--><font size ="5">Sieg des Traditionalisten Peters schreckt Investoren</font>
Niederlage des als gemäßigt geltenden IG-Metall-Chefs Zwickel weckt an der Börse Angst vor Reformstau
von Holger Zschäpitz
Berlin - Die Rückkehr der Betonköpfe schreckt die Anleger auf. Das Ausscheiden des bisherigen gemäßigten IG-Metall-Vorsitzenden Zwickel und die offensichtliche Inthronisierung des als reformfeindlich angesehenen Jürgen Peters wird von den Finanzmärkten als Menetekel für den Wirtschaftsstandort Deutschland interpretiert."Die Traditionalisten in der mächtigsten Industriegewerkschaft Europas bekommen wieder Aufwind.
Das ist ein Rückschritt für Deutschland und den Dax", sagt Edmund Shing, Chefstratege bei Julius Bär."Das könnte den begonnenen Reformprozess deutlich schwieriger gestalten."
Der Dax knickte zum Wochenauftakt in der Spitze um fast 2,5 Prozent ein und hielt innerhalb Europas damit einmal mehr die rote Laterne. Selbst die verkündeten Eckpunkte bei der Gesundheitsreform konnten die Laune der Börsianer nicht aufhellen. Dabei wird die Einigung zwischen Regierung und Opposition generell als positiv angesehen, gilt sie doch als Beweis dafür, dass eine quasi Große Koalition die Reformen in Deutschland endlich anpackt.
Nach der Streikniederlage in Ostdeutschland, die nicht nur in den Augen von Morgan Stanley die"größte Erniedrigung der Gewerkschaften seit 1954 war", sahen insbesondere die Ausländer die Macht der deutschen Gewerkschaften insgesamt als gebrochen an. In sämtlichen Studien der großen US-Investmentbanken wurde dies als Vorteil für den Dax angepriesen. Für Merrill Lynch etwa war der Machtverlust der IG Metall sogar ein wesentliches Argument dafür, insgesamt das Deutschlandbild zu überdenken und die möglichen Chancen der deutschen Dividendenpapiere herauszustreichen. Die Entwicklung an der IG-Metall-Spitze gibt dieser Hoffnung nun einen kleinen Dämpfer.
"Ich bin doch sehr überrascht, dass Peters offensichtlich den Machtkampf überlebt hat", sagt Heinz Schulte, politischer Berater von Merrill Lynch. Zwar sei noch längst nicht klar, ob der Traditionalist vom Gewerkschaftstag im Oktober wirklich zum Vorsitzenden gewählt werde. Doch ein Grund, in den Dax zu investieren, sei diese Entscheidung nicht."Deutschland muss aufpassen, dass sich die politische Unterbewertung des Dax nicht verfestigt."
Ähnlich äußert sich Manuela Preuschl, Ã-konomin bei der Deutschen Bank."Es stellt sich jetzt die Frage, ob die IG Metall ihre harte Linie in der Tarifpolitik oder bei den Reformen wieder einnimmt."
Gerade bei den Ausländern wird der Blick auf Deutschland kritischer."In London und New York verfolgt man genau die Entwicklung der Gewerkschaften in Deutschland sehr genau", weiß Dirk Schuhmacher, Ã-konom bei Goldman Sachs. Gerade die Angelsachsen schieben den Gewerkschaften die Schuld für das unterdurchschnittliche Wirtschaftswachstum und die Underperformance des Dax seit den 90er Jahren zum Teil mit in die Schuhe."Der Arbeitsmarkt wird als die wichtigste Ursache für die deutsche Wachstumsschwäche angesehen.
Immer wenn hier Rigiditäten abgebaut werden - und dazu zählt auch eine geringere Macht der Gewerkschaften - ist dies verbunden mit der Hoffnung auf stärkere Wachstumsraten und damit eine bessere Börsen-Performance." Für die Psychologie der Anleger und damit deren Investitionsentscheidungen sei jede Entwicklung bei den Arbeitnehmerorganisationen daher wichtig.
Dummerweise spielt es dabei gar keine Rolle, ob das Misstrauen gegenüber den Gewerkschaften realwirtschaftlich überhaupt gerechtfertigt ist. Statistiken zeigen, dass die deutschen Konzerne im Vergleich zu Unternehmen aus anderen Ländern viel weniger streik bedingte Ausfalltage zu verkraften haben. Auch die Lohnpolitik kann beim Blick auf die Statistiken nicht gerade als exzessiv bezeichnet werden. Seit Mitte der Mitte der 90er Jahre konnten die Arbeitnehmerorganisationen für ihre Mitglieder im Schnitt nie mehr als drei Prozent aushandeln. Und eine Untersuchung von Morgan Stanley hat ergeben, dass die Macht der Gewerkschaften bereits so geschrumpft ist, dass die ausgehandelten Löhne nie durchgesetzt werden konnten.
Einige Strategen setzen daher darauf, dass sich selbst der Hardliner Peters Reformen nicht verschließen kann oder aber vom Gewerkschaftstag im Oktober nicht gewählt wird. Die Hoffnung der Börsianer:"Das Spiel ist noch lange nicht entschieden."
<font size="4"> Gewerkschaften: Immer noch das Feindbild der Angelsachsen</font>
Wo bleibt die deutsche Margaret Thatcher, die den Gewerkschaften das Genick bricht? Diese Frage stellen sich die angelsächsischen Investmentbanker schon seit langem. Denn für Anleger aus London oder New York sind die Gewerkschaften in Deutschland immer noch ein rotes Tuch. So ist der Klassenkampfgedanke, also der Widerstreit zwischen Arbeit und Kapital - auf die Börse bezogen - zwischen Arbeitnehmer und Aktionär, noch tief im Denken verhaftet. Es gilt das alte Verteilungsprinzip, dass entweder die Mitarbeiter oder die Börsianer von den Gewinnen profitieren können. Je größer die Gewerkschaftsmacht, desto höher die ausgehandelten Löhne und desto niedriger die Gewinne und damit Kurse für Aktionäre.
Suspekt ist Angelsachsen auch das deutsche Modell der Mitbestimmung. Sie können nicht nachvollziehen, warum Anteilseigner, die shareholder, den Kurs der Gesellschaft nicht alleine festlegen können, sondern Gewerkschaftsvertreter im Aufsichtsrat mitbestimmen dürfen. Die Gewerkschaftsmacht wird von den Ausländern dabei als Hypothek nicht nur für einzelne Gesellschaften sondern als wachstumsfeindlich für die gesamte Volkswirtschaft angesehen. Dementsprechend wollen viele Investoren erst in Dax-Unternehmen investieren, wenn die Macht der Arbeitnehmerorganisation zurückgestutzt ist. hz.
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