Taktiker
02.11.2000, 12:25 |
Aufgeschnappt in zdf.msnbc Thread gesperrt |
Cash flow, stille Reserven, Ergebnis der gewöhnlichen GeschĂ€ftstĂ€tigkeit - so manchem Laien brummt der SchĂ€del, wenn er sich an Wirtschaftsmeldungen versucht. Auch Fachleute mĂŒssen aufpassen, dass ihnen nicht ein X fĂŒr ein U vorgemacht wird. Denn in den Jahresbilanzen können die Unternehmen tricksen, schönen, verstecken, fast ganz nach Belieben und fast immer legal.
âTrau keiner Statistik, die du nicht selbst gefĂ€lscht hast.â Der Spruch ist so bekannt wie banal. Beim Thema Bilanzen trifft er ins Schwarze. Das deutsche Handelsgesetzbuch (HGB) stellt es in manchen Punkten in das Ermessen des Unternehmers, was er bilanziert und in welcher Höhe er es tut. Beliebte Posten sind Abschreibungen und RĂŒckstellungen.
REICH ODER ARM, ALLES IST MACHBAR
Die Firmen können sich je nach Bedarf reich oder arm rechnen - reich rechnen, wenn sie wirtschaftliche Schwierigkeiten verbergen wollen, arm rechnen, um das Finanzamt und die AktionĂ€re im Zaum zu halten. âDenn nicht um Offenheit und die Interessen der AktionĂ€re geht es (...), sondern um Kungeln, GeheimniskrĂ€merei und die eigene Machterweiterungâ, so die These des Wirtschaftsjournalisten Tasso Enzweiler in seinem Buch âDie Bilanzjongleureâ. Seine Fazit ist ernĂŒchternd: Am Ende ist der AktionĂ€r immer der Dumme.
SpektakulĂ€res Beispiel: Der Bremer Vulkan Verbund ging 1996 Pleite, obwohl der Konzern zuvor einen Gewinn nach Steuern von 57 Millionen Mark ausgewiesen hatte. Enzweiler geht davon aus, dass der Konzern so lange an der Gewinn- und Verlustrechnung herummanipulierte, bis aus Verlusten Gewinne wurden. Dazu wurden Einnahmen durchgĂ€ngig mit Gewinn gleichgesetzt und RĂŒckstellungen aufgelöst. Die AktionĂ€re verloren viel Geld. Beim aufmerksamen Lesen der Bilanz hĂ€tten die Alarmglocken schrillen mĂŒssen.
âEs gibt keine besseren Zahlen.â
â FRANZ-JOSEF LEVEN
Volkswirt beim DAI Oder: AOL soll 1995 und 1996 Werbekosten in dreistelliger Millionenhöhe falsch verbucht haben. Mit korrekt verbuchten Kosten hÀtte der Online-Dienst in sechs von acht Quartalen rote statt schwarze Zahlen geschrieben.
Der entgegengesetzte Fall. Volkswagen steht wirtschaftlich so gut da, dass das Geld âverstecktâ wird. Immer wieder wurden in den vergangenen Jahren die Bewertungsmethoden geĂ€ndert, stille Reserven aufgebaut, Abschreibungen hoch angesetzt. So gelang es VW laut Enzweiler innerhalb von vier GeschĂ€ftsjahren, insgesamt mehr Gewinn zu drĂŒcken (die Summe liegt bei sechs Milliarden Mark) als offiziell auszuweisen (4,64 Milliarden Mark).
DIE SACHE MIT DEM VERTRAUEN
Andere Wirtschaftsexperten sehen die Lage nicht gar so ernst wie Enzweiler: âEs gibt keine besseren Zahlenâ, meint Franz-Josef Leven, Volkswirt beim Deutschen Aktieninstitut (DAI). âEs ist alles ein Vertrauensspielâ, sagt Sven Brouwers, Analyst beim Bankhaus Lampe in DĂŒsseldorf. Er empfiehlt, die Unternehmen lange zu beobachten und sich nicht auf das Urteil von Börsengurus zu verlassen.
âDer normale AktionĂ€r hatâs schwerâ, gesteht Reinhart Schmidt, Professor fĂŒr Finanzwirtschaft und Bankbetriebslehre an der UniversitĂ€t Halle, ein. Aber mit dem Internet und den zahlreichen Wirtschaftspublikationen stehen dem Privatanleger zunehmend Informationsquellen zur VerfĂŒgung. Der Wissensabstand zum Experten wird geringer. Nun ist die Bilanz eines Unternehmens ohnehin nur ein Kriterium fĂŒr oder gegen einen Aktienkauf, aber so ganz ohne Zahlen aus der Vergangenheit sollte keine Entscheidung fĂŒr die Zukunft getroffen werden. Ein gesundes Misstrauen sollte den Anleger nie verlassen.
âWahrheit ist etwas Relativesâ, meint DAI-Volkswirt Leven. Wer Zahlen analysiere, mĂŒsse wissen, auf welcher Grundlage sie beruhen, wie sie berechnet werden. Dies sei bei Bilanzen nicht anders als bei der Arbeitslosenstatistik oder dem Bruttosozialprodukt. Information ist alles. Oder mit anderen Worten: Man muss sich reinknien.
HGB IM AUSLAND OHNE STANDING
Das HGB hat im Ausland einen schlechten Ruf, weil es den Unternehmen groĂen Spielraum lĂ€sst. Kapitalströme sind aber international. Ende vergangenen Jahres kamen immerhin 16 Prozent des in Deutschland angelegten Aktienkapitals aus dem Ausland. Um weltweit Investoren zu gewinnen, gehen immer mehr Firmen dazu ĂŒber, nach internationalen Standards zu bilanzieren - selbst wenn ihre Aktien nicht an auslĂ€ndischen Börsen gehandelt werden. FĂŒr die Unternehmen des Neuen Marktes ist es sogar Pflicht.
IAS UND US-GAAP IM KOMMEN
Diese Regeln, seien es die âGenerally Accepted Accounting Principlesâ (US-GAAP) oder die International Accounting Standards (IAS), verbieten das heimliche Aufbauen und Auflösen stiller Reserven. Sie erwarten, dass das Unternehmen einen tatsĂ€chlichen Eindruck von seiner Lage darstellt. Das HGB stellt dagegen den GlĂ€ubigerschutz in den Vordergrund, lĂ€sst drohende Verluste durch RĂŒckstellungen ausweisen, mögliche Gewinne aber nicht berĂŒcksichtigen. Doch auch bei US-GAAP heiĂt es aufgepasst. So ist es nach dieser Bilanzart möglich, die zur Bezahlung von Mitarbeitern zunehmend beliebten Aktienoptionen nicht als Aufwendung auszuweisen. Die Folge: Die Personalkosten erscheinen niedriger als sie es sind.
Angesichts der ErmessensspielrĂ€ume innerhalb des HGB und der unterschiedlichen Regeln der jeweiligen Bilanzierungsarten unterscheiden sich auch die Zahlen fĂŒr ein und denselben Sachverhalt. Es droht die Gefahr, Ăpfel mit Birnen zu vergleichen. Die Deutsche Vereinigung fĂŒr Finanzanalyse und Asset Management (DVFA), ein Zusammenschluss von Finanzexperten, versucht, Klarheit in den Zahlensalat zu bringen. Sie bereinigt den Gewinn eines Unternehmens um auĂerordentliche EinflĂŒsse, um vergleichbare Zahlen zu bekommen. Das von ihr ermittelte âDVFA-Ergebnisâ ist ein Begriff in der Finanzwelt.
In einer Frage sind sich alle Experten einig: Kriminelle Manipulation ist die Ausnahme. Denn wenn dies entdeckt wird, ist der Ruf der Firma ruiniert. Und das kann sich niemand leisten.
2. November 2000
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black elk
02.11.2000, 13:13
@ Taktiker
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Re: Deshalb sind KGV, PEG usw. auch dummes Zeug |
Hi Taktiker,
so sehe ich das jedenfalls. Wenn man nichts besseres zu tun hat und die Zeit totschlagen will, dann sollte man fundamentale Daten die auf Bilanzen beruhen verfolgen. KUV ist etwas anderes, da kann man nicht so gut manipulieren.
Und was fĂŒr ein KUV haben CSCO, JDSU,..? Je nach Branche gilt ein KUV von 10 als das höchste der GefĂŒhle, Daten zu o.g. Unternehmen z.B. bei Onvista unter GuV.
Man kann sich auch selbst etwas vormachen, ich meine mit den Fundamentals.
GruĂ black elk
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Diogenes
02.11.2000, 14:54
@ black elk
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Re: Deshalb sind KGV, PEG usw. auch dummes Zeug? |
>Hi Taktiker,
>so sehe ich das jedenfalls. Wenn man nichts besseres zu tun hat und die Zeit totschlagen will, dann sollte man fundamentale Daten die auf Bilanzen beruhen verfolgen. KUV ist etwas anderes, da kann man nicht so gut manipulieren.
>Und was fĂŒr ein KUV haben CSCO, JDSU,..? Je nach Branche gilt ein KUV von 10 als das höchste der GefĂŒhle, Daten zu o.g. Unternehmen z.B. bei Onvista unter GuV.
>Man kann sich auch selbst etwas vormachen, ich meine mit den Fundamentals.
>GruĂ black elk
Hi black elk,
Ich gestehe, ich bin ein Fundi. ;-) (ein gemĂ€Ăigter, weil ich auch die Psychologie als"fundamental" ansehe)
Andererseits haben Warren Buffet, Peter Lynch und andere ĂŒber Jahrzehnte mit Valueinvesting tolle Gewinne eingefahren. So ganz nutzlos können die Fundamentals also nicht sein.
Ich glaube, man sollte sich die Bilanzen ĂŒber mehrere Jahre hinweg anschauen, dann bekommt man einen besseren Eindruck vom Unternehmen, mit einer Bilanz hat man nur eine Momentaufnahme. Zugegeben, es ist einiges an Arbeit bis man sich fĂŒr den Kauf einer Aktie entschieden hat, aber mir macht die Kramerei SpaĂ. Danach braucht man eigentlich nur noch die Quartalsberichte und allfĂ€llige Pressemitteilungen/berichte zu lesen. Das scheint mir nicht mehr Arbeit zu sein, als Tag fĂŒr Tag Charts zu analysieren.
Aktien mit gutem KGV und Divedenenrenditen haben einen riesigen Vorteil: man kann sie gemĂŒtlich im Depot liegen lassen und kriegt von Zeit zu Zeit ein paar Euro ĂŒberwiesen - StreĂfaktor: sehr gering.
GruĂ
Diogenes
P.S. CSCO wĂŒrde ich gerne kaufen, wenn sie nur nicht so teuer wĂ€ren. ;-))
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black elk
02.11.2000, 22:05
@ Diogenes
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Re: Also, ich wollte ja keinen Fundi brĂŒskieren.. |
Hi diogenes,
Marktpsychologie und Sentimentindikatoren zĂ€hle ich zur tecnischen Analyse, die ich auch verfolge. Mit Fundamentalanalyse meine ich die genannten klassischen Bewertungsrelationen. Wobei das Value Investing ja auch nur eine SchĂ€tzung bzw. Diskontierung zukĂŒnftiger erwartetet Gewinne ist. Man findet immer 20 Argumente pro eine Aktie und 20 dagegen, je nach Stimmungslage.
Das Leute wie Bernecker, Lynch usw. mit Aktien reich geworden sind heiĂt noch lange nicht, daĂ sie den richtigen Ansatz verfolgen. Sie waren in einer Zeit Fondmanager bzw. HĂ€ndler, in der praktisch alle Aktien gröĂerer Unternehmen ohne gröĂere Unterbrechnung gestiegen sind. Sie sind deshalb reich geworden, seil sie in einer Zeit immer bullisch waren in der dies angebracht war. Das ist aber kalter Kaffee! Was interessiert der Schmarn von vorgestern? Die Frage lautet, wie ist die Strategie fĂŒr die nĂ€chsten 10 Jahre? Alles andere interessiert mich nicht. Ich wage mal die Prognose, von den alten Stars wird niemand mehr reden, es wird wieder neue geben, die ganz andere AnsĂ€tze verfolgen, vielleicht ja Elliotter, GANN und Zyklentechniker.
GruĂ black elk
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black elk
02.11.2000, 22:36
@ black elk
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Re: Ach ja, Ursache und Wirkung |
..
haben Lynch und Co. ihre Gewinne eingefahren, weil sie richtig analysiert haben oder hatte der Kursanstieg der Aktien vielleicht ganz andere GrĂŒnde?
Der wichtigste Grund ist und bleibt das Wachstum der Geldmenge in den USA. NatrĂŒlich auch die lange Zeit ohne Weltkrieg, hĂ€tte es den WWII nicht gegeben, dann wĂ€ren die USA evtl nie aus ihrer Depression herausgekommen.
Nochmal der bekannte Link, insbesondere die Graphik S&P vs. USM3, Korrelation 0,99, fast ein physikalisches Gesetz
http://www.gold-eagle.com/gold_digest_00/hamilton090400.html
Ich will mich gar nicht auf tiefgreifende volkswirtschaftliche Dikussionen einlassen, da gibt es Leute hier am board die das wesentlich besser können als ich. Ich habe nur ein Ziel, wie verdiene ich an der Börse am besten Geld.
black elk
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Diogenes
03.11.2000, 16:50
@ black elk
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Re: Ach ja, Ursache und Wirkung |
Hi black elk,
du hast mich nicht brĂŒskiert.
>>Wobei das Value Investing ja auch nur eine SchÀtzung bzw. Diskontierung
>>zukĂŒnftiger erwartetet Gewinne ist.
Das ist nur EIN Punkt unter vielen und dabei noch nichteinmal der wichtigste, eben da hierbei nur geschÀtzt werden kann. Valueinvesting ist weit umfangreicher.
>>Das Leute wie Bernecker, Lynch usw. mit Aktien reich geworden sind heiĂt noch
>>lange nicht, daĂ sie den richtigen Ansatz verfolgen. Sie waren in einer Zeit
>>Fondmanager bzw. HĂ€ndler, in der praktisch alle Aktien gröĂerer Unternehmen
>>ohne gröĂere Unterbrechnung gestiegen sind. Sie sind deshalb reich geworden,
>>seil sie in einer Zeit immer bullisch waren in der dies angebracht war.
Buffet ist seit den 50er tĂ€tig, Lynch und Co. sind schon seit den 60ern im GeschĂ€ft - mit immer bullish ist da nix zu machen gewesen. Wenn es an der Börse so einfach wĂ€re, dann wĂŒrde man auch keine technische Analyse brauchen, es geht ja eh immer bergauf (behauptet zumindest meine Bank ;-)).
>haben Lynch und Co. ihre Gewinne eingefahren, weil sie richtig analysiert
>haben oder hatte der Kursanstieg der Aktien vielleicht ganz andere GrĂŒnde?
Da sie mit schöner RegelmĂ€Ăigkeit besser waren als der Index, muĂ mehr dahinter sein, als der allgemeine Aktienanstieg. Ich wĂŒrde sagen, sie haben ihre Gewinne eingefahren, weil sie gute Unternehmen zu einem gĂŒnstigen Preis gekauft haben - sie haben also richtig analysiert, oder zumindest besser als die meisten.
>Der wichtigste Grund ist und bleibt das Wachstum der Geldmenge in den USA.
>NatrĂŒlich auch die lange Zeit ohne Weltkrieg, hĂ€tte es den WWII nicht gegeben,
>dann wÀren die USA evtl nie aus ihrer Depression herausgekommen.
>Nochmal der bekannte Link, insbesondere die Graphik S&P vs. USM3, Korrelation
>0,99, fast ein physikalisches Gesetz
ja, und zwar ein fundametales. ;-))
Wenn nicht mehr Geld in Umlauf kommt, können die Preise nicht steigen, es sei denn die Produktion ginge zurĂŒck.
>>Das ist aber kalter Kaffee! Was interessiert der Schmarn von vorgestern? Die
>>Frage lautet, wie ist die Strategie fĂŒr die nĂ€chsten 10 Jahre? Alles andere
>>interessiert mich nicht. Ich wage mal die Prognose, von den alten Stars wird
>>niemand mehr reden, es wird wieder neue geben, die ganz andere AnsÀtze
>>verfolgen, vielleicht ja Elliotter, GANN und Zyklentechniker.
Die nÀchsten 10 Jahre? - Das weià der liebe Gott, sonst keiner. Aber eines ist garantiert: Gewinn wird Gewinn und Verlust wird Verlust bleiben. Unternehmen werden weiterhin UmsÀtze, Kredite, Chashflows,... haben. Ich glaube daher, daà Valueinvesting seinen Platz haben wird, neben Elliott, Charttechnikern und was es sonst noch so geben wird.
Das eine muĂ das andere nicht ausschlieĂen, ich sehe gern ĂŒber den Zaun: neue EindrĂŒcke, andere Sichtweisen - ist einfach wahnsinnig spannend.
GruĂ
Diogenes ;-)
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