--><font size=4>Lummerland</font>
Erster Teil.
Eine messerscharf-bissige Satire aus der real existierenden Märchenwelt
Von Ulrich Walluhn, Erfurt - aus der Denkfabrik Thüringen
Einst, als die Spatzen noch Gamaschen trugen und als Tür, Tor und Not noch mit „Ha" nach dem „Te" geschrieben wurden, war Lummerland eine große Industrienation inmitten des Kontinentes Atlantis, umgeben von überwiegend neidischen, streitsüchtigen Nachbarn. Da lag im Westen das Franzenland, was erst kürzlich von Lummerlands Armeen tüchtig „Dresche" bezogen hatte. Da lag im Osten das große, weitläufige Mussland mit seinem grimmigen Zaren an der Spitze, im Süden das befreundete Austerlitz-Garn und schließlich gab es noch einige Zwergenstaaten, die der Erwähnung jetzt nicht wert sind. Lummerland wurde vom mächtigen Kaiser Wilhelm regiert, seine vielen Millionen Bewohner, die Lemminge, gingen ihrem Tagwerk nach - kaisertreu, lummer und doof. Oder waren sie doch gar nicht so doof, wie man heute glauben machen will? Jedenfalls leisteten sie damals keinen Job, sondern echte lummerländische Wertarbeit.
Schließlich suchte ein großer Krieg das Lummerland heim. Der Krieg war verloren, der Kaiser dankte ab und ein großes Chaos brach über die Lemminge herein. Es herrschte Not und Orientierungslosigkeit, ein Teil der Lemminge erhob sich gegen einen anderen, verschiedene hingegen blieben einfach passiv. Die neue Lummer-Regierung rief im Jahre 19 eine wackelige Republik aus, die nicht einmal mehr Lummer hieß, sondern den Namen einer Kleinstadt trug. Die ebenso wackelige Regierung ließ endlos Geld drucken, so dass bald kein Lemming mehr über Vermögen verfügte und ein Brot schließlich Milliarden Lummer-Mark kostete. Noch größer wurde die Not, weil die siegreichen Nachbarn endlos Kriegsentschädigungen - sie sagten vornehm Kontributionen dazu - verlangten und weite Gebiete von Lummerland abtrennten.
Armes Lummerland!
Sein östlichster Zipfel war nun eine Insel inmitten des neu geschaffenen Polaniums unter Führung des berüchtigten Diktators Tilsuzki. Nach ein paar Jahren der Erholung wurde Lummerland um so mehr gebeutelt. Börsenkrach, Wirtschaftskrise, Straßenschlachten und ständig zurücktretende Regierungen gaben ihm den Rest. Millionen Lemminge wurden arbeitslos, Hoffnungslosigkeit, Hunger und Elend machten sich abermals breit.
Die Lemminge wussten weder aus noch ein. Alles, aber auch alles drohte zusammenzubrechen. So riefen sie die Schildbürger um Rat. Aber auch die kannten keinen Ausweg oder laberten nur wichtigtuend-dumm herum. Da meldete sich wie ein Schuljunge im Klassenzimmer ein kleiner Weltkriegsgefreiter aus Austerlitz mit dem unaussprechlichen Namen Schlickelgrübner zu Wort. Und die Lemminge - noch immer kaiserteu, lummer und doof - jubeltem ihm zu, zogen braune Hemden an, banden sich Lederkoppel um den Bauch und stiegen in schwarze Knobelbecher. Eine seltsame Verwandlung vollzog sich nicht nur an,sondern auch in ihnen. Immer mehr übten den abgewandelten Gruß des Römerkaisers Nero und begannen „Sieg-Heil-Lummerland" (SHL) zu rufen. Ihren kleinen Gefreiten aus Austerlitz nannten sie alsbald Hinkel. Und sie feierten ihn wie einen Befreier ganz so, als sei er in einem Raumschiff Außerirdischer vom Himmel gekommen.
Seltsames Lummerland!
Hinkel ließ sich diese Gelegenheit nicht entgehen und riß - die Gunst der Stunde nutzend - den seit Jahren leeren Kaiserthron an sich. Dabei war er so klein, dass er ohne Leiter kaum das Sitzpolster erreichte! Er verlegte auch ein seltsames, in verquaster Sprache verfasstes Buch, das „Mein Krampf" hieß und plötzlich in allen Stuben der Lemminge zu finden war. Dabei las es eigentlich überhaupt niemand, nicht einmal der sonst so wissbegierige Schildbürger. Hinkel haßte die Schildbürger und ließ es sie auch bald spüren. „Kauft nicht beim Schildbürger", „Der Schildbüger ist unser Verderben" oder „Der ewige Schildbürger", heiß es auf Transparenten, die in den Straßen der Städte hingen. Und aus Schildau, der Hauptstadt der Schildbürger, machte Hinkel kurzerhand Wehrwolf-Stadt. Still und leise ließ er die Schildbürger verschwinden, nachdem er Lummerland in Lummergaue gegliedert hatte. Und ein Lummergauleiter nach dem anderen vermeldete lauthals dem Hinkel seinen Gau als „schildbürgerfrei". Noch heute, viele Jahrzehnte nach jenen Ereignissen, behaupten viele Nachkömmlinge der alten Lemminge, nicht zu wissen, wo denn die Schildbürger damals abgeblieben sind, auch wenn Wehrwolf-Stadt längst wieder Schildau heißt und sich kaum jemand an den „Wolfsnamen" erinnert.
Blamables Lummerland!
Hinkel war ein ganz schlauer Fuchs und wurde von allen Nachbarn Lummerlands weit unterschätzt. Kaum an der Macht, entsann er sich der Herren Färber und Feder, die als geniale Wirtschafstheoretiker von sich Reden gemacht hatten und die Theorie eines zinsfreien ergokratischen Geldwesens entdeckten.
Nicht übel, dachte sich Hinkel und er handelte auch. Binnen weniger Jahre holte er Millionen arbeitsloser Lemminge, die er nun Wolkgenossen nannte, nach dieser Theorie von der Straße. Noch immer kaisertreu, lummer und doof wurde aus Jubel um den Großen Führer Hinkel (zu dem er vom Lummervolk hinaufstilisiert wurde) nun wahrer Fanatismus. Zum immer lauter grölenden Hinkel und seiner gleichgeschalteten Nationalsozialistischen Lummerländischen Arbeiterpartei (NSLAP) gesellten sich die immer lauter grölenden Lemming-Wolkgenossen. Es war ein einziges Grölen, Marschieren und Braunhemd-Zur-Schau-Stellen. Berühmte Lemminge, wie Heinrich Tann und Albert Zweistein kehrten Lummerland mit Grausen den Rücken. Und eines Tages brannten die Häuser der Schildbürger, die noch im Lande waren.
Angsteinflößendes Lummerland.
Den Großen Führer Hinkel (Grof H) mit seiner NSLAP befiel alsbald der Größenwahn: Aus ihm wurde zunächst der Gröfaz (Größter Führer aller Zeiten) und schließlich der Gröfez (Größter Feldherr aller Zeiten). Er holte Austerlitz heim ins Lummer-Reich, wie es jetzt hieß und warf - so ganz nebenbei ohne dass es ein Lemming merkte - Färber und Feder mitsamt aller Ergokratie wieder aus dem Boot. Ganz klever hatte er sich der ergokratischen Wirtschafslehre in seinem Sinne bedient, bis sie ihm selbst hinderlich wurde. Und keines hat’s gemerkt! Noch immer kaisertreu, lummer und doof...
Auf Austerlitz folgte das Studentenland. Und im Jahr 39 war Polanium an der Reihe, auf das er seit 5 Uhr 45 zurückschoss. Wenig später fraß er Franzenland und die im Text ganz oben nicht der Erwähnung werten Zwergenstaaten. Dummerweise legte er sich hierbei mit Engelreich an, einem Inselstaat nahe dem Kontinent Atlantis, mit einer eigenwillig-bockbeinigen Bevölkerung, den Engeln. Das sollte Hinkel übel zu stehen kommen! Hatten doch die Engel einen fetten Onkel in Übersee auf dem Kontinent Ameristan, der ihnen bald zu Hilfe eilte. Der neue große Weltenkrieg jedenfalls war jetzt perfekt. Und das bekamen auch die Lemminge immer stärker zu spüren, als nämlich Ameristan und Engelreich zunehmend ihre Bomben aus der Luft auf die Betriebe und Häuser der Lemminge abwarfen. Hinkels Propagandaminister Bappels hieß fortan Meyer. Inzwischen hatte Gröfez Hinkel ein neues Husarenstück vom Stapel gelassen. In völliger Verkennung der Weltrealitäten überfiel er doch tatsächlich wie einst Franzenlandmann Napaleon der Erste das mächtige Mussland. Was anfangs wie ein glänzender Erfolg aussah, wurde schnell zum Desaster, als General Winter mit grimmiger Kälte und Schneesturm zuschlug und Mussland auch noch massive Wirtschaftshilfe aus Ameristan erhielt. Die Lage wurde zunehmend aussichtsloser. Lummerland in der Zwickmühle. Die Lemminge, noch immer kaiserteu, lummer und doof, schrien lauthals jaaaaaa, als Meyer, vormals Bappels im Sportpalast der lummerländischen Hauptstadt Germania frage „Wollt ihr den totalen Krieg?!".
Lummerland total!
Lummerland ist abgebrannt. Im Jahr 45 lag alles in rauchenden Trümmern. Hinkel hatte sich in seinem Hinkelbunker am Spee-Bogen der Hauptstadt Germania wie Bappels feige das Leben genommen. Die Lemminge draußen, nun keine Wolkgenossen mehr, litten mehrheitlich an Gedächtnisschwund. Sie kannten plötzlich einen Hinkel genauso wenig wie eine NSLAP und nicht wenige handelten schnurstracks westwärts ziehend nach dem Motto: „Ich komme aus dem Osten und suche einen Posten. Papiere all’ verbrannt, Hinkel nie gekannt."
<ul> ~ liest und lachst Du weiter hier...... (im zweiten Teil dann die Zukunftsvision)</ul>
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