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Rußland: Stehen anglo-amerikanische"Oligarchen" kurz vor der Entmachtung?
(Präsident Putin, EIR)
An zwei aktuellen Entwicklungen wird deutlich, daß sich in Rußland im Zuge der Systemkrise und dem daraus folgenden Kriegskurs der anglo-amerikanischen Finanzinteressen bedeutende stragetische Änderungen anbahnen: Beim Kampf zur Entmachtung der russischen"Oligarchen" sowie bei der Modernisierung von Rußlands Atomwaffen.
Als die russische Polizei am 2. Juli den Chef des Finanzkonglomerats Menatep, Lebedjew - die rechte Hand des mächtigen russischen"Oligarchen" Chodorkowskij -, sowie einen Sicherheitschef des Ã-lkonzerns Yukos verhaftete, sah man darin weithin nur"politisches Theater". Nur wenige dachten, Präsident Putin sei wirklich entschlossen, gegen die im ganzen Land verhaßten"Oligarchen" vorzugehen. Chodorkowskij ist der reichste Mann Rußlands und hat enge Beziehungen zur anglo-amerikanischen Politik und Finanzwelt. Doch inzwischen ist klar, daß das Vorgehen ernst ist: Dem Milliardär Lebedjew wurde die Freilassung auf Kaution verweigert, und er bleibt in Haft - trotz der Proteste von Ministerpräsident Kasjanow und Präsidentenberater Illarionow bis hin zum Moskauer US-Botschafter Wershbow und Chodorkowskijs Freund Lord Jacob Rothschild. Außerdem wird Lebedjew nicht in einem gewöhnlichen Gefängnis für Wirtschaftskriminelle festgehalten, sondern im ehemaligen KGB-Gefängnis Lefortowo, das jetzt dem FSB untersteht und wo normalerweise nur politische Schwerverbrecher wie Verräter oder Terroristen einsitzen. Dazu kommt, daß die Staatsanwaltschaft und Gerichte den Druck auf Chodorkowskij noch verstärkten. Am 11. Juli wurde der Hauptsitz von Yukos durchsucht. Die Yukos-Aktie stürzte um 20% ab.
Ein Chor von Wirtschaftsliberalen im In- und Ausland warnt nun, diese Verfolgung Lebedjews wegen der illegalen Übernahme von Staatsbesitz im Jahr 1994 könne eine grundlegende Veränderung der Haltung von Präsident Putin zu dem ganzen Komplex"krimineller Privatisierungen" Anfang der 90er Jahre signalisieren. Damals gelang es einer Handvoll"Oligarchen", die Kontrolle über die gewaltigen Mineral- und Industrieressourcen des Landes an sich zu reißen. Der Erste Stellv. Eigentumsminister Brawerman erklärte letzte Woche im Widerspruch zu Regierungschef Kasjanow, eine erneute juristische Prüfung"gewisser Privatisierungspraktiken" sei nicht auszuschließen. Am 28. Juli griff ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Kasjanow namentlich an, weil er versuche,"Druck auf die Gerichte auszuüben".
Zum strategischen Kontext ist zu berücksichtigen: Am 23. April wurde die Fusion der beiden russischen Ã-lriesen Yukos und Sibneft angekündigt, und dem war Anfang des Jahres die Fusion des Ã-lgiganten Tjumen mit dem britischen BP-Konzern vorangegangen. Zusammengenommen bedeuteten diese beiden größten Fusionen der russischen Geschichte, daß sich ein sehr großer Teil der russischen Ã-lreserven (u.a. praktisch die gesamten Vorkommen im strategisch wichtigen Ostsibirien) in den Händen zweier Großkonzerne konzentriert, die beide eng mit anglo-amerikanischen Finanzinteressen verbunden sind. Zahlreichen Quellen zufolge war Chodorkowskij in den Wochen vor Lebedjews Verhaftung hektisch zwischen Moskau, London und den USA hin- und hergeflogen, um über den Verkauf eines großen Aktienpakets von Yukos/Sibneft an"ausländische Investoren" zu verhandeln. Chodorkowskij war auch in der Zeit vor dem Irakkrieg der entscheidende Mann auf russischer Seite bei dem Versuch, das französisch-deutsch-russische Bündnis gegen die Kriegspolitik aufzubrechen und Rußland auf die Seite der Regierung Bush zu ziehen. Er ist in Rußland der Hauptbefürworter einer amerikanisch-russischen"Energieallianz", wobei Rußland den USA für den Fall längerer"Instabilität" im Nahen Osten die Ã-lversorgung garantieren soll.
Präsident Putin ist seit kurzem offenbar entschlossen, die russische Souveränität gegen die Bedrohung durch die Washingtoner synarchistische Kabale um Cheney und"Trojanische Pferde" wie die russischen Oligarchen zu verteidigen - eine Bedrohung, die durch die jüngste Eskalation in Tschetschenien unterstrichen wird. Das zeigt sich auch an der auffälligen Betonung Putins von der"strategischen Bedeutung" der russischen Atomwaffen. Am 31. Juli besuchte Putin das russische Bundesnuklearzentrum RFNC in Sarow. Vorher war RFNC als die geheime Stadt Arzamas-16 bekannt. In seiner Rede vor den Wissenschaftlern erklärte Putin, die Anlage sei noch immer"ohne Übertreibung von strategischer Bedeutung für Rußland".
Putin betonte, er halte an der Waffenentwicklung auch im Nuklearbereich fest, und er verheimlichte nicht, daß die RFNC-Experten an neuen nuklearen Waffensystemen arbeiten."Es wäre angemessen, heute einige Probleme anzusprechen, die für eine sichere und stabile Entwicklung unserer Nation wichtig sind. Die Qualität der nuklearen Waffen, welche die Grundlage der russischen Sicherheit waren und bleiben, sollte hinsichtlich der Universalität von Einsatz, Wirksamkeit und Sicherheit höchsten Maßstäben genügen." Derzeit konzentriere sich die Arbeit"auf die Vervollkommnung der nuklearen Waffensysteme, die sich noch im Entwurfstadium befinden oder schon entworfen sind"; aber Putin zeigte sich auch von den Berichten über neue, nichtnukleare Waffensysteme beeindruckt. Er sei entschlossen, die theoretischen und praktischen Forschungen der Wissenschaftler zu unterstützen, wolle aber auch die von Rußland eingegangenen internationalen Verpflichtungen erfüllen (dies war offenbar u.a. bezogen auf das Nukleartestverbot). Am selben Tag traf Putin den Moskauer Patriarchen Alexej II.
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