-->VERNICHTENDES URTEIL
<font size=5>Arbeitsmarktforscher nennt Hartz-Reform Scharlatanerie</font>
Nach Einschätzung des Nürnberger Arbeitsmarktforschers Hermann Scherl ist die Hartz-Reform nichts als Augenwischerei. Seinen Berechnungen zufolge kann es sein, dass die hohe Arbeitslosigkeit damit überhaupt nicht reduziert wird.
Nürnberg - Die Arbeitslosigkeit werde sich keinesfalls wie angekündigt um zwei Millionen verringern, bestenfalls sei noch ein Entlastungseffekt von 400.000 Arbeitslosen möglich, schreibt Scherl in seiner Zwischenbilanz."Im ungünstigsten Fall geht die Rechnung nahezu auf null aus", so der Arbeitsmarktforscher, der an der Universität Erlangen-Nürnberg lehrt. Das gesamte Reformwerk erweise sich zunehmend als"Scharlatanerie".
Völlig überbewertet habe die Hartz-Kommission vor allem die so genannten Personal-Service-Agenturen (PSA), die Arbeitslose als Zeitarbeiter an Firmen vermitteln sollen. Die Erwartung, damit die Zahl der Arbeitslosen um bis zu einer Million zu verringern, sei von Anfang an fehlerhaft gewesen, schreibt Scherl. In den nun geplanten Personal-Service-Agenturen seien die Beschäftigungs- und Entlastungseffekte gleich null."Bestenfalls kann über die PSAs die berufliche Wiedereingliederung von sonst schwer vermittelbaren Arbeitslosen gefördert werden", urteilt Scherl.
Auch bei den so genannten Ich-AGs zeichnet sich nach Einschätzung des Arbeitsmarktforschers ein Misserfolg ab. Ursache dafür sei unter anderem, dass bei der Gewährung von Existenzgründer-Zuschüssen auf die Vorlage eines Geschäftsplans mit positiver fachkundiger Begutachtung verzichtet wird. <font color="#FF0000">Dadurch seien schlecht geplante Existenzgründungen mit einem hohen Risiko des Scheiterns zu befürchten</font>. <font color="#FF0000">Zudem sei davon auszugehen, dass manche Arbeitslose die Existenzgründungszuschüsse nur mitnähmen, um weitere Zahlungen vom Arbeitsamt zu erhalten</font>.
Die Neuregelungen bei den"Mini"- und"Midi-Jobs" bei einem monatlichen Lohn von 400 bis 800 Euro seien zwar für Arbeitgeber und Arbeitnehmer attraktiv, zur Beendigung der Arbeitslosigkeit böten sie jedoch keinen Anreiz. <font color="#FF0000">Eher sei zu befürchten, dass sie die Zahl normaler Vollzeit-Jobs verringerten, weil sie Arbeitgeber zunehmend dazu veranlassten, normale Stellen in mehrere"Mini-" oder"Midi- Jobs" aufzuteilen</font>. Ferner hält Scherl die geplante Ausdehnung der Zuständigkeit der Bundesanstalt für Arbeit (BA) auf arbeitslose Sozialhilfeempfänger für fragwürdig. Die BA werde dadurch <font color="#FF0000">zu einem"Mega-Sozialamt" aufgebläht</font>
Ähnlich kritisch bewerteten mehrere ostdeutsche Politiker die Hartz-Reformen. Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Horst Rehberger (FDP) sagte der"Berliner Zeitung", die Erfolge der bisher umgesetzten Hartz-Reformen seien ernüchternd."Besonders die Personal Service Agenturen haben sich in der Praxis als unsinnig herausgestellt." Mehr als zusätzliche Kosten hätten diese bisher nicht gebracht - im Gegenteil: Es seien reguläre Zeitarbeitsverhältnisse vernichtet worden, weil mit den Subventionen der Bundesanstalt für Arbeit Stellen billiger angeboten werden konnten.
Martin Gillo (CDU), sächsischer Staatsminister für Wirtschaft und Arbeit, warf der Bundesregierung vor, von den ursprünglichen Hartz- Ideen nicht allzu viel umgesetzt zu haben."Ungelöst bleibt unser größtes Problem, die hohe Arbeitslosigkeit", erklärte er."Mehr Arbeitsplätze haben die Hartz-Gesetze hier im Osten nicht gebracht."
Der brandenburgische Arbeitsminister Günter Baaske (SPD) verwies hingegen auf erste Erfolge bei der so genannten Ich-AG:"Diese Entwicklung macht mir insgesamt Hoffnung, weil eine breite Diskussion offensichtlich auch die Einstellungen und Handlungen der Menschen beeinflussen kann."
[b] Quelle: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,260924,00.html, Spiegel-Online, 12.08.2003
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