--><font size="5">Das Chaos am US-Rentenmarkt zieht weite Kreise </font>
Die Kolumne /Die WELT
von Marc Faber
Bereits in meiner Juni-Kolumne hatte ich darauf hingewiesen, dass die von Alan Greenspan und Ben Bernanke verfolgte expansive Geldpolitik nicht zu fallenden, sondern zu steigenden Zinssätzen führen würde. Tatsächlich brachen die Kurse der langfristigen Anleihen ein und führten zu einem der verheerendsten Bärenmärkte der Finanzgeschichte. Die Renditen der 30-jährigen US-Staatspapiere sind innerhalb von zwei Monaten von 4,14 auf 5,45 Prozent gestiegen, was zu über 25-prozentigen Kursverlusten dieser Titel geführt hat. Während am Aktienmarkt 20-prozentige Schwankungen innerhalb von zwei Monaten nicht auszuschließen sind, ist eine derartige Volatilität nach unten am Rentenmarkt doch höchst ungewöhnlich und wirft einige Fragen auf.
Einmal wäre es interessant zu wissen, wer bei diesem Kurseinbruch massiv Kapital verloren hat. Denn während Ende der neunziger Jahre Investoren glaubten, dass Greenspan mit seiner expansiven Geldpolitik einen Einbruch am Aktienmarkt verhindern könnte, waren in letzter Zeit die Käufer langfristiger Anleihen fest davon überzeugt, dass mit dieser Geldpolitik und - dank einer möglichen Deflation - die Zinsen noch weiter fallen würden. Dies führte dazu, dass zahlreiche Finanzinstitute einschließlich Hedgefonds kurzfristiges Geld borgten und es in langfristige Anleihen mit höherer Rendite investierten.
Ein derartiger Kurseinbruch, wie er in den vergangenen sechs Wochen stattgefunden hat, wurde schlichtweg ausgeschlossen. Die Möglichkeit, sich durch derivative Produkte abzusichern, gab den Spekulanten zusätzlich Vertrauen, ihre Positionen noch deutlich zu erhöhen. Insbesondere wurden die Positionen von hypothekenbesicherten Anlagen wesentlich vergrößert. Denn einerseits hatten diese festverzinslichen Papiere höhere Renditen, andererseits hatten die rapiden Zinssenkungen von Greenspan zum wohlbekannten Refinanzierungsboom am Markt für Hypothekendarlehen geführt. Als aber die Zinsen drehten und nicht mehr fielen, sondern zu steigen begannen, mussten diese Positionen abgestoßen oder durch Futures auf Staatsanleihen abgesichert werden, was zu einer gravierenden Erhöhung der Kursschwankungen nach unten führte.
Ganz sicher ist, dass die vom Staat geförderten Finanzgesellschaften wie Fannie Mae und Freddie Mac bei diesem Debakel stark gelitten haben. Ich würde ebenfalls annehmen, dass bestimmte Hedgefonds und Banken, die stark auf Anleihen gesetzt hatten, gewaltige Verluste eingesteckt haben. Steigende Zinsen haben zudem negative Auswirkungen auf die Baubranche, die dank der fallenden Zinsen einen gewaltigen Refinanzierungsboom erlebte. Die Refinanzierungen führten zu einer zunehmenden Nachfrage und rasch steigenden Preisen für Einfamilienhäuser. Jetzt ist aber der Refinanzierungsindex um die Hälfte gefallen, was sich negativ auf die Baubranche und den Verbrauch der Haushalte auswirken dürfte, der durch die Refinanzierungen stark belebt wurde.
Das Wirtschaftswachstum im vierten Quartal könnte daher eher enttäuschen und der US-Aktienmarkt mit seinen hohen Bewertungen dürfte sehr verletzbar sein. Nur eines erscheint derzeit sicher: Die Finanzmärkte sind wegen ihrer ungeheuren Größe und der gewaltigen Menge an derivativen Produkten einer außerordentlichen Volatilität unterworfen. Und dies wird bestimmt zur nächsten Finanzkrise führen.
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