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Was Schröder nicht begreifen will:
Steuern runter!
Von Udo Köster
Bestünde die Welt nur aus Außenpolitik, wäre die Bilanz der
Bundesregierung gar nicht so schlecht. Der Berliner Widerstand gegen
die aktuellen Auswüchse amerikanischer Hybris ist zwar nicht so
konsequent, wie er eigentlich sein müßte (und dem Völkerrecht
entspräche). Aber unter einem Kabinett aus Union und FDP wäre
Deutschland der Stiefelknecht der USA. Daran lassen die
Wortmeldungen der Angela Merkel nicht zweifeln. Wenn die CDU/CSU
jetzt trotzdem in der Wählergunst reüssiert, dann hat das ausschließlich
innenpolitische Gründe, genauer: wirtschafts- und sozialpolitische
Gründe.
Die Deutschen haben keine Hoffnung mehr, daß Rot/Grün imstande ist,
die Massenarbeitslosigkeit abzubauen, die Renten zu sichern, die
Krankenkassen zu reformieren und die Staatsverschuldung zu stoppen -
um nur einige Dringlichkeiten beim Namen zu nennen. Die von Kanzler
Schröder präsentierte"Agenda 2010" - das spürt nahezu jeder - ist kein
ernsthaftes Reformprogramm, sondern die neu verpackte Fortsetzung
alter Ratlosigkeit.
Arbeit gibt es genug
Es fängt beim Namen an: Wir brauchen Befreiungsschläge hier und
heute, nicht erst im Jahr 2010. Was aber noch schlimmer ist: Keine der
vorgeschlagenen Maßnahmen, obwohl einige davon in die richtige
Richtung weisen, ändert etwas Grundlegendes an der deutschen Krise.
Schröder und Genossen betreiben Kurpfuscherei, sie kurieren
quacksalberisch an den Symptomen herum und lassen die
Krankheitsursachen außer acht. Denn sonst müßten sie den Deutschen
einen radikalen Paradigmenwechsel verordnen.
Erste Feststellung: Ohne schnelle und deutliche Minderung der
Arbeitslosigkeit ist keine Wende zu erreichen. Neue Arbeitsplätze
schafft man aber nicht durch Steuererhöhungen und Sozialabbau,
sondern durch Abgabenentlastung, Investitionen und
Entbürokratisierung. Arbeit gibt es in Deutschland genug. Sie ist nur zu
teuer. Und sie wird in zu großem Umfang an Ausländer abgetreten.
Zweite Feststellung: Schon jetzt verstößt der Bundeshaushalt gegen
die EU-Stabilitätskriterien und die deutsche Verfassung. Artikel 115 des
Grundgesetzes bestimmt:"Die Einnahmen aus Krediten dürfen die
Summe der im Haushaltsplan veranschlagten Ausgaben für Investitionen
nicht überschreiten." Zwar sind Ausnahmen zur Abwehr einer Störung
des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts zulässig. Doch das darf
nicht zur Regel werden. Hätte Deutschland in dieser Frage nicht
Frankreich an seiner Seite, müßte es schon längst Strafgelder in
Milliardenhöhe an Brüssel zahlen.
Für Notzeiten keine Rücklagen gebildet
Dritte Feststellung: Da wegen der Überschuldung von Bund, Ländern
und Kommunen das in Zeiten der Wirtschaftsflaute eigentlich gebotene
"Deficit-Spending" staatlicherseits kaum möglich ist, müssen die Impulse
von privater Seite kommen. Eine verstärkte Nachfrage nach Gütern und
Dienstleistungen setzt höhere Netto-Einkommen voraus. Das läßt sich in
der gegenwärtigen Situation allein durch Steuer- und
Abgabensenkungen bewirken, und zwar durch Senkungen signifikanten
Ausmaßes. Mit ein oder zwei Prozent ist es nicht getan.
Vierte Feststellung: Um die notwendigen Steuerentlastungen
finanzieren zu können, muß der Staat seine Ausgaben auf den
Prüfstand bringen und neue Prioritäten setzen. Deutschland ist mit einer
Vielzahl unsinniger Verpflichtungen belastet. Die finanziellen Leistungen
an EU, NATO und UNO, die Ausgaben für Militärmissionen in aller Welt
und für Einwanderer aus aller Welt sind astronomisch hoch. Hier ließen
sich Beträge im zwei- und dreistelligen Milliarden-Bereich sparen,
Gelder, die dem deutschen Wirtschaftskreislauf bislang weitgehend
entzogen werden.
Fünfte Feststellung: Die sozialen Sicherungssysteme müssen nach dem
Muster der privaten Versicherungswirtschaft auf das Deckungsprinzip
umgestellt werden. Der sogenannte Generationenvertrag hält der
demographischen Entwicklung nicht stand und bietet heute nur noch
Vorwand für eine Politik verstärkter Einwanderung. Eine Grundsicherung
hat die Schwachen und Bedürftigen zu schützen. Darüber hinaus
erbrachte Leistungen bedürfen privater Vorsorge.
Von den vorstehenden Erkenntnissen und Forderungen findet sich so
gut wie nichts in der Agenda 2010. Die Pläne der rot-grünen Koalition
beschränken sich auf eine bessere Verwaltung des Mangels, auf
oberflächliche Kosmetik und - was am verheerendsten ist - auf einen
noch stärkeren Griff in den Geldbeutel des Bürgers. Damit werden
Wahlkampfversprechen gebrochen und Lebensplanungen zunichte
gemacht. Fiskalische Daumenschrauben lähmen das Land schon viel zu
lange. Sie noch stärker anzuziehen, treibt der Konjunktur das letzte
Blut aus den Adern.
Qualmen für die Kranken
Fassungslos stehen auch Nichtraucher vor der neuerlichen Erhöhung
der Tabaksteuer um einen Euro pro Schachtel. Zwei Erhöhungsrunden
gab es bereits nach dem 11. September 2001. Damit sollten
Anti-Terror-Maßnahmen finanziert werden - was natürlich niemand
überprüfen konnte. Denn Steuereinnahmen lassen sich staatlichen
Ausgaben nicht konkret zuordnen. Es fließt alles in einen Topf."Müssen
wir jetzt für die innere Sicherheit rauchen und unsere Gesundheit
ruinieren?", fragten vor anderthalb Jahren sarkastisch die Bürger. Ein
Gang in den Tabakladen gleicht schon jetzt dem Weg ins Finanzamt.
Von 21,6 Milliarden Euro Branchen-Umsatz landeten letztes Jahr 16,2
Milliarden Euro bei Hans Eichel. Zugleich ging der Zigarettenabsatz um
6,6 Prozent zurück, wodurch ein Teil der erhofften
Steuermehreinnahmen ausblieb, aber Arbeitsplätze vernichtet wurden.
Mit der neuerlichen Tabaksteuererhöhung sollen, wie es heißt,
Mutterschaftsgeld und medizinische Leistungen für Schwangere bezahlt
werden. Nach"Tanken für die Rente" (der Parole zur letzten Erhöhung
der Mineralölsteuer) nun also"Qualmen für die Kranken". Man faßt sich
an den Kopf. Eine Steuerpolitik, die ihre Einnahme-Hoffnungen darauf
gründet, daß sich möglichst viele Bürger die Gesundheit ruinieren, ist
absurd und unmoralisch. Und was ist, wenn die Rechnung nicht
aufgeht? Wird dann die Alkoholsteuer erhöht oder eine Zuckersteuer
eingeführt? Müssen sich gar Nichtraucher den Vorwurf unsolidarischen
Verhaltens gefallen lassen?
Mehr und mehr reduziert sich Politik auf die Suche nach Vorwänden für
neue Steuern und Abgaben. Die propagierten Effekte bleiben allerdings
aus. Kein Wunder also, daß sich die Bürger verschaukelt fühlen und daß
sie mit Staats- und Parteienverdrossenheit reagieren, zumal die
sogenannte Opposition mit ihren Vorstellungen die gleichen Holzwege
benutzt.
Beispiel Rente: Als aus Rürup-Kommission und Regierung der Vorschlag
kam, das Renteneintrittsalter auf 67 Jahre anzuheben, setzten
Unionspolitiker noch einen drauf: Warum nicht Rente erst mit 70? Da ist
es statistisch nur noch ein ganz kurzer Schritt zur Zusammenlegung
von Renteneintritt und Lebensaustritt.
Gleichzeitig gab eine Bund-Länder-Kommission bekannt, daß sich 40
Prozent aller deutschen Beamten vorzeitig pensionieren lassen. Dabei
werde der Dienst immer früher quittiert. Im vergangenen Jahr seien
schon 30 Prozent der Frühpensionäre jünger als 55 Jahre gewesen. Als
häufigste Ursache nennt der Untersuchungsbericht psychosomatische,
psychische und nervliche Erkrankungen. Rekordhalter sind die Lehrer.
Von ihnen schaffen es 55 Prozent nicht bis zum regulären Dienstende;
bei den Lehrerinnen sind es sogar 70 Prozent.
Was soll man von solchen Zahlen halten? Entweder belegen sie einen
ungeheuerlichen Mißbrauch, der voll auf die verantwortlichen Politiker
zurückfällt. Oder die Belastungen des Arbeitslebens sind heute
tatsächlich so hoch, daß man jenseits der 50 nur noch für die Parkbank
taugt. Eines aber läßt sich nur schwer vermitteln: eine
Zwei-Klassen-Gesellschaft, in der die einen, salopp ausgedrückt, bis 70
malochen und die anderen mit 50 den Griffel fallen lassen. Ohne in eine
dumme und undifferenzierte Beamtenbeschimpfung zu verfallen, muß
festgehalten werden, daß der Staatsdienst nun einmal aus den Steuern
derer finanziert wird, die in der freien Wirtschaft arbeiten. Das macht
die vorliegenden Zahlen noch brisanter.
Wir sollten uns aber vor wechselseitigen Schuldvorwürfen hüten. Für
die Mißstände gibt es politisch Verantwortliche. Die lenken jedoch allzu
gern von sich ab, indem sie die Betroffenen gegeneinander ausspielen:
sozial Schwache gegen Besserverdienende, Kranke gegen Gesunde,
Junge gegen Alte,"Singles" gegen Familien, Kinderreiche gegen
Kinderarme, Arbeitnehmer gegen Rentner. Und umgekehrt. Die
pluralistische Gesellschaft liefert potentielle Sündenböcke zuhauf. Stets
zeigen die Finger der Politiker auf andere, nie auf sich selber. Am
meisten freut es sie, wenn sich unterschiedliche Interessengruppen
streiten und dabei die Solidargemeinschaft auf der Strecke bleibt:
Divide et impera. Teile und herrsche!
Auch das zählt zu den Ursachen der Krise hierzulande. Den Deutschen
wurde das Zusammengehörigkeitsgefühl, das nationale Bewußtsein
ausgetrieben. Sie lassen sich regieren, als seien sie kein Volk, sondern
eine x-beliebige, austauschbare Zufallsversammlung. Ohne innere
Bindung kann aber der komplizierte Organismus einer Volksgemeinschaft
nicht funktionieren. Schon gar nicht in Zeiten wirtschaftlicher
Schwierigkeiten. Das Protestgeschrei der Gruppen und Grüppchen, das
den zaghaften Reformansätzen der Agenda 2010 folgte, ist eine
Auswirkung der nationalen Entsolidarisierung.
Die verantwortlichen Politiker haben es nicht anders gewollt, deshalb
braucht man sie auch nicht zu bemitleiden. Es stellt sich aber die
Frage, ob mit den Mitteln dieses Systems noch verhindert werden kann,
daß sich die Krise zur Katastrophe ausweitet. An eines kann man gar
nicht oft genug erinnern: Uns regieren die gleichen Parteien, die schon
die Weimarer Republik ruiniert haben.
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