Svenni
20.09.2003, 14:35 |
Meine Tochter und Arafat....... Thread gesperrt |
-->Hallo!
Meine Tochter ist zwar gerade erst in die 9.Gym-Klasse gekommen, ihr Berufsziel ist aber schon erstaunlich klar definiert: Sie will Rechtsanwältin werden ;)
Nun hat sie ihren ersten Konflikt. Da liest sie von der Morddrohung an Arafat und fragt mich, warum WIR oder unsere Regierung nicht empört aufschreit und dies lautstark verurteilt? Was wäre denn, wenn sie (meine Tochter) eine Morddrohung gegen ihre"Erzfeindin" (ehemalige beste Freundin) öffentlich lauthals in der Schule oder anderswo verkünden würde? Käme sie dann nicht in de Knast?
Und wozu gibt es dann die UNO? Selbst wenn fast alle Staaten dieser Welt diese Äußerungen Israels verurteilen und die Rücknahme verlangen, warum schert sich Israel nicht darum und ignoriert dies hochnäßig. Und warum sind die Amerikaner dafür???
Ich habe versucht, ihr die politischen Zusammenhänge und Abhängigkeiten ein wenig zu erläutern........jedoch kann oder besser will sie das nicht verstehen oder gelten lassen. Ich höre von ihr nur: Was ist das für eine Welt? Wir MÜSSEN da etwas tun!!!!
(Ziemlich aufgelöst das Mädel........und die ersten Illusionen von einer guten Welt gehen wohl auch gerade flöten)
GruĂź
Svenni
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Trixx
20.09.2003, 15:06
@ Svenni
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Re: Meine Tochter und Arafat....... |
-->Vielleicht hilft dieser Artikel:
DIE ZEIT
39/2003
NAHOST
Keine Kugel fĂĽr Arafat
Doch als Partner kommt der Alt-Terrorist im Nahen Osten nicht mehr in Frage
Von Michael Naumann
Politisch ist Jassir Arafat ein toter Mann. Ihn zu ermorden, wie Scharons Vizepremier am Sonntag erwog, wäre ein Racheakt, der dem palästinensischen Märtyrer-Pantheon nur einen neuen Namen zufügen würde. Aus dem Jenseits wäre die mythische Wirkung des Erfinders des Al-Fatah-Terrorismus spürbarer als im Diesseits seiner korrupten Klientelpflege.
Nach 700 israelischen zivilen Intifada-Opfern, nach einem Friedensprozess, der vor genau zehn Jahren in Oslo beginnen sollte, nach zahllosen Enttäuschungen, die offenkundig machten, dass Arafat sein wahres Ziel, die Beseitigung Israels, niemals aufgegeben hat, nach alledem fällt er als Gesprächspartner für immer aus.
Solange das Kräftemessen zwischen der Sowjetunion und den Vereinigten Staaten nicht entschieden war, durfte Arafat daran glauben, dass sich seine keineswegs heimliche Hoffnung, Israel „ins Meer zu jagen“, erfüllen könnte. Seit einem Jahrzehnt interessiert ihn nur noch sein Machterhalt.
Ob ein frühzeitiger Tod Arafats den tragischen Streit um die politische Zukunft der 3,2 Millionen Palästinenser außerhalb Israels beendet hätte? Wahrscheinlich schon - wenngleich nur unter einer Vorbedingung: Israels Abzug der Siedler aus dem Westjordanland und Gaza. Doch genau darum ging es dem PLO-Chef nicht wirklich, sondern um den Abzug aller 5,4 Millionen Juden aus ihrem Staat. Würde seine Mindest-Forderung eines „Rückwanderungsrechts“ aller Palästinenser nach Israel erfüllt, würden sie das Land in spätestens 20 Jahren majorisieren. Mit diesem Ziel vor Augen torpedierte er den Kompromiss von Camp David.
Arafat war und bleibt ein Anhänger jener Idee „progressiver Gewalt“, die noch vor zwei Jahrzehnten auch Europas Linke faszinierte. Damals traf sie sich mit dem hobbesianischen Konservatismus der Rechten: Begleitete denn nicht Gewalt die Geburtsstunden aller Staaten? Dass es die Gewalterfahrung des Holocaust war, die an der Wiege des Staates Israel stand, geriet ausgerechnet in Deutschland aus dem Blick.
Im Völkerrecht ist der Staat kein moralisches Subjekt, sondern souveräner Vertragspartner. Jenes Recht sieht zwischenstaatliche Mordaktionen oder Attentate gegen Tyrannen im Nachbarland nicht vor. Darin folgt es nicht nur moralischen Überzeugungen, sondern vor allem der aufgeklärten Ansicht, dass nicht „große Männer“, sondern historische oder ökonomische Machtkonstellationen „Geschichte machen“. Doch die Erfahrung lehrt anderes. Politiker vom Schlage Hitlers oder Stalins wollten sehr wohl Geschichte machen. Es war ihr stärkster Antrieb. Ihre Angst vor Attentaten schwoll mit ihrer Machtfülle zur Paranoia an. Und die Angst war das ferne Echo ihres Wissens um die eigene kriminelle Terrorherrschaft.
Diese Männer festigten ihre Positionen durch totalstaatlich angeordnete Morde im Inland und Feldzüge im Ausland. Hätten sie nie gelebt (oder wären sie rechtzeitig getötet worden) - der Welt wären Millionen Menschenopfer erspart geblieben. Gewiss, Arafat ist kein Hitler, doch seine politische Macht gründete auf der Befreiungsideologie der PLO und ihrer mordbereiten al-Fatah. Närrisch wäre die Annahme, er hätte seinen mafiosen Einfluss innerhalb seiner Bewegung mit Charme allein gesichert. Sein Pistolenhalfter war sein Parteiabzeichen.
Vor aller Welt inszenierte Arafat einen der ersten revolutionsrhetorisch verbrämten clashes of civilizations, indem er antiwestliche islamische Vorbehalte mit den Restbeständen des Antikolonialismus verknüpfte. Er war ein Held der Dritten Welt, der vor Menschenopfern nie zurückschreckte.
Ghaddafis falsche Reue
Die moralische Empörung ob der alsbald abgeschwächten Drohungen aus dem Kabinett Scharons machte sich in einem Resolutionsentwurf der Vereinten Nationen Luft. Einige Herrscher der dort vertretenen Staaten sind durch mörderische Putsche an die Spitze ihrer Regierungen geraten. Andere, unter ihnen größere Potentaten, halten sich durch genozidale Aktionen im eigenen Hinterland an der Macht. Ihr Anspruch, Sitte und Anstand in der Politik zu verteidigen, ist so glaubwürdig wie Ghaddafis Reue über Libyens Massenmorde an Flugzeugpassagieren.
Gleichwohl - die Tötung politischer Gegner darf nicht zum Instrumentarium zivilisierter Staaten zählen. Doch wer kann wissen, ob nicht ein anderer Führer der Palästinenser vor zehn Jahren einer neuen Friedensordnung glaubhafter als Arafat zugestimmt hätte? Realpolitisch gesagt: Die Drohung kam jenseits ihrer moralischen Fragwürdigkeit auch noch zu spät.
<ul> ~ http://www.zeit.de</ul>
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Baldur der Ketzer
20.09.2003, 15:36
@ Svenni
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Meine Tochter und Arafat.......oh, es gibt noch Hoffnung betr. junge Generation (owT) |
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prinz_eisenherz
20.09.2003, 16:38
@ Trixx
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Wer Terorist ist bestimme ich, Kindergartenlogik des Michael Naumann |
-->Und so etwas nennt sich nun seriöse Wochenzeitung.
Michael Naumann, Mitherausgeber der Zeit, definiert roztfrech, mal so wie nebenbei und selbstverständlich, Arafat als Alt - Terrorist.
Denkt der wirklich das seine Leser so blöd sind?
Wenn einer Terrorist und Kriegsverbrecher ist, dann ist es Sharon und kein anderer.
Wenn ich so etwas lese würde ich am liebsten zum WC gehen, den Deckel öffnen und ganz laut Gooorsch hineinrufen.
Das Schlimmste ist aber, das diese Typen auf eine gefährliche Art und Weise mit Krieg und Frieden herumspielen.
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stocksorcerer
20.09.2003, 18:51
@ Svenni
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Re: Meine Tochter und Arafat....... |
-->Hallo Svenni,
das Dilemma kann ich nur allzugut verstehen. Es ist halt sehr schwer zu vermitteln, dass Gerechtigkeit und Recht zwei völlig verschiedene paar Schuhe sind. Und es ist Idealisten (und Kinder und Heranwachsende sind halt in der Regel so) schwer zu vermitteln, dass die Welt so (leider) nicht funktioniert.
Dass man quasi doch in der Steinzeit anfangen muß und erklärt, dass die Welt eigentlich immer noch mit Keule funktioniert. Dass die Stärksten und die Schlausten profitieren und die anderen in die Röhre schauen. Wie es schon immer gewesen ist. Und dass die Welt von heute - die sogenannte Zivilisation - nichts bereit hält, was beschützenswert wäre. Dass die Landwirtschaft zunehmend in Abhängigkeiten (Stichwort Monsanto), gedrängt wird und dass"Besitz" nicht von Dauer ist.
Dass Regierungen offiziell im Namen des Volkes Abgaben kassieren und Schulden machen und das"Gemeingut" in ganz wundersamen Kanälen versickert.
Die Welt wird ausgebeutet und das schlimmer als jemals zuvor. Das beinhaltet auch die Menschen selbst.
Die UNO gibt es, weil die USA sie"erfunden" hat. Und es gibt sie, damit Amerika die eigene Hegemonialpolitik kaschiert auf breitere Schultern setzen kann. Sie ist ein Stück weit zusätzliche Legitimation für US-Verbrechen weltweit gewesen und hat sich das erste Mal ein ganz kleines Stückchen aus der Fahrrinne gelöst. Aber die Leine wird - seit Powell einmal nicht richtig aufgepaßt hat - in Zukunft schon wieder kürzer gegriffen werden. [img][/img]
Gratmesser ist der Fortbestand der NATO. Solange dieser status quo nicht in Frage gestellt wird, wird sich am Anspruch des"American Empire" nichts ändern.
Und ich denke, erkläre das ruhig Deiner Tochter. Und ermutige sie ruhig, die Welt verbessern zu wollen. Aber mache ihr auch klar, dass sie sich von diesem System nicht ausnutzen lassen soll.
Von der Einstellung her lege ich gerne einen Schiller zur Seite und lese stattdessen lieber"Danton´s Tod". Aber ich verbuddele mich dennoch nicht fatalistisch in den modrigen Grund.
Die Kunst ist meines Erachtens wirklich, sich eine kleine Ecke dieser Erde freizuschaufeln von Betrug und Bevormundung und Ausnutzung und staatlicher Kontrolle und diesen Flecken zu hegen, zu pflegen und zu schützen, wie den größten Schatz der Welt. Weil er genau das ist.
winkääää
stocksorcerer
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LenzHannover
21.09.2003, 18:27
@ Svenni
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Re: Ist doch schön, wenn Sie sowas vorher lernt (owT) |
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