-->Atomrazzia in Israel?
Arabische Liga: IAEA soll Nuklearprogramm nicht nur im Irak oder in Iran prüfen
Rüdiger Göbel
http://www.jungewelt.de/2003/09-15/001.php
Die 47. Generalkonferenz der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), die am heutigen Montag in Wien eröffnet wird, verspricht, spannend zu werden. Auf der Agenda der viertägigen Versammlung steht nämlich nicht nur wieder das hypothetische Atomwaffenprogramm Irans, sondern erstmals auch die sehr reale Nuklearwaffenkapazität Israels und die von ihr ausgehende Gefahr für den Nahen und Mittleren Osten. Der Punkt wurde auf Antrag der Arabischen Liga in die Tagesordnung aufgenommen. Das IAEA-Spitzentreffen wird dazu Experten der Arabischen Liga hören, die eine Studie über das israelische Atomwaffenprogramm vorstellen wollen. Daß Israel im Besitz von Atomwaffen ist, gilt als unstrittig. Das Land hatte seinen Nachbarländern mehrfach mit deren Einsatz gedroht.
Israel sei das einzige Land im Nahen Osten, das sich seines militärischen nuklearen Potentials rühme, heißt es in dem von der Arabischen Liga eingebrachten IAEA-Papier GC(47)/6. Israel sei zudem der einzige Staat in der Region, der sich weigere, den Vertrag über die Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen aus dem Jahr 1968 zu unterzeichnen. Auch lehne es Israel ab, seine Atomanlagen unter IAEA-Aufsicht zu stellen. Dies behindere eine Lösung des Nahost-Konflikts und bedrohe die Sicherheit der Nachbarländer. Ziel der arabischen Länder sei, den Nahen Osten zu einer Zone frei von Massenvernichtungswaffen, vor allem atomarer Waffen, zu machen.
Nach Angaben der Arabischen Liga hat Israel sein Arsenal an nuklearen Sprengköpfen auf 300 erhöht. Darüber hinaus soll das Land mittlerweile die Kapazität haben, Wasserstoffbomben herzustellen. Israel hat daneben mit den Mittelstreckenraketen Jericho-1 (Reichweite 650 Kilometer) und Jericho-2 (Reichweite 1500 Kilometer) sowie der Interkontinentalrakete Shavit (Reichweite nach Schätzung des US-Verteidigungsministeriums 7800 Kilometer) zudem die notwendigen Trägersysteme.
Damit drohe in der Region ein atomarer Rüstungswettlauf, heißt es in dem Papier weiter, vor allem, wenn Israels nukleare Anlagen weiterhin außerhalb jeder internationalen Kontrolle blieben. Alle Mitgliedsstaaten der Behörde seien zur Kooperation eingeladen, um eine solche Entwicklung zu verhindern, die daraus resultiere, daß Israel nukleare Kapazitäten besitzt, die nicht deklariert und nicht Gegenstand internationaler Kontrollen sind und die eine permanente Bedrohung für den Frieden und die Sicherheit in der Region darstellten. »Die Generalkonferenz der Internationalen Atomenergiebehörde muß entsprechende Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, daß Israel alle seine nuklearen Anlagen unter die Aufsicht der IAEA stellt und dem Vertrag über die Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen zustimmt«, heißt es in dem Antrag der Arabischen Liga.
Allein die Tatsache, daß das IAEA-Sekretariat den Punkt auf der Generalkonferenz nun prüfen lassen will, wird von Beobachtern als Sensation gewertet. In der Konsequenz müßte eine ganze Reihe von Überprüfungsprozeduren gestartet werden.
Die arabischen Ländern fordern damit nicht mehr und nicht weniger, als daß die großen Atommächte und die IAEA nicht weiter mit doppeltem Standard arbeiten. Im Gegensatz zu Israel, das ohne Zweifel über Atomwaffen verfügt und dem Irak beim Golfkrieg 1991 auch deren Einsatz angedroht hatte, drängt die IAEA etwa Iran, der bestreitet, ein nukleares Waffenprogramm zu entwickeln, zur totalen Kooperation. Am vergangenen Freitag hatte der Gouverneursrat der UN-Organisation in Wien der Führung in Teheran eine Frist bis Ende Oktober zur vollständigen Offenlegung ihres Atomprogramms gesetzt. Das Ultimatum kam auf Druck der USA zustande und wurde ohne förmliche Abstimmung verabschiedet. Washington will den Punkt im UN-Sicherheitsrat verhandeln.
Aus Protest gegen die Entscheidung verließ der iranische IAEA-Botschafter Ali Akbar Salehi das Treffen. Anschließend kündigte er an, sein Land werde die Zusammenarbeit mit der Atomenergiebehörde überdenken. »Wir weisen dieses Ultimatum zurück«, erklärte Salehi. Iran halte sich strikt an die Auflagen des Atomwaffensperrvertrages und trete für einen Nahen und Mittleren Osten als atomwaffenfreie Zone ein. Den USA warf Salehi vor, nach der Irak-Invasion in weitere Länder einfallen zu wollen, um die gesamte Region neu zu ordnen. Nach Irak wollten die USA in ein »weiteres Territorium einmarschieren«, erklärte der Diplomat. Gleichzeitig werde Israel die Herstellung von Atombomben verziehen. Irans Nuklearprogramm diene einzig der Stromgewinnung.
Die USA und andere Staaten- unter ihnen Rußland, Japan und die EU-Mitglieder - verdächtigen Teheran, unter dem Deckmantel der zivilen Nuklearnutzung an dem Bau einer Atomwaffe zu arbeiten. Sie fordern von Iran die uneingeschränkte Zulassung von Kontrollen seiner Nuklearanlagen sowie die Unterzeichnung eines Zusatzprotokolls zum Atomwaffensperrvertrag. Dieser erlaubt es keinem Staat, außer den fünf offiziellen Atommächten USA, Großbritannien, Frankreich, Rußland und China, Atombomben zu besitzen - eigentlich auch Israel nicht.
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Israel am atomaren Pranger
http://www.dw-world.de/german/0,3367,1491_A_971611
Die Generalversammlung der Internationalen Atomenergiebehörde berät über die Atomprogramme des Iran und Nordkoreas. Zum ersten Mal steht aber auch Israel als potenzielle Atommacht auf der Tagesordnung.
Auf der Generalversammlung der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA in Wien (15. bis 19. September 2003) soll zum ersten Mal über die mutmaßliche Atommacht Israel diskutiert werden. Aus Diplomatenkreisen heißt es, dass Mitgliedsstaaten der Arabischen Liga dies beantragt haben. Weitere Themen der Konferenz werden die Atomprogramme des Iran und Nordkoreas sein. Der Iran war bereits während der Gouverneurstagung der IAEA Anfang September 2003 in den Mittelpunkt gerückt. Das Gremium hatte dem Land zuletzt ein Ultimatum zur Zusammenarbeit und zur Offenlegung seiner Nuklearwaffen gestellt.
Viele Dutzend Atomwaffen
Dass Israel und dessen nukleare Macht nun erstmals Thema sind, scheint überraschend. Denn spätestens seit 1986 ist bekannt, dass der Nahost-Staat in der Lage ist, Atomwaffen zu produzieren. Damals erzählte der israelische Atomtechniker Mordechai Vanunu der britischen Presse Details über Israels Atomwaffenprogramm. Seitdem gab es immer wieder Berichte von westlichen Geheimdiensten, die dies bestätigten. Zwischen 200 und 300 Atomwaffen verschiedener Größe und Reichweite sollen es nach Angaben der Arabischen Liga mittlerweile sein. Andere Quellen sprechen von vielen Dutzend dieser Waffen.
Doch im Unterschied zu Nordkorea und dem Iran hat Israel niemals den Atomwaffensperrvertrag von 1970 oder dessen Nachfolgevertrag von 1995 unterschrieben. Beide Papiere regeln unter anderem die Abrüstung von atomaren Waffensystemen und das Verbot ihrer Anschaffung. Die IAEA als Atomaufsichtsbehörde der Vereinten Nationen (UN) hat darum keine Möglichkeit, Israel zu kontrollieren oder - wie zuletzt den Iran - unter Druck zu setzen. Zudem haben vor allem die USA aus innerpolitischen Gründen Jahre lang darauf verzichtet, Israel wegen seines möglichen Atomwaffenprogramms zu kritisieren."Ich glaube aber, dass es auch am Generaldirektor der IAEA, Mohammed el Baradei, liegt, dass Israel nun auf der Tagesordnung steht", sagt Xanthe Hall, Abrüstungsexpertin der Friedensorganisation Ärzte gegen den Atomkrieg (IPPNW). El Baradei hatte in Interviews kritisiert, dass in der Frage von Atomwaffenprogrammen mit zweierlei Maß gemessen werde.
Festere Allianz zwischen Israel und Indien
Israel als potenzielle Atommacht wird man in Zukunft politisch wohl immer mehr im Blick behalten müssen. Dies zeigt auch der Besuch des israelischen Ministerpräsidenten Ariel Scharon in Indien Anfang September 2003. Es wird vermutet, dass die beiden Länder in Fragen der Atomenenergie und der Herstellung von Atomwaffen zusammenarbeiten und dies noch intensivieren wollen. Dann könnten sie in nächster Zeit den ganzen Nahen Osten mit Atomraketen erreichen, fürchten Experten. Gegen Indien, das seine atomaren Waffen - wie das verfeindete Nachbarland Pakistan - entgegen dem Atomwaffensperrvertrag angeschafft hat, gibt es bereits Sanktionen durch die Vereinten Nationen. Gegen Israel ist dies nicht möglich. Stattdessen soll nun versucht werden, das Land durch diplomatische Verhandlungen in das Kontrollsystem der IAEA und der Vertragsparteien des Sperrvertrages zu holen.
Von der Generalversammlung der UN-Atombehörde IAEA sind darum keine schnellen Beschlüsse in Bezug auf Israel zu erwarten. Voraussichtlich im November 2003 will die IAEA auf ihrer nächsten Konferenz darüber entscheiden, ob sie sich wegen eines Eingreifens im Iran an den UN-Sicherheitsrat wendet. Dass dann auch schon über Aufrufe oder gar Resolutionen zu Israel gesprochen wird, halten Experten für unwahrscheinlich.
Geht die Debatte weiter?
"Nachdem nun zum ersten Mal über Israel als Atommacht gesprochen wird, ginge das zu schnell", sagt auch Hall von IPPNW. Ende April und Anfang Mai 2004 treffen sich jedoch die Vertragsparteien des Atomwaffensperrvertrages zu ihrer jährlichen Konferenz in New York. Es ist gut möglich, dass dann die Debatte über Israel als mutmaßlicher Atommacht weitergeht. Hall meint:"Wenn die Diskussion erst einmal angestoßen worden ist, kann sie eigentlich nicht mehr zurückgenommen werden." Die Generalversammlung der IAEA in Wien scheint der erste Schritt zu sein.
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