Bernd Niquet
02.11.2000, 09:10 |
Hatte Kostolany tatsächlich von Wirtschaft keine Ahnung, dottore??? Thread gesperrt |
Lieber dottore,
ich glaube, es ist eine bewusste Missinterpretation, Kostolany in die Schuhe zu schieben, dass er den Goldstandard als Ursache der Krise von 1929 bis 1935 betrachtet hat. Doch an der Auffassung, dass der Goldstandard einen maßgeblichen Anteil daran hatte, dass aus einer lokalen Krise eine Welt(!!!)-Wirtschaftskrise wurde, wirst doch auch du nicht zweifeln wollen. Und nichts anderes hat Kostolany behauptet.
Dazu nur ein paar Fakts von meiner Seite:
1. Natürlich war es illegitim, dass Frankreich und die USA die Goldzuflüsse nicht auf die Geldmenge haben durchschlagen lassen, wie es der Goldstandard verlangt hätte. Doch kann man von Demokratien verlangen, die eigene Wirtschaft im Dienste der Allgemeinheit zu ruinieren? Hier sieht man bereits das Unzeitgemäße des Goldstandards.
2. Man darf jedoch nicht verkennen, dass das Zentrum der Weltwirtschaft damals noch Großbritannien war, dass jedoch - aus den von dir beschriebenen Gründen - seine Verantwortung nicht mehr wahrnehmen konnte. (GB hatte 1929 nur noch 7 Prozent der Weltreserven.)
3. Und nun zur Weltwirtschaft: Friedman und Schwarz beschreiben sehr ausführlich, wie du auch weißt, wie „die starren Ketten des Goldstandards“ die Deflation weltweit ausgebreitet haben.
4. Dazu noch eine paar Zahlen aus Derek Aldcroft, „Die zwanziger Jahre“: Goldreserven Südamerika 1928 bis 1930 minus 40 Prozent, Asien minus 20 Prozent, Ozeanien alleine 1929 bis 1930 minus 60 Prozent und Argentinien, Brasilien und Australien verloren fast das ganze Gold.
5. Wenn wir heute über Geldmengenabschwächungen reden, dann sprechen wir über die Reduktionen der Zuwachsraten (!!!) und nicht um absolute Abnahmen. Doch jeder überlege sich selbst, was es für den Geldumlauf bedeutet, wenn eine Golddeckung vorgeschrieben ist und derartige Abflüsse zu verzeichnen sind. Denn dann heißt es: Gute Nacht allerseits!!!
6. Quintessenz: Natürlich hat die Krise vielfältige Ursachen. Das wird niemand bestreiten, wobei natürlich die Rolle der Börse, die du nicht genannt hast, auch wichtig erscheint. Doch ebenso sicher ist die Rolle des Goldes ebenfalls nicht zu verkennen.
Doch heute ist das ja glücklicherweise überwunden!
Mit den besten Grüßen
BN
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Jochen
02.11.2000, 09:32
@ Bernd Niquet
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Re: Ursachen von Krisen |
Hallo Bernd Niquet,
>ich glaube, es ist eine bewusste Missinterpretation, Kostolany in die Schuhe zu schieben, dass er den Goldstandard als Ursache der Krise von 1929 bis 1935 betrachtet hat.
Die Frage muß anders lauten: Wie kam es trotz Goldstandard zur Krise?
>Doch an der Auffassung, dass der Goldstandard einen maßgeblichen Anteil daran hatte, dass aus einer lokalen Krise eine Welt(!!!)-Wirtschaftskrise wurde, wirst doch auch du nicht zweifeln wollen. Und nichts anderes hat Kostolany behauptet.
Der Goldstandart hatte also einen maßgeblichen Anteil? Wieviel in Prozent?
>Dazu nur ein paar Fakts von meiner Seite:
>1. Natürlich war es illegitim, dass Frankreich und die USA die Goldzuflüsse nicht auf die Geldmenge haben durchschlagen lassen, wie es der Goldstandard verlangt hätte. Doch kann man von Demokratien verlangen, die eigene Wirtschaft im Dienste der Allgemeinheit zu ruinieren? Hier sieht man bereits das Unzeitgemäße des Goldstandards.
Auch hier muß die Frage anders lauten: Warum haben Demokratien ein so exzessives Finanzgebaren? Demokratien ruinieren ihre Wirtschaft mit und ohne Goldstandard. Das ist nicht schön, aber Fakt.
BTW: Können wir den Begriff"Geldmenge" endgültig fallen lassen?
>6. Quintessenz: Natürlich hat die Krise vielfältige Ursachen. Das wird niemand bestreiten, wobei natürlich die Rolle der Börse, die du nicht genannt hast, auch wichtig erscheint. Doch ebenso sicher ist die Rolle des Goldes ebenfalls nicht zu verkennen.
Was sind die"vielfältigen Ursachen"? Das erinnert mich an unsere Politiker. Bei denen sind auch immer die"Anderen" schuld, aber nie sie selbst mit ihrer Unfähigkeit, die Ausgaben im Griff zu behalten.
>Doch heute ist das ja glücklicherweise überwunden!
:-)
Gruß
Jochen
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dottore
02.11.2000, 09:32
@ Bernd Niquet
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Re: Hatte Kostolany tatsächlich von Wirtschaft keine Ahnung, dottore??? Ja! |
Lieber Bernd,
ich hatte mindestens 50 Gespräche mit Kosto und bin ca. 30 Mal zusammen mit ihm in Vorträgen aufgetreten. Da kenntn man seinen Pappenheimer.
>ich glaube, es ist eine bewusste Missinterpretation, Kostolany in die Schuhe zu schieben, dass er den Goldstandard als Ursache der Krise von 1929 bis 1935 betrachtet hat.
Dies tat er, wie in allen seinen Büchern nachzulesen. Er hasste Gold.
>Doch an der Auffassung, dass der Goldstandard einen maßgeblichen Anteil daran hatte, dass aus einer lokalen Krise eine Welt(!!!)-Wirtschaftskrise wurde, wirst doch auch du nicht zweifeln wollen. Und nichts anderes hat Kostolany behauptet.
Es war keine"lokale" Krise. Sie brach 1926 in GB aus, dann 1929 in den USA und 1930 in D.
Was heist denn"maßgeblichen Anteil. Das ist wie mit dem Rauchen, das einen maßgeblichen Anteil an Gefäßkrankheiten hat. Ich rauche auch und habe die Gefäßte - wie nach zwei Herzkathtetern belegt - eines 20jährigen.
>Dazu nur ein paar Fakts von meiner Seite:
>1. Natürlich war es illegitim, dass Frankreich und die USA die Goldzuflüsse nicht auf die Geldmenge haben durchschlagen lassen, wie es der Goldstandard verlangt hätte.
Das genau war der Kern. Aber illegitim ist letztlich nur, wen nicht gerichtlich einklagbar ist.
>Doch kann man von Demokratien verlangen, die eigene Wirtschaft im Dienste der Allgemeinheit zu ruinieren? Hier sieht man bereits das Unzeitgemäße des Goldstandards.
Das Unzeitgemäße war zunächst einmal der Krieg. Der war nun wahrlich unzeitgemäß. Wären alle kriegsführenden Nationen auf den GS geblieben, hätten sie die Aueinandersetzungen schon nach zwei Wochen beenden müssen, da kein Geld mehr zur Finanzierung aufzutreiben gewesen wäre."Illegitim" war der Abgang von Goldstandard durch die kriegsführenden Mächte in den ersten Augustwochen.
Wenn sich die Teilnehmer am GS nicht an die Regeln halten (= Ausweitung der Geldemission entsprechend den Goldzuflüssen) mag das mit nationaler Selbstsucht zu tun haben, aber sicher nichts mit dem GS. Der funktioniert und operiert völlig unabhängig, ob Monarchie oder Demokratie.
>2. Man darf jedoch nicht verkennen, dass das Zentrum der Weltwirtschaft damals noch Großbritannien war, dass jedoch - aus den von dir beschriebenen Gründen - seine Verantwortung nicht mehr wahrnehmen konnte. (GB hatte 1929 nur noch 7 Prozent der Weltreserven.)
Was heißt denn schon wieder"Verantowortung". Im GS ist niemand für jemanden verantowrtlich. Er läuft ganz für sich allein, wie die Bahnhofsuhr, die auch überall automatisch weiter lief.
>3. Und nun zur Weltwirtschaft: Friedman und Schwarz beschreiben sehr ausführlich, wie du auch weißt, wie „die starren Ketten des Goldstandards“ die Deflation weltweit ausgebreitet haben.
Milton Friedman und Anna J. Schwartz konnten sich mit den USA in diesem Punkt gar nicht richtig beschäftigt haben. Denn die USA hätten jederzeit die Geldemissionen entsprechend der unheuren Goldbestände ausweiten können. Warum haben sie es nicht getan (Antwort: Weil die Fed die Hausse abwürgen wollte, siehe deren Protokolle, die ich eingesehen habe. Quote: Aber das (der Diskontsatz Anfang Sep auf 6 %) würde doch WS abwürgen?"Ich would be glad of it."
>4. Dazu noch eine paar Zahlen aus Derek Aldcroft, „Die zwanziger Jahre“: Goldreserven Südamerika 1928 bis 1930 minus 40 Prozent, Asien minus 20 Prozent, Ozeanien alleine 1929 bis 1930 minus 60 Prozent und Argentinien, Brasilien und Australien verloren fast das ganze Gold.
Klar, weil es in die USA abfloss, weil die ihr Preisniveau künstlich niedrig gehalten hatten. Klassischer Imperialismus, hat aber mit dem GS absolut nicht zu tun. Die Kausalkette läuft umgekehrt.
>5. Wenn wir heute über Geldmengenabschwächungen reden, dann sprechen wir über die Reduktionen der Zuwachsraten (!!!) und nicht um absolute Abnahmen. Doch jeder überlege sich selbst, was es für den Geldumlauf bedeutet, wenn eine Golddeckung vorgeschrieben ist und derartige Abflüsse zu verzeichnen sind. Denn dann heißt es: Gute Nacht allerseits!!!
Abflüss von einem Land sind Zuflüsse in ein anderes. Das erste Land geht mit den Preisen runter (Goldautomatismus), das andere rauf - und schon gleicht sich wieder alles aus.
>6. Quintessenz: Natürlich hat die Krise vielfältige Ursachen. Das wird niemand bestreiten, wobei natürlich die Rolle der Börse, die du nicht genannt hast, auch wichtig erscheint. Doch ebenso sicher ist die Rolle des Goldes ebenfalls nicht zu verkennen.
Die Börse erlebte 1923 ff. die selbe klassische disinflationäre Hausse, die wir jetzt wieder erlebt haben. Auch die Börse kann nichts dafür, wenn der Staat erst Inflation macht (Kriegsfinanzierung) und dann Disinflation sich einstellt und ergo die Zinsen massiv sinken und ergo die Aktien massiv haussieren.
>Doch heute ist das ja glücklicherweise überwunden!
Schaumermal.
>Mit den besten Grüßen
>BN
Besten Gruß
d.
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BF
02.11.2000, 10:00
@ Jochen
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Eigentlich will ich mich aus dieser intressanten Diskussion ja raushalten |
aber wenn ich sowas lese,"Demokratien ruinieren ihre Wirtschaft mit und ohne Goldstandard. Das ist nicht schön, aber Fakt.", frage ich mich, was eigentlich in der BRD zB in den letzten 55 Jahren passiert ist. Zum Vergleich doch bitte mal die totalitären oder extotalitären Staaten Südamerika, Afrikas und der Sowjetunion plus Satelliten ansehen. Unser System mag ja, warum auch immer, zum Scheitern verurteilt sein undoder direkt vor dem finalen Crash stehen, das ändert allerdings nichts an der Tatsache, dass demokratische Systeme auf diesem Globus in Puncto Lebensqualität - um es mal ganz allgemein zu formulieren - an der Spitze stehen.
Gruss, M.
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Jochen
02.11.2000, 10:11
@ BF
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Re: Eigentlich will ich mich aus dieser intressanten Diskussion ja raushalten |
Hi BF,
>aber wenn ich sowas lese,"Demokratien ruinieren ihre Wirtschaft mit und ohne Goldstandard. Das ist nicht schön, aber Fakt.", frage ich mich, was eigentlich in der BRD zB in den letzten 55 Jahren passiert ist. Zum Vergleich doch bitte mal die totalitären oder extotalitären Staaten Südamerika, Afrikas und der Sowjetunion plus Satelliten ansehen. Unser System mag ja, warum auch immer, zum Scheitern verurteilt sein undoder direkt vor dem finalen Crash stehen, das ändert allerdings nichts an der Tatsache, dass demokratische Systeme auf diesem Globus in Puncto Lebensqualität - um es mal ganz allgemein zu formulieren - an der Spitze stehen.
Das ist sicher richtig, dass es sich in Demokratien am besten leben läßt, unbestritten. Nur ist eben auch in Demokratien noch kein Mechanismus gefunden worden, einem aberwitzigen Finanzgebaren Einhalt zu gebieten.
Die BRD ist ein gutes Beispiel: bis ca. Mitte der 60er finanziell recht gesund, danach sind immer mehr Stricke gerissen. Warum hat sich quasi jede Verwaltungsebene (kommunal, Länder, Bund) in eine nahezu aussichtslose Schuldenfalle hineinmanövriert, unabhängig von Parteizugehörigkeit?
Das sind meines Erachtens Fragen, die beantwortet werden müssen. Man kann auch anderer Meinung sein.
Gruß
Jochen
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BF
02.11.2000, 10:41
@ Jochen
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In wie weit sich |
Bund, Länder und Komunen in"eine nahezu aussichtslose Schuldenfalle" manövriert haben kann ich nicht genau sagen. Die hier laufende Diskussion ist aber Grund genug für mich, mal genau hin zu hören und was zu neues lernen... und: Mir ein eigenes Bild zu machen.
Auf jeden Fall sind die entwickelten Demokratien sicher am ehesten dazu in der Lage, sich mit dem Problem eines"aberwitzigen Finanzgebarens" auseinander zu setzen. Mir fällt da ganz spontan Russland 98 ein. Das Pyramindenspiel welches da mit der Staatsverschuldung einherging - Aufnahme kurzfristigen hochverzinslichen Kapitals zur Bedienung des längerlaufenden niedrig(er) verzinslichen - verdient wohl eher diese Bezeichnung. Dass der hochentwickelte Westen und insbesondere seine Finanzmärkte, das ganze erste Halbjahr 98 hindurch diese Entwicklung beinahe vollständig ausblendeten, lässt allerdings schon starke Zweifel an unserer Fähigkeit aufkommen, das Weltfinanzsystem auch nur halbwegs zu regulieren, bzw Gefahren zu antizipieren. Es ist eben ein"komplexes, dynamisches System"....wesshalb ich allerdings auch prinzipiell an der generellen Berechenbarkeit und 100%igen Regulierbarkeit dieses sozialen Systems zweifle. Von daher sind dottores Argumente, was den Gang der Dinge bis 2010 anbelangt (siehe weiter unten) zwar durchaus gewichtig - soweit ich das beurteilen kann - aber es erhebt sich die Frage, ob eine derartig genaue Prognose für ein komplexes System überhaupt möglich ist?
Gruss, M.
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Dschariskazi
02.11.2000, 11:01
@ BF
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Re: In wie weit sich |
BF,
es schwirren z.B. Zahlen durch die Gegend die da lauten, um 2020 müssen die (West-) Bundesländer Ihre gesamten Steuern für die Pensionen der ehemaligen Landesbediensteten ausgeben. Und wie finanzieren die dann den Rest ihrer Haushalte?
Noch eine kleine Statistik (kam vor 3 oder 4 Wochen in der WELT)
lt. Statistischem Bundesamt, Durchschnittseinkommen in den 5 neuen Bundesländeren
Arbeiter 1600 DM
Angestellte 1800 DM
Selbständige 2200 DM
Beamte 3500 DM
Hübsche Zahlen, hm? Hinzu kommt, daß der Besatz an Beamten pro Hektar Weidefläche dort zudem noch deutlich höher ist als in den westlichen BL und aktuell die Arbeitslosigkeit doppelt so hoch ist wie im Westen.
Wie das wohl enden mag?
(Kleine Geschichte: Ist jetzt fast 10 Jahre her. In der Wohnung unter mir lebte ein Jurist, vielmehr er hatte Jura studiert und seine Examina so schlecht überstanden, daß er, trotz bundesweiter Suche, jahrelang keinen Job fand. Und plötzlich, nach der Auflösung der sowjetischen Besatzungszone, bekam er seine Chance, und durft die Verwaltung in Mecklenburg-Vorpommern aufbauen helfen.)
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Bernd Niquet
02.11.2000, 11:28
@ dottore
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Auch wenn man Gold hasst... |
Lieber dottore,
auch wenn man Gold hasst, muss man in ihm nicht die Ursache allen Übels sehen. Ich lese jedenfalls anderes aus Kostos Büchern.
Ansonsten: Natürlich hat der Krieg einen entscheidenden Anteil an der Weltwirtschaftskrise. Deswegen wird sich diese ja auch nicht wiederholen. Und natürlich war es die Außerkraftsetzung des Goldstandards durch die USA, die hier einen entscheidenden Effekt hatten. Doch selbst die größte Inflationierung dort hätte wohl schwerlich den Rest der Welt aus der depression herausziehen können.
Du schreibst"Im GS ist niemand für jemanden verantwortlich. Er läuft ganz für sich allein, wie die Bahnhofsuhr, die auch überall automatisch weiter lief." Aber das stimmt doch eben nicht, wie wir gesehen haben. Denn die Inflationierung in den Überschussländer erfolgt eben nicht automatisch, sondern kann bewusst unterbunden werden.
>Milton Friedman und Anna J. Schwartz konnten sich mit den USA in diesem Punkt gar nicht richtig beschäftigt haben. Denn die USA hätten jederzeit die Geldemissionen entsprechend der unheuren Goldbestände ausweiten können. Warum haben sie es nicht getan (Antwort: Weil die Fed die Hausse abwürgen wollte, siehe deren Protokolle, die ich eingesehen habe. Quote: Aber das (der Diskontsatz Anfang Sep auf 6 %) würde doch WS abwürgen?"Ich would be glad of it."
Gut, das ist ja akzeptiert, das sehe ich auch so. Doch entscheidend ist, dass damit das Gold den Defizitländern fehlte, die sich an die Spielregeln hielten. Und das war der Todesstoß.
>>4. Dazu noch eine paar Zahlen aus Derek Aldcroft, „Die zwanziger Jahre“: Goldreserven Südamerika 1928 bis 1930 minus 40 Prozent, Asien minus 20 Prozent, Ozeanien alleine 1929 bis 1930 minus 60 Prozent und Argentinien, Brasilien und Australien verloren fast das ganze Gold.
>Klar, weil es in die USA abfloss, weil die ihr Preisniveau künstlich niedrig gehalten hatten.>
Klar! Klar, sehe ich ja genauso!
>Klassischer Imperialismus, hat aber mit dem GS absolut nicht zu tun. Die Kausalkette läuft umgekehrt.>
"Imperialismus" ist ein Klasse Stichwort. Die internationalen Vermögenseigentümer bewirtschaften die"armen" Ressourceneigentümer. Und die Länder mit kreditmarkttauglicher Währung diejenigen ohne solche. Ist ja klassische Theorie der Geldwirtschaft Berliner Provenienz.
Doch das mit der umgekehrten Kausalkette mußt du mir erklären. Meinst du, die USA haben über Nicht-Inflationierung systematisch Gold angezogen? Das sehe ich auch so. Doch dass die anderen dadurch in die Scheiße wateten, dass ist klassischer Goldstandard!
>>5. Wenn wir heute über Geldmengenabschwächungen reden, dann sprechen wir über die Reduktionen der Zuwachsraten (!!!) und nicht um absolute Abnahmen. Doch jeder überlege sich selbst, was es für den Geldumlauf bedeutet, wenn eine Golddeckung vorgeschrieben ist und derartige Abflüsse zu verzeichnen sind. Denn dann heißt es: Gute Nacht allerseits!!!
>Abflüsse von einem Land sind Zuflüsse in ein anderes. Das erste Land geht mit den Preisen runter (Goldautomatismus), das andere rauf - und schon gleicht sich wieder alles aus.
Schöner Ausgleich. Wir haben und doch gerade geeinigt, dass das in der Praxis eben nicht funktioniert hat.
>>6. Quintessenz: Natürlich hat die Krise vielfältige Ursachen. Das wird niemand bestreiten, wobei natürlich die Rolle der Börse, die du nicht genannt hast, auch wichtig erscheint. Doch ebenso sicher ist die Rolle des Goldes ebenfalls nicht zu verkennen.
>Die Börse erlebte 1923 ff. die selbe klassische disinflationäre Hausse, die wir jetzt wieder erlebt haben. Auch die Börse kann nichts dafür, wenn der Staat erst Inflation macht (Kriegsfinanzierung) und dann Disinflation sich einstellt und ergo die Zinsen massiv sinken und ergo die Aktien massiv haussieren.
>>Doch heute ist das ja glücklicherweise überwunden!
>Schaumermal.
Ja, schaumermal.
>>Mit den besten Grüßen
>>BN
>Besten Gruß
>d.
Und zurück
BN
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Bernd Niquet
02.11.2000, 11:35
@ Jochen
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Ich sehe es so... |
Lieber Jochen,
ich sehe es so:
>Die Frage muß anders lauten: Wie kam es trotz Goldstandard zur Krise?
Weil ein derart perverses Instrument in Demokratien nicht anwendbar ist. Weil keine Regierung dieser Welt ihr Schicksal einem Automatismus ausliefern will. Weil die Verwerfungen der Kriegszeit sich nicht in dieses System integrieren ließen....
>>Doch an der Auffassung, dass der Goldstandard einen maßgeblichen Anteil daran hatte, dass aus einer lokalen Krise eine Welt(!!!)-Wirtschaftskrise wurde, wirst doch auch du nicht zweifeln wollen. Und nichts anderes hat Kostolany behauptet.
>Der Goldstandart hatte also einen maßgeblichen Anteil? Wieviel in Prozent?
Sorry, aber ich schreibe so. Dies ist eine Abgrenzung gegenüber dottore, der jedesmal voll draufhaut und eine Patenterklärung hat."Maßgeblicher Anteil" heißt: Es gibt vielfältige Einflüsse. Dies ist einer davon. Er lässt sich jedoch nicht quantifizieren.
>>Dazu nur ein paar Fakts von meiner Seite:
>>1. Natürlich war es illegitim, dass Frankreich und die USA die Goldzuflüsse nicht auf die Geldmenge haben durchschlagen lassen, wie es der Goldstandard verlangt hätte. Doch kann man von Demokratien verlangen, die eigene Wirtschaft im Dienste der Allgemeinheit zu ruinieren? Hier sieht man bereits das Unzeitgemäße des Goldstandards.
>Auch hier muß die Frage anders lauten: Warum haben Demokratien ein so exzessives Finanzgebaren? Demokratien ruinieren ihre Wirtschaft mit und ohne Goldstandard. Das ist nicht schön, aber Fakt.
Gut, aber dann können wir den Löffel doch gleich fallenlassen, wenn alles aufs Gleich hinausläuft.
>BTW: Können wir den Begriff"Geldmenge" endgültig fallen lassen?
>>6. Quintessenz: Natürlich hat die Krise vielfältige Ursachen. Das wird niemand bestreiten, wobei natürlich die Rolle der Börse, die du nicht genannt hast, auch wichtig erscheint. Doch ebenso sicher ist die Rolle des Goldes ebenfalls nicht zu verkennen.
>Was sind die"vielfältigen Ursachen"? Das erinnert mich an unsere Politiker. Bei denen sind auch immer die"Anderen" schuld, aber nie sie selbst mit ihrer Unfähigkeit, die Ausgaben im Griff zu behalten.
Weil alle monolausalen Ursachen quatsch sind.
>>Doch heute ist das ja glücklicherweise überwunden!
>:-)
>Gruß
>Jochen
Gruß zurück
BN
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Bernd Niquet
02.11.2000, 11:36
@ BF
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Genauso sehe ich das auch. Vielen Dank |
>aber wenn ich sowas lese,"Demokratien ruinieren ihre Wirtschaft mit und ohne Goldstandard. Das ist nicht schön, aber Fakt.", frage ich mich, was eigentlich in der BRD zB in den letzten 55 Jahren passiert ist. Zum Vergleich doch bitte mal die totalitären oder extotalitären Staaten Südamerika, Afrikas und der Sowjetunion plus Satelliten ansehen. Unser System mag ja, warum auch immer, zum Scheitern verurteilt sein undoder direkt vor dem finalen Crash stehen, das ändert allerdings nichts an der Tatsache, dass demokratische Systeme auf diesem Globus in Puncto Lebensqualität - um es mal ganz allgemein zu formulieren - an der Spitze stehen.
>Gruss, M.
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Bernd Niquet
02.11.2000, 11:40
@ Jochen
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Man muss unterscheiden |
Lieber Jochen,
natürlich ist diese Frage wichtig zu stellen und zu beantworten. Natürlich ist unser Fianzgebaren eine mittlere Katastrophe. Und trotzdem sollte man gerade deswegen unterscheiden zwischen einem System, welches automatisch die Krise bringt (Goldstandard) und selbstverursachten Krisen. Denn letztere kann man bekämpfen, erstere nicht. Hier kann man nur das System abschaffen. Und das haben wir ja gottseidank getan!!!
Viele Grüße
BN
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dottore
02.11.2000, 13:39
@ Bernd Niquet
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Re: Auch wenn man Gold hasst... |
>Lieber dottore,
>auch wenn man Gold hasst, muss man in ihm nicht die Ursache allen Übels sehen. Ich lese jedenfalls anderes aus Kostos Büchern.
>Ansonsten: Natürlich hat der Krieg einen entscheidenden Anteil an der Weltwirtschaftskrise. Deswegen wird sich diese ja auch nicht wiederholen. Und natürlich war es die Außerkraftsetzung des Goldstandards durch die USA, die hier einen entscheidenden Effekt hatten. Doch selbst die größte Inflationierung dort hätte wohl schwerlich den Rest der Welt aus der depression herausziehen können.
Doch ohne weiteres. Und zum Thema Krieg: Ã-konomisch ist das nur zusätzliches Schuldenmachen des Staates und eine Verringerung der Anzahl zusätzlicher Protentialschulnder und eine Zerstörung von Kapital und extremer zusätzlicher Staatskonsum, der zu keinerlei vermarktbarem BIP führt (so herzlos das jetzt klingen mag). Und das zusätzlicher Schudenmachen hatten wir im"Kalten Krieg" genauso und deshalb wird sich die Geschichte wiederholgen. Glaubs' einfach.
>Du schreibst"Im GS ist niemand für jemanden verantwortlich. Er läuft ganz für sich allein, wie die Bahnhofsuhr, die auch überall automatisch weiter lief." Aber das stimmt doch eben nicht, wie wir gesehen haben. Denn die Inflationierung in den Überschussländer erfolgt eben nicht automatisch, sondern kann bewusst unterbunden werden.
Das genau - und da gebe ich Dir 100 % Recht - war der Fehler im GS (hatte das chon oft und oft gepostet): Es fehlte der Zwang, das reinströmende Gold auch geld- bzw. kaufkraftwirksam werden zu lassen. Andererseits gab's eben nur den zwang, die Deckung nicht unter die bekannte Grenze fallen zu lassen.
Das war der entscheidende Fehler beim GS.
Der kam aber nur zustande, weil die NB nicht privat, sondern staatlich war, denn eine private NB hätte sofort das Geschäft ausgeweitet, denn es hätte ja zusätzlichen Gewinn für sie bedeutet.
>>Milton Friedman und Anna J. Schwartz konnten sich mit den USA in diesem Punkt gar nicht richtig beschäftigt haben. Denn die USA hätten jederzeit die Geldemissionen entsprechend der unheuren Goldbestände ausweiten können. Warum haben sie es nicht getan (Antwort: Weil die Fed die Hausse abwürgen wollte, siehe deren Protokolle, die ich eingesehen habe. Quote: Aber das (der Diskontsatz Anfang Sep auf 6 %) würde doch WS abwürgen?"Ich would be glad of it."
>Gut, das ist ja akzeptiert, das sehe ich auch so. Doch entscheidend ist, dass damit das Gold den Defizitländern fehlte, die sich an die Spielregeln hielten. Und das war der Todesstoß.
Richtig, den Todesstoß führten aber die Amis mit den Franzosen. Das arme Gold war nur der Dolch.
>>>4. Dazu noch eine paar Zahlen aus Derek Aldcroft, „Die zwanziger Jahre“: Goldreserven Südamerika 1928 bis 1930 minus 40 Prozent, Asien minus 20 Prozent, Ozeanien alleine 1929 bis 1930 minus 60 Prozent und Argentinien, Brasilien und Australien verloren fast das ganze Gold.
>>Klar, weil es in die USA abfloss, weil die ihr Preisniveau künstlich niedrig gehalten hatten.>
>Klar! Klar, sehe ich ja genauso!
>
>>Klassischer Imperialismus, hat aber mit dem GS absolut nicht zu tun. Die Kausalkette läuft umgekehrt.>
>
>"Imperialismus" ist ein Klasse Stichwort. Die internationalen Vermögenseigentümer bewirtschaften die"armen" Ressourceneigentümer. Und die Länder mit kreditmarkttauglicher Währung diejenigen ohne solche. Ist ja klassische Theorie der Geldwirtschaft Berliner Provenienz.
Daran kann kein Zweifel bestehen, auch wenn's a bisserl metaökonomisch ist.
>Doch das mit der umgekehrten Kausalkette mußt du mir erklären. Meinst du, die USA haben über Nicht-Inflationierung systematisch Gold angezogen? Das sehe ich auch so. Doch dass die anderen dadurch in die Scheiße wateten, dass ist klassischer Goldstandard!
Ja, die andere Hälfte eben. Wenn wir beide Skat spielen und Du drückst immer drei Karten in den Skat, kann doch das arme Blatt nix dafür.
>>>5. Wenn wir heute über Geldmengenabschwächungen reden, dann sprechen wir über die Reduktionen der Zuwachsraten (!!!) und nicht um absolute Abnahmen. Doch jeder überlege sich selbst, was es für den Geldumlauf bedeutet, wenn eine Golddeckung vorgeschrieben ist und derartige Abflüsse zu verzeichnen sind. Denn dann heißt es: Gute Nacht allerseits!!!
>>Abflüsse von einem Land sind Zuflüsse in ein anderes. Das erste Land geht mit den Preisen runter (Goldautomatismus), das andere rauf - und schon gleicht sich wieder alles aus.
>
>Schöner Ausgleich. Wir haben und doch gerade geeinigt, dass das in der Praxis eben nicht funktioniert hat.
Hat in diesem Falle nicht. Richtig. Würde aber in einem sauberen GS (also mit Zwang die Deckung weder nach unten noch nach oben zu verlassen todsicher funktionieren). Auch klar?
>>>6. Quintessenz: Natürlich hat die Krise vielfältige Ursachen. Das wird niemand bestreiten, wobei natürlich die Rolle der Börse, die du nicht genannt hast, auch wichtig erscheint. Doch ebenso sicher ist die Rolle des Goldes ebenfalls nicht zu verkennen.
>>Die Börse erlebte 1923 ff. die selbe klassische disinflationäre Hausse, die wir jetzt wieder erlebt haben. Auch die Börse kann nichts dafür, wenn der Staat erst Inflation macht (Kriegsfinanzierung) und dann Disinflation sich einstellt und ergo die Zinsen massiv sinken und ergo die Aktien massiv haussieren.
>>>Doch heute ist das ja glücklicherweise überwunden!
>>Schaumermal.
>Ja, schaumermal.
>>>Mit den besten Grüßen
>>>BN
>>Besten Gruß
>>d.
>Und zurück
>BN
Und nochmal
d.
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Bernd Niquet
02.11.2000, 14:42
@ dottore
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Na dann sind wir doch einig?! |
Lieber dottore,
dann sind wir ja einig oder noch irgendwelche Differenzen? Die Wewikri hatte durchaus andere Ursachen, doch der Goldstandard is a nasty thing!
Viele Grüße
BN
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dottore
02.11.2000, 16:29
@ Bernd Niquet
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Re: Na dann sind wir doch einig?! |
>Lieber dottore,
>dann sind wir ja einig oder noch irgendwelche Differenzen? Die Wewikri hatte durchaus andere Ursachen, doch der Goldstandard is a nasty thing!
>Viele Grüße
>BN
Nasty, wenn sich keiner dran hält. Ist wie mit der Haager Landkriegsordnung. Wer Gefangene umlegt, hält sich auch nicht dran.
Da ist eben die Crux mit allen solchen Sachen: Sie können nicht funktionieren, wenn das gute alte"Pacta sund servanda" für den Ofen ist.
W ü r d e n sich aber alle dran halten, wäre der GS perfekt. So liegt er halt aufm Müll und jault.
Brauchen tun wir ihn nicht. Aber wenn wir ihn hätten - mit stringenter Einhaltung - würder er funktionieren. Das ist uns beiden wohl klar.
d.
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Jochen
02.11.2000, 18:48
@ BF
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Re: In wie weit sich |
Hi,
>Auf jeden Fall sind die entwickelten Demokratien sicher am ehesten dazu in der Lage, sich mit dem Problem eines"aberwitzigen Finanzgebarens" auseinander zu setzen.
Es gibt verschiedene Beispiele. Ein gutes ist sicher Neuseeland, wie es auch anders geht (und da richtig hart) ist Chile.
Gruß
Jochen
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