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Der Stolperer
Manfred Stolpe hat es nicht leicht. Nichts will gelingen. Der Aufbau Ost stockt. Die Lkw-Maut wird immer wieder verschoben. Wie lange sieht sich Kanzler Schröder das noch an?
von Peter Dausend
Rund 14 Jahre nach dem Fall der Mauer steht Gerhard Schröder an den Ufern der Warnow und sieht, dass Helmut Kohls großes Einheitsversprechen wahr geworden ist. Hier, auf halber Strecke zwischen Rostock und dem Ostseebad Warnemünde, blüht die Landschaft. 100 Hektar, um genau zu sein - und das schon seit dem 25. April. Da öffnete die Internationale Gartenbauausstellung nämlich ihre Pforten. An diesem Dienstag macht nun der Kanzler zusammen mit Manfred Stolpe, dem Quoten-Ossi im Kabinett, seine Aufwartung. Gemeinsam bestaunen die beiden mehr als 20 Nationengärten, zahllose Blumen- und Pflanzenschauen, das Konzept der"grünen Weltausstellung am Meer". Wenn sie nach vorne schauen, erblicken sie allerdings höchst Unterschiedliches. Schröder die schwimmenden Gärten auf der Warnow - und Stolpe eine düstere Zukunft im Amt. Der 67-jährige Brandenburger ist neben Wolfgang Clement der zweite Superminister in Schröders Kabinett. Geht es nach Etatumfang und Kernkompetenzen, sogar der erste. Mit rund 26,5 Milliarden Euro liegt Stolpes Haushalt um 1,5 Milliarden über dem des Ministers für Wirtschaft und Arbeit. Verkehr, Bau- und Wohnungswesen sowie Aufbau Ost, Stolpes Zuständigkeitsbereiche, prägen die Infrastruktur - und damit die Attraktivität des Standortes Deutschland. Doch wohin man auch schaut - nichts will dem Minister so richtig gelingen."Manne" stolpert durch seine Ressorts.
Beim Bau hat sich Stolpe den Unmut künftiger Bauherren zugezogen, da er zum 1. Januar 2004 die Eigenheimzulage streichen will. Beim Verkehr droht ihm nach der Blamage mit dem Transrapid und bei der Lkw-Maut ein Desaster. Und wenn er heute den neuen Regierungsbericht zum Stand der deutschen Einheit vorlegt, wird es so sein wie beim letzten Mal. Schon im Januar war Stolpes Stimmung im Bundestag wesentlich besser als die Lage im Osten.
Trotz der Milliardentransfers fällt dieser weiter zurück. Nur Arbeitslosigkeit und Abwanderung erreichen immer neue Rekordhöhen. Statt sich allmählich zu schließen, geht die Schere zwischen Ost und West weiter auseinander. Und Stolpe, schon als Brandenburgs Ministerpräsident im Ruf eines Zauderers, sieht lieber betrübt zu - als entschieden zu handeln. Die jüngste Gelegenheit hierzu ließ er verstreichen, als Clement anregte, in Ostdeutschland eine Art Sonderwirtschaftszone zu schaffen. Den fünf Ländern und Berlin sollte eine Zeit lang gestattet werden, einzelne Gesetze und Vorschriften außer Kraft zu setzen. Mit dem Abbau von Bürokratie, der Vereinfachung von Genehmigungsverfahren, der Entrümpelung des Arbeitsrechts und den Ã-ffnungsklauseln in Flächentarifen sollte ein entscheidender Schub ausgelöst werden. Doch was Altkanzler Helmut Schmidt angeregt und Clement gepuscht hatte, versandete bei Stolpe. Der Minister ließ die Vorschläge"ernsthaft prüfen" - schnell umsetzen wäre besser gewesen.
Doch nun wird gleich von zwei Seiten der Druck erhöht, sich dem Thema Aufbau Ost entschieden anzunehmen. Zum einen drohen westdeutsche Ministerpräsidenten damit, den Solidarpakt II zu kündigen, sollte sich die Ost-Förderung weiterhin als Fass ohne Boden erweisen. Damit stehen 156 Milliarden Euro, die den neuen Bundesländern für den Zeitraum zwischen 2005 und 2019 zugesagt sind, zur Disposition. Und zum anderen bekommt der Kanzler nun die Quittung für die bisherige innerdeutsche Ostpolitik: Nach einer Umfrage der"Leipziger Volkszeitung" lehnen 60 Prozent der Ostdeutschen eine erneute Kanzlerkandidatur Schröders im Jahre 2006 ab - vor einem Jahr hatten die Ostdeutschen ihn noch zum Last-Minute-Triumphator über Edmund Stoiber gemacht. Ohne ihre Unterstützung wird es kein drittes Kabinett Schröder geben.
Um die Ostdeutschen zurückzugewinnen, muss der Abschwung Ost gestoppt werden. Fraglich nur, ob der Kanzler mit Stolpe den richtigen Mann dafür hat. Der langjährige Konsistorialpräsident der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg taugt eher zum Seelentröster als zum Aufbaumanager. Menschlich sympathisch, regional verwurzelt, bei Mitarbeitern und Wählern beliebt, verkörpert Stolpe den ostdeutschen Gegenentwurf des westdeutschen Gutmenschen Johannes Rau. Ein Mann eher fürs Gemüt als fürs Geschäft - in Zeiten wirtschaftlicher Flaute nicht unbedingt die Idealbesetzung. Und so kennzeichnet sein Ministerpräsidenten-Dasein auch eine Reihe spektakulärer wirtschaftlicher Flops. Von der Insolvenz des Cargo-Lifters über die Pleite beim Lausitzring bis zum Vielleicht-irgendwann-einmal Bau der Chipfabrik in Frankfurt/Oder.
Mangelnde Managementfähigkeiten ist auch der Kardinalvorwurf, den sich Stolpe bei jenem Projekt anhören muss, das ihm den Ministerkopf kosten könnte: die Lkw-Maut. Der Bundestagsabgeordnete Peter Danckert, Sprecher der Landesgruppe Ost in der SPD-Fraktion, wirft seinem Ministerium vor, die Verträge mit dem Betreiberkonsortium Toll-Collect"schlecht verhandelt" zu haben. Danckert glaubt nicht, dass die Maut noch in diesem Jahr kommt.
Clement, Schröders anderer Supermann, gibt dagegen noch Rückendeckung:"Ich habe keine Schuld bei Stolpe entdecken können." Eine gewagte These. Denn längst beschwert sich Toll-Collect, unter Stolpe würden ständig die Rahmenbedingungen für das Mautsystem geändert.
Die von Stolpe kurzerhand gewünschte Aufstockung der On-Board-Units von 150 000 auf 400 000 kostet 120 Millionen Euro mehr als eingeplant. Geradestehen hierfür muss der Auftraggeber: der Bundesverkehrsminister. Auch die Einnahmeausfälle des Konsortiums durch die Verzögerung des Starttermins auf Januar sollen von Stolpes Ministerium ausgeglichen werden. Vorsichtige Schätzungen gehen von knapp 200 Millionen Euro aus, die Toll-Collect allein in diesem Jahr entgehen.
Aus der Opposition werden bereits Forderungen nach Rücktritt laut. So sieht der verkehrspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Horst Friedrich, einen"vollkommen überforderten Minister", der"Chaos verursache". Sollte Stolpe tatsächlich auf der Strecke bleiben, wird ihn das weniger schmerzen als andere. Wie sagt er doch so gern:"Ich habe mich um diesen Job nicht beworben."
<ul> ~ http://www.welt.de</ul>
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