-->... heißt siegen lernen: Das EU-Beitrittsland zeigt, wie liberale Wirtschaftreformen wirken - Debatte
von Tasso Enzweiler
Reformen sind eigentlich ganz einfach."Wir haben das Buch von Milton Friedman ins Estnische übersetzt und danach die Reformen eingeleitet und durchgeführt", sagte der Ministerpräsident von Estland, Mart Laar, kürzlich. Der Wandel begann 1991; es war der Beginn eines eindrucksvollen Transformationsprozesses in einem Land, das im kommenden Jahr der Europäischen Union beitreten wird.
Das liberale Gedankengut Friedmans prägte alle Phasen des Umbaus in Estland. In kaum einem anderen Staat war die Deregulierung der Wirtschaft so radikal, war die Geld- und Fiskalpolitik so stringent, war die Privatisierung in so kurzer Zeit so erfolgreich. Seit acht Jahren verzeichnet Estland beeindruckende Wachstumsraten. 1997 etwa stieg das Bruttoinlandsprodukt um 10,4 Prozent; im vergangenen Jahr waren es immerhin noch 4,5 Prozent.
Ein Herzstück des estnischen Reformprozesses ist das neue Steuergesetz, das am 1. Januar 2000 in Kraft trat. Grundlage war ein simpler und dennoch innovativer Gedanke: Nur natürliche Personen können ein steuerpflichtiges Einkommen erzielen - juristische Personen, also vor allem Unternehmen, nicht. Die Unternehmensgewinne werden erst dann zu Einkommen, wenn sie wieder an natürliche Personen ausgeschüttet werden. Im Gegensatz zur traditionellen Körperschaftsteuer, die den Gewinn zum Zeitpunkt der Entstehung besteuert, werden im estnischen Steuerrecht Unternehmensgewinne, die von den Firmen erneut investiert werden, von der Besteuerung verschont. Die Investitionsneigung der Unternehmen soll so gestärkt, die Rahmenbedingungen für ein kontinuierliches Wachstum geschaffen werden.
Die ersten Erfahrungen mit dem neuen Steuerrecht sind außerordentlich positiv. Nach einer Befragung der Estnischen Industrie- und Handelskammer wurden bereits im Jahr 2000, dem ersten Jahr der Steuerreform, rund 82 Prozent der Investitionen aus Eigenmitteln finanziert. 1999 waren es 75 Prozent gewesen.
Sicher: Die Steuerfreistellung reinvestierter Gewinne ist auf ein Transformationsland, das vom sozialistischen zum marktwirtschaftlichen System gewechselt hat, weit gehend zugeschnitten. Denn das Tempo des wirtschaftlichen Aufholprozesses wird vor allem von den Investitionen bestimmt. Für reifere Volkswirtschaften wie die deutsche hat die steuerliche Förderung der Gewinnthesaurierung eine geringere Priorität - doch auch in Deutschland ist die Eigenkapitalbasis vor allem der kleinen und mittleren Unternehmen immer noch eindeutig zu niedrig.
Estland erhebt nur wenige Steuern; die Mehrwertsteuer mit einem Satz von 18 Prozent und die direkten Steuern auf den Faktor Arbeit erbringen allein rund 85 Prozent des Steueraufkommens. Auf alle Einkommen wird ein Steuersatz von nur 26 Prozent erhoben. Geringverdiener werden durch einen Freibetrag zusätzlich entlastet. Ermöglicht wurde der einheitliche Steuersatz von 26 Prozent durch eine radikale Vereinfachung des Steuerrechts."Allein die jährlichen Steueränderungen in Deutschland benötigen mehr Seiten Papier als das gesamte kommentierte Steuerrecht von Estland", stellte der Präsident der Taxpayers Association of Europe, Ralf von Hohenau, bei der Verleihung des Steuerzahlerpreises 2000 an den estnischen Ministerpräsidenten fest.
Die Esten erweisen sich nicht nur in Sachen Steuerreform als marktwirtschaftliche Musterschüler; auch auf der Ausgabenseite gehen sie mit gutem Beispiel voran. So wird für das kommende Jahr eine Staatsquote von 34 Prozent angestrebt; Deutschland kommt derzeit auf 49 Prozent. Subventionen werden in Estland lediglich an den Verkehrssektor vergeben und machen weniger als ein halbes Prozent des Bruttoinlandsproduktes aus. Die Ausgabendisziplin der estnischen Regierung hängt maßgeblich damit zusammen, dass der Gier der Politiker ein institutioneller Riegel vorgeschoben wurde: Die estnische Verfassung schreibt nämlich einen ausgeglichenen Haushalt ausdrücklich vor.
Natürlich lässt sich der Reformprozess in Estland nicht eins zu eins auf Deutschland übertragen. Der Ostseestaat hat lediglich anderthalb Millionen Einwohner und gerade einmal die Größe Niedersachsens. Dennoch ist der deutschen Politik ein Blick nach Estland anzuraten. Ein einfaches, transparentes Steuersystem mit niedrigen Steuersätzen, ein ausgeglichener Haushalt, niedrige Staatsausgaben, kaum Subventionen - das sind Reformkonzepte, die auch Deutschland massiv weiterhelfen würden. Die internationalen Investoren danken es jedenfalls, wenn eine Regierung durch ein marktwirtschaftliches Konzept die Rahmenbedingungen verbessert. In Estland stiegen die ausländischen Direktinvestitionen im Jahr 2001, ein Jahr nach der Steuerreform, um 42 Prozent auf rund 600 Millionen Euro.
Und noch etwas können die deutschen Politiker von ihren Kollegen im Baltikum lernen: Es zahlt sich aus, wenn man die Empfehlungen der Wirtschaftsexperten ernst nimmt. Zahlreiche wissenschaftliche Beratergremien, vom Sachverständigenrat bis zur OECD, raten der Bundesregierung seit Jahren, einen konsequenten marktwirtschaftlichen Reformkurs einzuschlagen.
Tasso Enzweiler ist Geschäftsführer der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft.
Hmm was haltet ihr davon alles nur Bogus oder der Weg der Zukunft?
<ul> ~ http://www.welt.de/data/2003/09/15/168617.html?s=1</ul>
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