orwell
09.07.2003, 18:53 |
marionetten? Thread gesperrt |
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von Peter Ripota
Die Frage nach dem freien Willen des Menschen
scheint beantwortet -- wenn auch nicht in dem
Sinne, wie wir es uns gewünscht hätten. Der
Neurophysiologe Benjamin Libet stellte schon in den
1950er Jahren bei seinen Untersuchungen an
Epileptikern fest: Wenn jemand den Entschluss
fasst, den kleinen Finger zu krümmen - also
willentlich etwas zu tun -, dann wird das Gehirn
schon lange vorher aktiv.
Die Handlung geschieht
unbewusst, bis zu
eineinhalb Sekunden,
bevor sie von
irgendwelchen"Agenten" dem Bewusstsein gemeldet wird, und der Mensch hat dann das
Gefühl, er hätte die Handlung absichtlich vollführt.
Anders formuliert bedeutet das etwas durchaus Beunruhigendes: Der freie Wille ist eine
Täuschung. Allenfalls kann der Mensch noch innerhalb sehr kurzer Zeit eine Handlung
bewusst verhindern -- bewusst setzen kann er sie nicht.
Und warum werden wir - von irgendjemandem - so getäuscht? Die Aufgabe des Gehirns ist
es nicht, uns ein korrektes Bild der Außen- oder der Innenwelt zu liefern. Die Aufgabe des
Gehirns ist es vielmehr, unser Überleben zu sichern. Und wenn Illusionen dazu beitragen,
dann eben auf diese Art. Zwar waren all die hochgelehrten Ergüsse der Philosophen und
Theologen, der Psychologen und Moralisten mehr oder minder umsonst, denn es gibt keinen
freien Willen.
Aber das heißt noch lange nicht, dass wir nichts tun und alles geschehen lassen sollen.
Der bewusste freie Wille ist zwar eine Täuschung. Das Gehirn aber produziert durchaus
mehrere Varianten von Handlungen und wählt dann sozusagen selbständig, also
unbewusst, eine davon aus. Irgendwo tief in uns sitzt sehr wohl eine Freiheit, wir können
sie nur nicht so handhaben wie wir wollen.
Doch das entbindet uns nicht von der Verantwortung für unsere Handlungen. Denn selbst
wenn unser Bewusstsein nicht in dem Maß beteiligt ist, wie wir bisher glaubten - das
Unbewusste können wir durchaus beeinflussen, und"böse" Handlungen sehr wohl
verhindern. Es liegt an uns.
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André
09.07.2003, 21:10
@ orwell
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Re: marionetten? offensichtlich nicht ganz - Bitte Quellenangabe! (owT) |
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wiwo
09.07.2003, 21:53
@ orwell
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Von wegen"Willensfreiheit"..... |
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Servus,
dass der Mensch über keinen freien Willen verfügt, scheint mir evident. Nimm eine konkrete Handlungssituation mit Handlungsalternative A und B. Du entscheidest dich für B. Meine Frage, warum B, beantwortest du mit einer Reihe von Gründen. Vertrackterweise sind die Gründe, die du anführst für mich u.U. absolut irrelevant. Meine Frage, warum deine angeführten Gründe für dich diese immense Bedeutung haben (also handlungsrelevant sind), kannst du nun wieder"rational" begründen. Und so setzen wir das Spiel fort. Ich hinterfrage und du gibst rationale Gründe an. Wir treten in einen nicht enden wollenden Regress (Grundbegründungsverfahren). Wäre ein derart rationales Vorgehen real, wärst du aufgrund dieses Grundbegründungsnotstands nicht handlungs-/entscheidungsfähig. Tatsache ist aber, dass im Alltag eine Fülle von Entscheidungen getroffen werden. Ergo: Die Ratio klinkt sich früher oder später aus (eher früher). Was bleibt, ist z.B. ein verinnerlichtes Wertempfinden. Du handelst letztlich immer so, dass das erwartete Ergebnis deiner Entscheidung/Handlung deinem vermeintlichen Wohlbefinden am zuträglichsten zu sein verspricht. Anders ausgedrückt: Nicht du handelst, sondern es handelt (nach Antizipation der erwarteten Zukunft) aus dir heraus. Deine Freiheit hinsichtlich der Willensgenese beschränkt sich auf eine gewisse Zukunftsoffenheit. Interessant in dem Zusammenhang, unser Rechtssystem: Einerseits setzt man Willensfreiheit voraus (du bist für deine Taten i.d.R. verantwortlich). In der Resozialisierungsphase wiederum setzt man auf das Pferd"Determinismus" (man versucht deine Willensgenese für die Zukunft, im Sinne der Sozialverträglichkeit deines Handelns, zu konditionieren). Schade eigentlich, dass du, so gesehen, nicht mal die freie Wahl zwischen Kaffee oder Tee hast. ENTSCHEIDEND für"deine Wahl" sind hier letztlich Gelüste.
Was bleibt also nach der Demontage der Ratio? Klare Antwort: Die wirklich wichtigen Entscheidungen im Leben, zeichnen sich nun mal durch ein überdurchschnittlich hohes Restrisiko aus (Heiraten, Kinder, Berufswahl etc.) Willst du hier dennoch handlungsfähig sein, biste auf Glaube und Hoffnung angewiesen. Weiterführende Frage: Sind vor diesem Hintergrund Irrationalismen wie Glaube und Hoffnung nicht vielleicht doch als unverzichtbare Beweggründe im Leben zu werten? Oder andere Frage: Kann unvernünftiges Verhalten vernünftig sein? Klar doch! Mal ausprobieren: Du knutscht mit deiner neuen Freundin an der Bushaltestelle und der letzte Bus fährt raus. Unvernünftig? Nö, denn die"gewählte" Handlungsalternative wird deinem Wohlbefinden extrem zuträglich sein! smile Klasse Thema!!!!! Muss leider Schluss machen.
Küss die Hände - Ende
wiewo
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Tassie Devil
10.07.2003, 01:27
@ orwell
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Re: I am the God of hell fire, and I'll bring you... |
-->...fire...
>von Peter Ripota
>
>Die Frage nach dem freien Willen des Menschen
>scheint beantwortet -- wenn auch nicht in dem
>Sinne, wie wir es uns gewünscht hätten. Der
>Neurophysiologe Benjamin Libet stellte schon in den
>1950er Jahren bei seinen Untersuchungen an
>Epileptikern fest: Wenn jemand den Entschluss
>fasst, den kleinen Finger zu krümmen - also
>willentlich etwas zu tun -, dann wird das Gehirn
>schon lange vorher aktiv.
>Die Handlung geschieht unbewusst, bis zu
>eineinhalb Sekunden, bevor sie von irgendwelchen
>"Agenten" dem Bewusstsein gemeldet wird, und der
>Mensch hat dann das Gefühl, er hätte die Handlung
>absichtlich vollführt.
Tja, so kann man sich taeuschen.
>Anders formuliert bedeutet das etwas durchaus
>Beunruhigendes: Der freie Wille ist eine Täuschung.
Was ist daran nur so beunruhigend?
>Allenfalls kann der Mensch noch innerhalb sehr
>kurzer Zeit eine Handlung bewusst verhindern
>-- bewusst setzen kann er sie nicht.
Ja, aber ob bewusst oder unbewusst Handlungen oder
Unterlassungen durchgefuehrt werden, der freie
Wille ist immer eine Taeuschung, es gibt ihn
schlichtergreifend nicht. Einen Willen gibt es schon,
nur ist der festgelegt.
>Und warum werden wir - von irgendjemandem - so getäuscht?
Nuja, manche Menschen koennten sehr nervoes werden,
durchdrehen oder eine lmaA-Strategie fahren, wenn ihnen
bewusst waere, dass sie sowieso nur fremdgesteuert sind
und alles Haschen nach Wind ist.
Catching the wind, ya know!
Diese Feststellung mit der"Verantwortung", sie ist nur dazu da, um die Zahlermaenner festzulegen.
>Denn selbst wenn unser Bewusstsein nicht in dem Maß beteiligt ist,
>wie wir bisher glaubten - das Unbewusste können wir durchaus beeinflussen, und"böse" Handlungen sehr wohl verhindern.
Es gibt keinen"freien" Willen, alles fremdgesteuert, glaubs mir! So erschuf ich Welten: direct direct [img]" alt="[image]" style="margin: 5px 0px 5px 0px" />
Du musst Dich mal mit Zeitdilatationen beschaeftigen, dann kommst Du zumindest darauf, dass nicht alles so ist, wie es ausschaut, und wie wir glauben duerfen, nein - muessen.
Gruss
TD
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Pudelbirne
10.07.2003, 02:47
@ orwell
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@popeye: Ich denke hiermit hat orwell einen wichtigen Aspekt fuer die... |
-->... T. Roth Diskussion ins Spiel gebracht.
Hallo Popeye,
Ich hatte schon mal gepostet (im T. Roth Projekt), dass ich durchaus mit der philosophischen Verankerung (Moralische Gleichheit - Freier Wille - Kantscher Imperativ) der Rothschen Ueberlegungen so meine Probleme habe.
Und es ist m.E. wichtig, dass wir uns als Diskussionsteilnehmer wenigstens auf ein Fundament einigen sollten, dass gleichermassen akzeptiert wird, bevor wir uns in eine Diskussion um, z.B. Antidiskriminierung, werfen. (Bitte verstehe mich nicht falsch, ich finde die Debatte ueber den FAZ Beitrag hoechst aufschlussreich, aber ich kann noch nicht ganz durchschauen, auf welchem Fundament basierend die Diskussionteilnehmer argumentieren.)
Mich wuerde daher interessieren, wie die T.Roth Projektteilnehmer ueber freien Willen und die Schlussfolgerungen des Kapitel 1 denken.
Danke fuer Euer Feedback
Gruesse von
Pudelbirne, der diesen Text auch noch mal in das T.Roth Projekt einstellen wird.
> > von Peter Ripota > Die Frage nach dem freien Willen des Menschen > scheint beantwortet -- wenn auch nicht in dem > Sinne, wie wir es uns gewünscht hätten. Der > Neurophysiologe Benjamin Libet stellte schon in den > 1950er Jahren bei seinen Untersuchungen an > Epileptikern fest: Wenn jemand den Entschluss > fasst, den kleinen Finger zu krümmen - also > willentlich etwas zu tun -, dann wird das Gehirn > schon lange vorher aktiv. > Die Handlung geschieht > unbewusst, bis zu > eineinhalb Sekunden, > bevor sie von > irgendwelchen"Agenten" dem Bewusstsein gemeldet wird, und der Mensch hat dann das > Gefühl, er hätte die Handlung absichtlich vollführt.
> > Anders formuliert bedeutet das etwas durchaus Beunruhigendes: Der freie Wille ist eine > Täuschung. Allenfalls kann der Mensch noch innerhalb sehr kurzer Zeit eine Handlung > bewusst verhindern -- bewusst setzen kann er sie nicht. > Und warum werden wir - von irgendjemandem - so getäuscht? Die Aufgabe des Gehirns ist > es nicht, uns ein korrektes Bild der Außen- oder der Innenwelt zu liefern. Die Aufgabe des > Gehirns ist es vielmehr, unser Überleben zu sichern. Und wenn Illusionen dazu beitragen, > dann eben auf diese Art. Zwar waren all die hochgelehrten Ergüsse der Philosophen und > Theologen, der Psychologen und Moralisten mehr oder minder umsonst, denn es gibt keinen > freien Willen. > Aber das heißt noch lange nicht, dass wir nichts tun und alles geschehen lassen sollen. > Der bewusste freie Wille ist zwar eine Täuschung. Das Gehirn aber produziert durchaus > mehrere Varianten von Handlungen und wählt dann sozusagen selbständig, also > unbewusst, eine davon aus. Irgendwo tief in uns sitzt sehr wohl eine Freiheit, wir können > sie nur nicht so handhaben wie wir wollen. > Doch das entbindet uns nicht von der Verantwortung für unsere Handlungen. Denn selbst > wenn unser Bewusstsein nicht in dem Maß beteiligt ist, wie wir bisher glaubten - das > Unbewusste können wir durchaus beeinflussen, und"böse" Handlungen sehr wohl > verhindern. Es liegt an uns.
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orwell
10.07.2003, 18:24
@ André
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Re: marionetten? offensichtlich nicht ganz - Bitte Quellenangabe! (owT) |
-->bitte http://www.freenet.de/freenet/wisse...pecials/raetsel/wille/index.html
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Amanito
10.07.2003, 21:35
@ orwell
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Re: marionetten? |
-->sehe ich auch so, der"Normalmensch" hat sehr wenig echten Freiraum - ich habe in meinem Leben bisher so etwa 3000-5000 Stunden meditiert und der Erfolg in Punkto"Freiheit" ist sicher da, aber erstaunlich wenig wenn man den immensen Aufwand bedenkt... ein paar Mal allerdings hatte ich für Momente die Gelegenheit zu erfahren, was es heißt, tatsächlich frei zu sein von äußeren Reizen, den Konditionierungen der Vergangenheit und Bindungen an die"Hirn-Hardware" - solche Zustände sind gehirnphysiologisch sehr ähnlich zu Schizophrenie und Drogenerfahrungen.
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