: Abgabengut Geld (inkl. diskontiertes Abgabengut) = Geld. Danach das Kreditderivat, z.B. wird dann das Abgabengut verliehen.
>& somit auch nicht unbedingt nur in einer Eigentumsgesellschaft möglich sein? Das wäre eine erhebliche Änderung deiner und H/S früherer Thesen?
Der durch privates Eigentum besicherte Kredit setzt privates Eigentum voraus, das wiederum Macht voraussetzt, die sowohl das private Eigentum besichert (Titel) als auch die Vollstreckung in den Schuldner (Gericht, Schuldhaft, Schuldknechtschaft, rechtsfeste Übertragung von Pfändern usw.).
Thesen insofern nicht geändert, aber, da"früher" ansetzend, erheblich modifiziert. Ist mit H/S noch nicht ausdiskutiert. Aber m.M. nach setzen H/S"zu spät" an. Das Loch in ihrer Theorie: Der Übergang von der Feudal- zur Eigentümergesellschaft, wobei subsumiert wird, dass sich dabei das"Obereigentum" (Abgabenzwang, Machtausübung daraus und damit) verflüchtigt.
Schönen Gruß zurück!
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Jochen
06.07.2003, 15:13
@ dottore
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Re: Merci, dottore & vielen Dank für die Geduld! (owT) |
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