--><font size ="5">Glaubenskrieg beim Dax: Über- oder unterbewertet? </font>
Fed-Modell signalisiert noch immer deutliches Potenzial
von Holger Zschäpitz
Berlin - Die Märkte kennen doch so etwas wie ausgleichende Gerechtigkeit. Während in den vergangenen drei Jahren vor allem die Aktienanleger herbe Verluste hinnehmen mussten, sind nun die Renten-Investoren an der Reihe. Der Anleihemarkt stolpert von einer Katastrophe in die nächste. Zu Wochenanfang kletterte die Rendite der zehnjährigen Bundestitel um ganze zehn Basispunkte nach oben, spiegelbildlich rutschten die Kurse weiter ab. Der Dax dagegen steuerte mit dem Sprung über die 3400-Punkte-Marke ein Jahreshoch an. Seit den Tiefständen Mitte März hat das deutsche Kursbarometer über 55 Prozent an Wert gewonnen.
Mit der gegenläufigen Entwicklung von Dividendenpapieren und Anleihen haben sich die Bewertungsrelationen zwischen beiden Anlageklassen kräftig verschoben. Doch zumindest in Deutschland sind Aktien im Vergleich zum Rentenmarkt noch immer deutlich unterbewertet. Dies signalisiert zumindest das so genannte Fed-Modell (siehe Artikel unten). Danach liegt der faire Wert beim deutschen Aktienbarometer aktuell bei 4500 Punkten. Damit hätte der Dax - gemessen am momentanen Niveau der Bundesanleihen - noch immer rund 36 Prozent Luft nach oben.
Die Rechnung ist einfach: Die 30 Unternehmen im Dax notieren auf Basis der Gewinnschätzungen für die kommenden zwölf Monate durchschnittlich mit einem Kurs/Gewinn-Verhältnis (KGV) von 15,5. Beim aktuellen Niveau der Bundespapiere von 4,10 Prozent liegt das Renten-KGV bei 24,4. Die Bewertungslücke beträgt damit über ein Drittel.
"Selbst wenn die Renditen am Rentenmarkt noch weiter steigen sollten, ist der Dax noch immer kräftig unterbewertet", sagt Bernd Meyer, Stratege bei der Deutschen Bank. Er untersucht regelmäßig anhand des Fed-Modells, ob Aktien teuer oder billig sind."Das heißt nicht, dass die deutschen Blue Chips in den nächsten zwei bis drei Wochen haussieren und damit die Lücke zum Rentenmarkt schließen. Aber in spätestens zwölf Monaten dürfte das deutsche Kursbarometer die 4000-Punkte-Marke knacken", ist Meyer optimistisch.
Doch viele Experten stellen die Ergebnisse des Fed-Modells in Frage. Denn gleich zwei Variablen könnten falsche Signale aussenden. Das sind zum einen die Renditen am Anleihemarkt."Vielleicht ist der Rentenmarkt noch immer hoffnungslos überbewertet. Deshalb kann ich doch an Aktien nicht die gleichen Kriterien ansetzen", sagt Markus Reinwand, Stratege bei Helaba Trust. Tatsächlich könnten die Renditen auch in den kommenden Wochen weiter kräftig klettern. Pessimisten sehen einen Anstieg bei den zehnjährigen Bundespapieren auf bis zu fünf Prozent. Damit würde das Renten-KGV auf 20 zurückfallen und sich die KGV-Lücke zum Aktienmarkt ein Stück weiter schließen.
Rolf Elgeti, Stratege bei der Commerzbank, hält die Gewinnschätzungen für die Dax-Unternehmen noch deutlich für zu hoch. Für 2003 erwartet er weitere negative Gewinnrevisionen um zehn Prozent. Für 2004 könnten die Analysten sogar gezwungen sein, ihre Schätzungen um 20 Prozent nach unten zu nehmen. Damit würde das Aktien-KGV für den Dax von aktuell 15,5 auf knapp 19 klettern. Die Lücke zum Rentenmarkt-KGV wäre fast geschlossen. Elgeti traut daher auch dem Dax auf Sicht von zwölf Monaten höchstens ein Potenzial von zehn Prozent zu.
Nach Ansicht vieler Marktbeobachter taugt das Fed-Modell gerade in der aktuellen Situation kaum für eine Analyse zum kurzfristigen Ein- oder Ausstieg bei Renten bzw. Aktien."Wir hassen das Fed-Modell wegen seiner ganzen Unzulänglichkeiten", sagt Thomas McManus, Stratege bei der Banc of America in New York Gerade kurzfristig gebe es immense Verzerrungen an den Märkten, was die Aussagen unbrauchbar mache. Gerade seit Ende der 90er Jahre hat McManus für die Wall Street festgestellt, dass die Bewertungen von Dividendenpapieren und Bonds kaum ein Niveau hatten.
Erst waren Aktien wesentlich teurer, nun Renten."Dennoch arbeiten wir auch noch mit dem Modell." Denn auf lange Frist nämlich liefert das Fed-Modell durchaus brauchbare Ergebnisse.
<font size="4">Von einer einfachen Faustregel zum Fed-Modell </font>
Um das faire Niveau von Aktienmärkten zu bestimmen, greifen Strategen gern auf das so genannte Fed-Modell zurück. Hier werden die Renditen von Aktien und Anleihen miteinander verglichen. Werfen Renten mehr als Dividendenpapiere ab, sind Aktien überbewertet und umgekehrt.
Für Deutschland werden für das Modell die Zinsen von zehnjährigen Bundesanleihen herangezogen. Für den Dax greift man auf das Kurs/Gewinn-Verhältnis (KGV) zurück, weil es als langfristige Rendite deutscher Standardwerte gewertet werden kann. Das momentane Dax-KGV von 15,5 entspricht folglich einer Rendite von 6,5 Prozent (100 geteilt durch 15,5). Spiegelbildlich dazu kann auch das KGV von Anleihen bestimmt werden, in dem man 100 durch die aktuelle Rendite teilt. Beim aktuellen Niveau der Bundespapiere von 4,10 Prozent liegt das Renten-KGV bei 24,4.
Setzt man auf das Modell müssen sich die Renditen bzw. Bewertungsniveaus von Aktien und Renten langfristig angleichen. Denn die Analyse basiert auf der Vorstellung, dass beide Asset-Klassen in Konkurrenz zueinander stehen und Anleger in die jeweils günstiger bewertete Kategorie investieren und damit den Bewertungsausgleich herbeiführen.
Die Adelung als Fed-Modell verdankt die ehemals einfache Anleger-Faustformel dem amerikanischen Notenbankchef Alan Greenspan. Er warnte im Dezember 1996 mit Verweis auf den Aktien-Renten-Vergleich vor einem"irrationalen Überschwang". 1997 dann wurde das Fed-Modell aktenkundig, als Greenspan in seiner vierteljährlichen Rede vor dem Kongress den Namen in seinem Bericht erstmals schriftlich niederlegte. hz.
<ul> ~ Original hier</ul>
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