-->Hallo,
gerade eben auf D-Radio im Kalenderblatt:
Vor 25 Jahren (1978) erließ die Bundesrepublik den 30 ärmsten Ländern die Schulden
Die ungeheure Verschuldung der ärmeren Länder bei den Industriestaaten und ihren Finanzinstitutionen - das ist eines der großen weltwirtschaftlichen Probleme unserer Zeit. Das Problem gibt es schon seit Jahrzehnten - aber es scheint unlösbar zu sein. Denn schon vor 25 Jahren hatte die Bundesrepublik eigentlich eine vernünftige Antwort darauf: Sie erließ den ärmsten Ländern die Schulden.
Für die Rote Armee Fraktion verkörperte er das Monopolkapital und damit die Ausbeutung der Dritten Welt, die RAF ermordete ihn 1989, doch Alfred Herrhausen war der erste deutsche Bankmanager, der die Verschuldung der sogenannten Entwicklungsländer als das globale Problem des 20. Jahrhunderts benannte. Zum Entsetzen seiner Kollegen in den Vorstandsetagen westlicher Großbanken plädierte Herrhausen von der Deutschen Bank für einen Schuldenerlass - nicht primär aus Nächstenliebe für die Armen, sondern aus nüchternem Kalkül für beide Seiten: Die hochverschuldeten jungen Staaten könnten aus Deutschland nichts mehr importieren und soziale Krisenherde seien für westliche Investoren ein Problem. Ganze Kontinente müssten abgeschrieben werden.
Tatsächlich setzte die Bundesrepublik Deutschland im Oktober 1978 ein Zeichen: den 30 ärmsten Ländern, vorwiegend in Afrika, wurden die Schulden erlassen. Bis heute hat das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit über 4,5 Milliarden Euro Schulden gestrichen.
Trotzdem - zur Entschuldung hat dies nicht geführt. Die Schulden von Afrika, Asien und Lateinamerika haben sich innerhalb der letzten 25 Jahre verdreifacht - auf über 2.200 Milliarden US Dollar. Resourcenreiche Länder wie Nigeria, arme wie Burkina-Faso oder Mali, Schwellenländer wie Argentinien und Brasilien sind bankrott. Nicht nur 1,5 Milliarden Menschen in der Dritten Welt leben in absoluter Armut, auch die Umwelt ist als Folge der Verschuldung zerstört. Die Hauptverantwortlichen sind für Kritiker wie die US-amerikanische Ã-konomin Susan George die neoliberalen Ã-konomen von Weltbank und Internationalem Währungsfonds.
Susan George: (Übersetzung) Der Hauptgrund für die Umweltzerstörung ist der Druck, das eingesetzte Kapital rasch mit Gewinn wieder zurückzubekommen, das gilt für Weltbankprojekte ebenso wie für das Agrobusiness.
Begonnen hat die Verschuldung mit dem, was sich die neuen Eliten der Dritten Welt zu Beginn der siebziger Jahre als Entwicklung vorstellten und was ihnen von westlichen Beratern eingeredet wurde: Modernisierung, nachholende Entwicklung. Wenn sie so würden wie die kolonialen Vorbilder, dann würde sich auch der Wohlstand einstellen.
Westliche Technologien wurden importiert, eigene Fluglinien aufgebaut, eine Luxusklinik in der Hauptstadt, Staudämme für die neuen Industriezonen, Fünf-Sterne-Hotels und Stadtautobahnen. Bezahlt wurde mit den nationalen Ressourcen - Kupfer und Mangan, Ã-l, Baumwolle, Tropenholz und Kaffee. Die Preise wurden an westlichen Börsen ermittelt - und so wurden die Erlöse für Tee und Kakao, Baumwolle und Kupfer immer geringer.
Mit importierter Agrartechnologie, die den Schuldenberg erhöhte, wurde ein Agrobusiness aufgebaut, für das Millionen Kleinbauern von ihrem Land in die städtischen Slums vertrieben wurden. Susan George auf einer Verschuldungskonferenz 1988:
(Übersetzung) Die Bauern der Dritten Welt sind keine Posten auf der Aktivseite für die Weltbank und die meisten Entwicklungsagenturen - sie sind Hindernisse für Entwicklung und müssen ausgemerzt werden. Das nennt die Weltbank Entwicklung.
Auf Druck von Weltbank und Währungsfonds werden Subventionen von Grundnahrungsmitteln gestrichen, Bildung und Gesundheit kostenpflichtig, damit Gelder frei werden zur Schuldentilgung. Herrhausens Vision wird wahr: die rapide Verelendung der Mehrheitsbevölkerung in der Dritten Welt eskaliert. Die Folgen beschreibt die Franziskanerin Francesca McLiven am Beispiel der Philippinen:
Francesca McLiven: (Übersetzung) Eingefrorene Löhne, Inflation bei Grundnahrungsmitteln, Sozialprogrammen. Und wenn die Menschen sich fragen, warum sie trotz 8-Stunden-Tag verarmen, wenn sie sich zusammentun, sind sie für die Regierung subversiv, Truppen marschieren auf und die Folge der Verschuldung sind Menschenrechtsverletzungen.
Nutznießer der Entwicklung sind nicht nur die Banken, so der philippinische Ã-konom Professor Manuel Montez:
Montez: (Übersetzung) Die Elite der Philippinen hat profitiert - unsere Auslandsschulden belaufen sich auf 28 Milliarden Dollar. Die günstigsten Schätzungen, was von diesen Eliten geklaut wurde, liegen bei 21 Milliarden.
Im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit hat man aus den schlechten Erfahrungen mit dem Schuldenerlass von 1978 gelernt. Wenn heute Schulden erlassen oder neue Kredite gewährt werden, so soll dies nur noch geschehen, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt werden: Rüstungskürzungen, Einhaltung der Menschenrechte, Sozialprogramme, Umweltverträglichkeit und nachhaltige Entwicklung.
Eigener Kommentar:
Eisernes Schweigen zur Verschuldung der Industriestaaten. Ach, wie reich waren wir damals.
Das zwischen 1970 und 2001 die Außenhandelsschulden der Entwicklungsländer auf das 35fache, die Staatsverschuldung der Vereinigten Staaten und der führenden Industrieländer auf das Zehnfache gestigen sind ist bei D-Radio nicht erwähenswert. 2002 erreichte der weltweite Schuldenstand mit rund 60.000 Mrd. Dollar fast das Doppelte des jährlichen Weltsozialprodukts und das zehnfache des jährlichen Weltexportvolumens.
Entgegen der weitverbreiteten Ansicht macht die gesamte Außenschuld der 187 Entwicklungsländer (einschließlich Russland und China) mit 2500 Mrd. $ (2002) nur einen Bruchteil der globalen Verschuldung aus. Mit 29.000 Mrd - davon 3400 Mrd. $ Auslandsschulden - ist die USA die bei weitem höchst verschuldete der Welt.
Demgegenüber betrugen die kummulietrten Staatsschulden aller Entwicklungsländer, in denen 85% der Weltbevölkerung leben, 2001 rund 1600 Mrd. $ - d.h. nur das Doppelte der öffentlichen Verschuldung Frankreichs oder weniger als ein Zehntel der gesamten Staatsverschuldung sämtlicher reicher Industrieländer (18.000 Mrd. $)
Die zurückgezahlten Beträge sind beindruckend:
Nach Angaben der Weltbank haben die Entwicklungsländer zwischen 1980 und 2001 4500 Mrd. $ zurückgezahlt, während sich ihre Außenschulden insgesamt von 600 Mrd. $ (1980) aud 2500 Mrd. $ (2001) vervierfacht haben.
Genauer kalkulieren kann man den Nettotransfer jedoch durch die Differenz Rückzahlungen und den neu aufgenommennen Darlehen. Demnach haben die Entwicklungsländer zwischen 1983 und 2001 insgesamt 386 Mrd. $ mehr zurückgezahlt, als sie an Neukrediten erhielten - ein negativer Nettotransfer zu Gunsten der Gläubiger.
Zum Vergleich:
Nach Berechnungen des UN-Entwicklungsprogramms (UNDP) würden 80 Mrd. $ jährlich über einen Zeitraum von zehn jahren genügen, um den Grundbedarf der Weltbevölkerung an Nahrung, Wasser, Gesundheit und Bildung zu sichern.
Gruß
Stephan
Quelle: Atlas der Globalisierung
<ul> ~ vor 25 Jahren...</ul>
|