chiron
22.07.2003, 15:41 |
Ist die Börse das Spiegelbild der Wirtschaft? Thread gesperrt |
-->Ist die Börse das Spiegelbild der Wirtschaft? Selbstverständlich, werdet ihr denken, was soll es denn sonst sein. Schliesslich treffen sich hier Angebot und Nachfrage. Nun, ich möchte diese Ansicht an Hand eines Beispieles in Frage stellen.
Stellt euch ein Gemälde von Picasso vor. Der Wert dieses Bildes schwankt, obwohl sich fundamental nichts ändert. Das gleiche"Ding" ist somit unabhänig des"Inhaltes" Schwankungen unterworfen. Diese Schwankungen werden durch die Gier, etwas haben zu wollen, hervorgerufen, was in der Sache begrenzt ist - es gibt von jedem Gemälde nur ein Original. Wird nun durch einen"Experten" oder"Kritiker" der künstlerische Wert eines Picassos in Frage gestellt, kann der Preis innert Wochen zusammenfallen - da die Angst über den Wertverfall dominiert. Dies kann nur geschehen, wenn sich die Mehrheit der Menschen an"Experten" orientiert und nicht ihre eigene Meinung Grundlage eines Kaufes ist. Selbstverständlich ändert sich auch der eigene Geschmack über die Jahre, aber nicht in dem Masse, wie dies in der Oeffentlichkeit geschieht.
Nun zurück zur Börse. Der Preis einer Aktie basiert einerseits auf fundamentalen Faktoren, wie Umsatz, Gewinn und vielen schönen Ratios. Auf dieser Basis können die Aktien miteinander verglichen werden. Dabei spielen natürlich auch die Zukunftsaussichten einer Branche eine entscheidende Rolle, die manchmal euphorisch (Internet Ende der 90er Jahre) oder auch zurückhaltend eingeschätzt werden.
Wie ist es aber möglich, dass der gesamte Aktienmarkt, also unabhängig von einer spezifischen Branche, Schwankungen unterliegt? Ist es überhaupt möglich, dass die Wirtschaft global gesehen einmal schneller und einmal langsamer wächst? Und, wenn ja, müssten dann die Preisvorteile, die sich dank einer Prokuktivitätssteigerung ergeben wegen dem Wettwerbsprinzip nicht automatisch an die Kunden weitergegeben werden?
Wenn man all dies betrachtet, können durchschnittlich steigende P/E's, wie wir sie in den letzten Jahrzehnten beobachten konnten, nur einerseits mit einer steigenden Geldmenge begründet werden und andererseits mit Psychologie - warum fliesst das meiste"überschüssige" Geld in die Finanzmärkte und nicht z.B. in die Immos.
Somit ergibt sich: Schrumpft die Geldmenge (ink. Buchgeld), schrumpfen auch die Aktienkurse, wobei die letzten drei Jahre nicht von einer schrumpfenden Geldmenge, sondern von einer Präferenzverschiebung von Aktien zu Bonds und Immos geprägt waren.
Was hält Ihr von dieser Theorie? Bin gespannt auf Eure Meinungen Pro und Contra.
Gruss Chiron
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-- Elli --
22.07.2003, 17:01
@ chiron
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Re: Ist die Börse das Spiegelbild der Wirtschaft? |
-->>Somit ergibt sich: Schrumpft die Geldmenge (ink. Buchgeld), schrumpfen auch die Aktienkurse, wobei die letzten drei Jahre nicht von einer schrumpfenden Geldmenge, sondern von einer Präferenzverschiebung von Aktien zu Bonds und Immos geprägt waren.
Mit der Ausnahme ist die Theorie schon widerlegt ;-)
Aber:
>andererseits mit Psychologie...
Eben, DAS ist es.
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Bob
22.07.2003, 17:52
@ chiron
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Re: Ist die Börse das Spiegelbild der Wirtschaft? |
-->>Ist die Börse das Spiegelbild der Wirtschaft? Selbstverständlich, werdet ihr denken, was soll es denn sonst sein. Schliesslich treffen sich hier Angebot und Nachfrage. Nun, ich möchte diese Ansicht an Hand eines Beispieles in Frage stellen.
Die (Aktien-)Börse ist nicht das Spiegelbild der Wirtschaft, sondern ein Ausschnitt der Wirtschaft. Die Aktienkapitalisierung spiegelt den erwarteten zukünftigen Residualwert (=Gewinn) der Aktiengesellschaften wider. Man könnte die Aktienkapitalisierung deshalb auch als Residualwert der Wirtschaft bezeichnen.
Der Residualwert dient dazu, Wertschwankungen, die auf nicht vorhersehbaren Einflußfaktoren (=Innovationen) beruhen, aufzufangen.
>Nun zurück zur Börse. Der Preis einer Aktie basiert einerseits auf fundamentalen Faktoren, wie Umsatz, Gewinn und vielen schönen Ratios. Auf dieser Basis können die Aktien miteinander verglichen werden. Dabei spielen natürlich auch die Zukunftsaussichten einer Branche eine entscheidende Rolle, die manchmal euphorisch (Internet Ende der 90er Jahre) oder auch zurückhaltend eingeschätzt werden.
>Wie ist es aber möglich, dass der gesamte Aktienmarkt, also unabhängig von einer spezifischen Branche, Schwankungen unterliegt?
Die Schwankungen kommen daher, daß der Gewinn, der ex post erscheint von dem erwarteten Gewinn abweicht. Taucht dieses Phänomen bei vielen Gesellschaften gleichzeitig auf, so kann die ganze Börse sich als Ganze rauf und runter bewegen
Andereseits hängt der Kapitalisierungsfaktor, mit dem die Gewinne bewertet werden von der Risikowahrnehmung der Anleger ab. Meine Idee geht dahin, daß die Risikowahrnehmung sinkt, wenn die Gewinnerwartungen der Anleger eintreffen, und steigt, wenn diese verfehlt werden. Die Risikowahrnehmung richtet sich also nach dem, was man"gerade" erlebt hat.
> Ist es überhaupt möglich, dass die Wirtschaft global gesehen einmal schneller und einmal langsamer wächst? Und, wenn ja, müssten dann die Preisvorteile, die sich dank einer Prokuktivitätssteigerung ergeben wegen dem Wettwerbsprinzip nicht automatisch an die Kunden weitergegeben werden?
Nicht automatisch, sondern durch das Wettbewerbsrecht. Das Wettbewerbsrecht aber ist träge. D.h. es dauert eine Weile, bis die Behörde eine -sagen wir technische - Innovation verstanden hat und verarbeitet hat. Solange genießt unser Innovator seinen Gewinn.
>Wenn man all dies betrachtet, können durchschnittlich steigende P/E's, wie wir sie in den letzten Jahrzehnten beobachten konnten, nur einerseits mit einer steigenden Geldmenge begründet werden und andererseits mit Psychologie - warum fliesst das meiste"überschüssige" Geld in die Finanzmärkte und nicht z.B. in die Immos.
Steigende P/Es kommen von abnehmenden Risikoprämien. Die Risikoprämie fällt, wenn die Erwartungen der Anleger erfüllt werden. Die Risikoprämie ist Null, wenn die Erwartungen über längere Zeit genau eintreffen.
>Somit ergibt sich: Schrumpft die Geldmenge (ink. Buchgeld), schrumpfen auch die Aktienkurse, wobei die letzten drei Jahre nicht von einer schrumpfenden Geldmenge, sondern von einer Präferenzverschiebung von Aktien zu Bonds und Immos geprägt waren.
>Was hält Ihr von dieser Theorie? Bin gespannt auf Eure Meinungen Pro und Contra.
>Gruss Chiron
Gruss bob
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chiron
22.07.2003, 18:18
@ Bob
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Re: Ist die Börse das Spiegelbild der Wirtschaft? |
-->>>Ist die Börse das Spiegelbild der Wirtschaft? Selbstverständlich, werdet ihr denken, was soll es denn sonst sein. Schliesslich treffen sich hier Angebot und Nachfrage. Nun, ich möchte diese Ansicht an Hand eines Beispieles in Frage stellen.
>Die (Aktien-)Börse ist nicht das Spiegelbild der Wirtschaft, sondern ein Ausschnitt der Wirtschaft. Die Aktienkapitalisierung spiegelt den erwarteten zukünftigen Residualwert (=Gewinn) der Aktiengesellschaften wider. Man könnte die Aktienkapitalisierung deshalb auch als Residualwert der Wirtschaft bezeichnen.
Soweit klar, ich möchte aber die Erwartungen messen...
>Der Residualwert dient dazu, Wertschwankungen, die auf nicht vorhersehbaren Einflußfaktoren (=Innovationen) beruhen, aufzufangen.
>>Nun zurück zur Börse. Der Preis einer Aktie basiert einerseits auf fundamentalen Faktoren, wie Umsatz, Gewinn und vielen schönen Ratios. Auf dieser Basis können die Aktien miteinander verglichen werden. Dabei spielen natürlich auch die Zukunftsaussichten einer Branche eine entscheidende Rolle, die manchmal euphorisch (Internet Ende der 90er Jahre) oder auch zurückhaltend eingeschätzt werden.
>>Wie ist es aber möglich, dass der gesamte Aktienmarkt, also unabhängig von einer spezifischen Branche, Schwankungen unterliegt?
>Die Schwankungen kommen daher, daß der Gewinn, der ex post erscheint von dem erwarteten Gewinn abweicht. Taucht dieses Phänomen bei vielen Gesellschaften gleichzeitig auf, so kann die ganze Börse sich als Ganze rauf und runter bewegen
>Andereseits hängt der Kapitalisierungsfaktor, mit dem die Gewinne bewertet werden von der Risikowahrnehmung der Anleger ab. Meine Idee geht dahin, daß die Risikowahrnehmung sinkt, wenn die Gewinnerwartungen der Anleger eintreffen, und steigt, wenn diese verfehlt werden. Die Risikowahrnehmung richtet sich also nach dem, was man"gerade" erlebt hat.
Also alles Psychologie...?
>> Ist es überhaupt möglich, dass die Wirtschaft global gesehen einmal schneller und einmal langsamer wächst? Und, wenn ja, müssten dann die Preisvorteile, die sich dank einer Prokuktivitätssteigerung ergeben wegen dem Wettwerbsprinzip nicht automatisch an die Kunden weitergegeben werden?
>Nicht automatisch, sondern durch das Wettbewerbsrecht. Das Wettbewerbsrecht aber ist träge. D.h. es dauert eine Weile, bis die Behörde eine -sagen wir technische - Innovation verstanden hat und verarbeitet hat. Solange genießt unser Innovator seinen Gewinn.
Nein, da hast Du mich falsch verstanden. Wenn mehrere Unternehmen den selben Fortschritt gleichzeitig machen, drückt sich das in einem Gewinn für den Kunden aus und nicht für das einzelne Unternehmen, was die Behörden tun, ist egal.
>>Wenn man all dies betrachtet, können durchschnittlich steigende P/E's, wie wir sie in den letzten Jahrzehnten beobachten konnten, nur einerseits mit einer steigenden Geldmenge begründet werden und andererseits mit Psychologie - warum fliesst das meiste"überschüssige" Geld in die Finanzmärkte und nicht z.B. in die Immos.
>Steigende P/Es kommen von abnehmenden Risikoprämien. Die Risikoprämie fällt, wenn die Erwartungen der Anleger erfüllt werden. Die Risikoprämie ist Null, wenn die Erwartungen über längere Zeit genau eintreffen.
Wieder Psychologie...
>>Somit ergibt sich: Schrumpft die Geldmenge (ink. Buchgeld), schrumpfen auch die Aktienkurse, wobei die letzten drei Jahre nicht von einer schrumpfenden Geldmenge, sondern von einer Präferenzverschiebung von Aktien zu Bonds und Immos geprägt waren.
>>Was hält Ihr von dieser Theorie? Bin gespannt auf Eure Meinungen Pro und Contra.
>>Gruss Chiron
>Gruss bob
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Bob
22.07.2003, 18:50
@ chiron
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Alles Psychologie, oder was? |
-->Häufig liest man Sätze wie"90% der Wirtschaft ist Psychologie" oder"Wir befinden uns in der Rezession. Das hat psychologische Ursachen." - nun ja.
Warum nicht etwas genauer hinschauen?
Das menschliche Gehirn ist ja im Gunde nichts anderes als eine Ansammlung von Zellen mit einem bestimmten Stoffwechsel. Wenn man also sagen, dieser oder jener Mensch sei depressiv, so impliziert man damit, daß sein Gehirnstoffwechsel gerade eine bestimmte Ausprägung habe.
Jetzt haben wir also schon eine bessere Erklärung"90 % der Wirtschaft ist Biologie" oder"Wir befinden uns in der Rezession. Das hat biologische Ursachen".
Jetzt schauen wir noch etwas genauer hin: bestehen nicht die Moleküle, die die Stoffwechselprodukte ausmachen aus Atomen?
natürlich:"90% der Wirtschaft hat atomare Ursachen"
Siehst Du, worauf ich hinaus will?
Man kann ein und denselben Gegenstand der Wahrnehmung mit den Methoden verschiedenster wissenschaftlicher Disziplinen beschreiben.
Wenn einer sagt, die Wirtschaft sei Pychologie, so betrachtet er das Wirtschaftsgeschehen quasi von außen, wie ein Psychologe einen Menschen betrachtet. Die Diagnose mag lauten:"Depression".
Der Ã-konom sieht denselben Sachverhalt und sagt:"Die Kapazitäten sind chronisch unterausgelastet - das Investitionsneigung geht gegen Null. Die Preise fallen etc.".
Der Stoffwechselphysiologe wird sagen:"Bei einer Vielzahl von Menschen herrscht zur Zeit eine akute Unterproduktion von Neurotransmittern."
Alle beschreiben denselben Sachverhalt in ihrer Fachsprache. In die Zukunft sehen kann keiner von ihnen. Schon gar nicht der Ã-konom!
Ich hatte versucht, die Bewegung der Aktienkurse zu beschreiben mit den Termini der Ã-konomie: Risiko, Erwartung, Gewinn etc.
Ich hatte sogar versucht, das Entstehen von Gewinnen zu erklären, nämlich über den Begriff der Innovation.
Die Gewinnerwartung kommt aus der Extrapolation vergangener Erfahrung.
Trifft die Erwartung ein, so sinkt meine Risikoprämie, wird sie verfehlt, so steigt die Risikoprämie.
Wo die Innovationen herkommen, das wüßt' ich allerdings auch gern!
Noch vor hundert Jahren hat man gedacht, daß dynamische Element der Wirtschaft käme von der Politik. Die Wirtschaft hat man rein statisch betrachtet. Heute ist das genau umgekehrt. Heute spielt die Politik den statischen Part.
Zu guter letzt will ich noch meine letzte Weisheit anfügen: Ich glaube nämlich, daß die Schwankungen der Gewinne tatsächlich von der Politik ausgelöst werden und zwar über das Mittel der Handelspolitik. Freihandel - Schutzzoll. Grenzen auf - Grenzen zu. Ob dahinter noch tiefere Ursachen stecken (Sonnenaktivität), da forsche ich noch...
bob
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LenzHannover
23.07.2003, 00:16
@ -- Elli --
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Sei es die Psy die Lebensversicherungs-Vermögensmanager |
-->die Über- und Unterschwinger sind Psy hoch 3 und DUMMHEIT,
Wer kauft den Anleihen in Japan?!?!?!
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