-->Emotionales Investieren
Ich weiß natürlich, dass die Standardlehrbücher, die Spezialisten, die veröffentlichte Meinung, also schlichtweg jeder es anders sieht. Man muss wissen, was die Gesellschaften machen, deren Aktien man kauft, sagen sie uns alle. Man muss verstehen, man muss sich hineindenken, man muss... Ich hingegen sage: DAS IST ALLES QUATSCH. Auch auf die ganzen Monats- und Quartalsdaten zu hören, diese ganzen dümmlichen Veröffentlichungstermine zu beachten, ist reiner Blödsinn. Vergessen Sie einfach die Berichte von Intel und Nokia. Denn erstens sind diese Mosaiksteine nur selten schlüssig zusammen zu setzten, und zweitens sind auf dem dabei entstehenden Bild nur Äpfel zu sehen, obwohl an den Börsen doch unzweifelbar Birnen gehandelt werden.
Für mich hat das, was hier getrieben wird, außer mit dem Füllen von Druckpapier und Sendezeit eher so etwas mit dem Versuch zu tun, eine (gedankliche) Kontrolle über etwas zu erlangen, was sich niemals, auch gedanklich nicht, in den Griff bekommen lässt. Mir fällt hierzu nur die fernöstliche Wahrheit ein: Man kann nicht nur nicht zwei Mal in den selben Fluss stiegen, man kann es nicht einmal einmal. Denken Sie einmal über diesen Satz nach!
Hinzu kommt, dass es neben der Kontrollillusion auch noch eine Wissens- oder Theorieillusion gibt. Ich habe das ausführlich in meinem ersten Buch"Der Crash der Theorien" aufgezeigt. Wir alle, oder zumindest die meisten, glauben, der Aktienmarkt würde nach irgendwelchen fundamentalen Gesetzmäßigkeiten ablaufen. Doch auch das ist schon von der Logik her unhaltbar: Denn ein Mechanismus, der sich selbst erkennt, wäre plötzlich nicht mehr der selbe Mechanismus, sondern ein neuer und völlig anderer.
Hintergrund dieses quasi-religiösen Glaubens ist die Vorstellung, dass die Aktien eines Unternehmens in irgend einer Weise den Wert des Unternehmens widerspiegeln würden. Diese Vorstellung ist natürlich völlig lächerlich. Das wissen auch die Analysten und sprechen daher stets von Über- oder Unterbewertungen, was natürlich ebenso lächerlich ist. Doch an irgend etwas muss der Mensch sich ja festhalten. Irgendetwas Absolutes braucht er. Für die einen ist dies Gott, für die anderen ein absoluter Aktienwert und für noch andere vielleicht eine Flasche Absolut-Wodka. Im Endeffekt ist der Unterschied allerdings äußerst marginal.
Was bleibt anlässlich dieser Malaise noch übrig? Eine ganze Menge, finde ich. Nämlich die Tatsache, dass wir Menschen sind und dass Aktienkurse ebenfalls von Menschen gemacht werden. Aktienkurse richten sich niemals nach Fakten, sondern immer nur nach dem, was die Menschen von diesen Fakten glauben. Sind die Menschen optimistisch, dass nehmen sie primär die guten Nachrichten wahr und verleugnen die schlechten. Sind sie pessimistisch, machen Sie es genau umgekehrt. Ein erfolgreicher Börsianer ist also nicht derjenige, der gut rechnen und Zahlen analysieren kann, sondern jemand, der sich in Menschen hineinfühlen kann. Was sind deren Motive, was sind die Wünsche und die Ängste. Mit Rationalität hat das natürlich wenig zu tun. Doch es sind ja auch nur die Börsenanfänger und die Betonköpfe, die glauben, der Börse mit Rationalität beikommen zu können.
Alle anderen wissen - zumindest implizit - dass die wirklich guten Entscheidungen meistens diejenigen waren, die aus dem Bauch heraus kamen. Wirklich gutes Aktienmanagement ist emotionales Investment - Investment By Emotions. Das wird natürlich niemand öffentlich zugeben, da niemand einem Schöngeist, der seine Zeit damit verbringt, Emotionen auszugucken, Geld anvertrauen würde. Geld verdienen, so unsere puritanische Erziehung, hat vielmehr etwas mit Fleiß und harter Arbeit zu tun. Deswegen kaufen die Menschen ja auch Fonds von Managern, die 10, 12 oder gar 14 Stunden am Tage Zahlen wälzen, um sich ihre Misserfolge schließlich wenigstens richtig verdient zu haben.
berndniquet@t-online.de
<ul> ~ aktueller Kommentar bei W:O</ul>
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-->Morgen,
wenn ich so seine"Kolummne" in der WAMS (letzte Woche auch schon) lese, sieht auch der bald das Ende der Finanzwelt auf uns zukommen.
Das kennt man doch von diesem notorischen Dauerbullen gar nicht?!
aws.
kiz
v.Bernd Niquet
Die gegenwärtige Wirtschaftslage hat etwas Einzigartiges. Es passieren Dinge, die es in dieser Form in der Nachkriegzeit noch nicht gegeben hat. Um ein weiter führendes Beispiel zu bringen: So stelle ich mir die Situation vor, wenn der Rennfahrer Michael Schumacher plötzlich seine Einkünfte in Deutschland versteuern würde. Auch so etwas wäre eine historische Einmaligkeit. In Wirklichkeit macht er das natürlich nicht, schließlich leben wir ja im Zeitalter des Ich. Der Begeisterung der Massen tut das freilich keinen Abbruch. Denn beim Rennfahren wie an der Börse ist der Verstand stets das Erste, was über Bord geht.
Um beim Beispiel eines Autorennens zu bleiben: Normalerweise nimmt ein Rennfahrer vor einer Kurve das Gas weg und gibt erst dann wieder Volldampf, wenn er durch die Kurve hindurch ist. Unsere Volkswirtschaften - und ganz besonders die US-amerikanische - verhalten sich gegenwärtig jedoch wie ein Rennfahrer, der mit Vollgas in die Kurve hineingefahren ist und auch in der Kurve weiterhin das Gaspedal bis zum Anschlag durchdrückt. Das lässt natürlich einige Bedenken hinsichtlich der Geschwindigkeit auf der nächsten Gerade aufkommen.
In jeder Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg haben die US-Haushalte ihre Verschuldung zurückgeführt. Sie haben ihre Kredite abgebaut, um dann im Aufschwung wieder Gas geben zu können und bei guter Konjunktur die Verschuldung wieder auszubauen. Und gerade dadurch ist die Konjunkturlokomotive erst richtig ins Laufen gekommen. Im Mittelpunkt der Wirtschaft stehen nämlich immer die Konsumausgaben der Haushalte.
Und erst wenn hier Steigerungen absehbar sind, ziehen die Investitionen an. Denn Investitionen fallen niemals vom Himmel, sondern hängen ausschließlich von den Ertragserwartungen der Unternehmen ab.
Im augenblicklichen Rezessionsszenario ist die Verschuldung der US-Haushalte jedoch regelrecht explodiert und befindet sich mit 18 Prozent des Haushaltsvermögens (nach 14 Prozent vor Beginn der Krise) auf einem historischen Allzeithoch. Woher hier im Ausgang der Kurve noch einmal stärker Gas gegeben werden könnte, bleibt angesichts dieser Zahlen unerfindlich. Und die Unternehmen werden dies in ihren Investitionsplänen natürlich reflektieren.
Trotz der niedrigsten Zinsen seit dem Zweiten Weltkrieg ergibt sich deshalb mit 14 Prozent des verfügbaren Einkommens wieder eine Schuldendienstquote, die genauso hoch liegt wie auf ihrem Top-Niveau in der Mitte der achtziger Jahre. Doch damals lagen die Zinsen bei einem Vielfachen des heutigen Wertes. Selbst wenn die Zinsen zukünftig nicht anziehen, sondern auf dem niedrigen gegenwärtigen Niveau verharren würden, dann steigt der Schuldendienst der US-Haushalte bei gleich bleibender Kreditexpansion auf 15,5 Prozent bis Ende des Jahres 2005.
Man mag sich also lieber nicht vorstellen, was passieren würde, wenn es der Fed in den USA nicht gelingt, die Zinsen dauerhaft niedrig zu halten. Dann wird aus der zarten Pflanze des erhofften Aufschwungs sehr schnell eine Eisblume. Das Glas ist nämlich weder halb voll noch halb leer. Es ist bereits übervoll - und zwar mit Schulden. Spiegelbild der Schuldeneskalation ist eine dramatisch niedrige Sparquote, die rechnerisch kaum noch ausreicht, die jährliche Abschreibung zu verdienen. Doch an dieser Stelle kann man wenigstens eine Teilentwarnung geben. Denn die Vorstellung, dass Investitionen unterbleiben, weil nicht gespart wird, ist völlig irrig.
Es ist vielmehr genau umgekehrt: Zum Investieren braucht man keine Ersparnisse, sondern Geld. Die Ersparnisse ergeben sich dann schon von selbst - entweder bei den Haushalten, beim Staat oder bei den Unternehmen in Form von nicht ausgeschütteten Gewinnen. Und Geld, so hört man, gibt es weltweit derzeit ja genug. Ganz besonders im Greenspan-Land USA.
<ul> ~ Originaltext hier</ul>
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