-->"Der Euro klettert bis zum Jahr 2011 auf 1,80 oder gar 2 Dollar"
Heribert Müller Trust AG wagt auf Basis der Elliott-Wellen-Theorie eine Langfrist-Prognose / Euro-Dollar-Wechselkurs bis 1950 zurückgerechnet
ham. FRANKFURT, 7. Oktober. Die Wechselkursprognose ist eine besondere Herausforderung. Vor allem exportorientierte Unternehmen haben ganze Abteilungen, die sich damit beschäftigen. Diese Unternehmen prüfen, ob sie sich gegen ungünstige Wechselkursentwicklungen, die ihren Absatz auf ausländischen Märkten gefährden, auf den Terminmärkten absichern sollen. Aber auch für Aktienanleger sind künftige Wechselkurse wichtig. Der Deutsche Aktienindex Dax zum Beispiel gerät oft unter Druck, wenn der Euro gegenüber dem Dollar an Wert gewinnt. Dann schwinde die Wettbewerbsfähigkeit der vielen exportorientierten deutschen Unternehmen in Amerika, ist von Händlern dazu zu hören.
In volkswirtschaftlichen Lehrbüchern finden sich mehrere Theorien, mit deren Hilfe Wechselkurse"erklärt" werden. Die eine sieht den Schlüssel für das Verhältnis zweier Landeswährungen in der (künftigen) Differenz der Raten des Wirtschaftswachstums; die Währung der Volkswirtschaft mit dem höheren Wirtschaftswachstum verdient einen höheren Wert - und wird deshalb an Wert gewinnen. Ein anderer Erklärungsversuch stellt die Kaufkraft der Verbraucher in den Mittelpunkt. Länder, in denen Verbraucher"viel" mit ihrem Einkommen kaufen können, sind beliebt; deshalb werten ihre Währungen auf, denn Verbraucher tauschen ihr Geld in diese Währung um, damit sie von deren hoher Kaufkraft profitieren, heißt die Folgerung. Der gleiche Gedankengang ergibt sich, wird das Zinsniveau zweier Länder in den Mittelpunkt gerückt. Dorthin, wo die Zinsen höher sind, wird das Geld der internationalen Anleger fließen. Wieder andere Erklärungsversuche heben auf Überschuß oder Defizit in der Dienstleistungsbilanz eines Landes ab.
Keine dieser Theorien überzeugt im Alltagstest. Wechselkurse stechen vielmehr dadurch heraus, daß sie - stärker noch als Aktien und Anleihen - Trends folgen. Haben sie erst einmal Fahrt in die eine oder andere Richtung aufgenommen, sind sie schwer zu stoppen. Analysten sprechen dann oft von einem Überschießen der Wechselkurse. Die Europäische Zentralbank hat in einem Monatsbericht einmal festgestellt:"Die augenscheinliche Komplexität der Beziehungen zwischen dem Wechselkurs und den Fundamentaldaten sowie das Vorhandensein nicht-fundamentaler Antriebskräfte lassen darauf schließen, daß empirische Modelle, die auf eine präzise Quantifizierung des,angemessenen Wertes' einer Währung auf Basis ökonomischer Fundamentaldaten abzielen, von einem relativ hohen Maß an Unsicherheit geprägt sind." Weiter heißt es:"Folglich können auf Fundamentaldaten beruhende Modelle... zwar nützliche Informationen liefern,... doch liefern solche Analysen bestenfalls einen groben Anhaltspunkt für die Beurteilung der tatsächlichen Entwicklung an den Devisenmärkten."
Aufgrund dieser fast resignativen Beobachtungen ist es kein Wunder, daß die Kursentwicklungen an den Devisenmärkten von"Technischen Analysten" als gefundenes Fressen betrachtet werden. Diese Analysten setzen den Schwerpunkt ihrer Prognose auf die Identifikation von Trends - und anschließend auf die Frage ihrer Beständigkeit. Gerade täglich erscheinende Kommentare zum Devisenmarkt legen oft den Schwerpunkt auf die Markttechnik, während in längerfristigen Prognosen oft volkswirtschaftliche Daten - wie aktuell das Handelsbilanzdefizit der Vereinigten Staaten - in den Vordergrund gerückt werden. Schließlich haftet der Technischen Analyse, trotz ihrer in der Vergangenheit unbestrittenen Prognoseerfolge, in der öffentlichen Wahrnehmung noch immer etwas von Willkür und Esoterik an.
Die Heribert Müller Trust AG in Krefeld ist davon überzeugt, daß die oft als Überschießen gebrandmarkte langanhaltende Auf- oder Abwärtsbewegung eines Wechselkurses eben nicht eine übertriebene, irrationale Bewegung ist; vielmehr ist dieses Beratungsunternehmen davon überzeugt, daß die Kurse an den Devisenmärkten nach natürlichen und harmonischen Gesetzmäßigkeiten verlaufen, weil sie eine Folge der Stimmung der Anleger seien."Kurse entstehen durch Entscheidungen von Menschen, die diese aufgrund ihrer subjektiven Wahrnehmung, ihrer Erfahrungen, Überzeugungen sowie ihrer Stimmungen und Emotionen treffen", erklärt Eigentümer Heribert Müller."Da sich Millionen von Anlegern an den Devisenmärkten tummeln, können die dadurch zustande kommenden Kursverläufe als Stimmungsbarometer der Massenpsychologie an den Märkten betrachtet werden."
Während sich viele technische Analysten nur an kurzfristige Wechselkursprognosen trauen, hat Müller den Euro-Dollar-Wechselkurs bis 1950"zurückgerechnet", wie er das bereits für den Deutschen Aktienindex Dax getan hat (F.A.Z vom 7. März: Der Bärenmarkt geht erst 2018 zu Ende). Mit Blick auf den Kursverlauf des Euro glaubt Müller seit dem 4. Februar 1956, als der Euro mit umgerechnet 0,4639 Dollar so wenig wie seitdem nie wieder kostete, das Elliott-Wellen-Prinzip zu entdecken: eine fünfteilige Aufwärtsbewegung (siehe Kasten). Derzeit steckt der Euro-Wechselkurs zum Dollar demnach in der letzten großen Aufwärtswelle (Welle V).
Müller legt Wert darauf, daß an den zurückliegenden Wendepunkten einerseits massenpychologisch bedeutsame Extremstimmungen an den Märkten herrschten; anderseits läßt sich seiner Ansicht nach Ausmaß und Zeitrahmen der Wellen mit sogenannten Fibonacci-Relationen nachvollziehend berechnen. Damit kommt er auf folgende Prognose:"Der Euro wird noch bis auf 1,80 bis 2 Dollar steigen, diesen Wechselkurs vermutlich aber erst im Zeitfenster 2008 bis 2011 erreichen." Daß dann eine extrem positive Stimmung zugunsten des Euro herrschen wird, liegt für Müller auf der Hand. Aus dieser massenpsychologischen Euphorie zieht er den gegenteiligen Schluß."Das wird der beste Zeitpunkt für eine ganze Generation von Marktteilnehmern sein, den Euro zu verkaufen."
Was auf den ersten Blick absurd anmutet, untermauert Müller mit einem Blick auf die Stimmung, als der Euro-Dollar-Wechselkurs in der Vergangenheit Wellen abgeschlossen hatte und die Richtung änderte. So fiel zum Beispiel das Ende der (Abwärts-)Welle II zusammen mit einer großen Dollar-Euphorie, die sich an der Politik des im Kalten Krieg"kraftstrotzenden" Präsidenten Ronald Reagan festmachte. Am Ende der Welle III (März bis Mai 1985), nach einer zehnjährigen D-Mark-Stärke, glaubte"der Devisenmarkt", die D-Mark werde von der schweren Krise des Europäischen Währungssystems (EWS) profitieren und"stark" bleiben. Das Gegenteil war der Fall.
Die Analyse des Zeitrahmens und des Ausmaßes der bisherigen Wellen ergibt Verblüffendes: Die Aufwärtswellen I und III dauerten stets zehn Jahre, die Abwärtswellen II und IV fünf (eine Fibonacci-Zahl) Jahre. Deshalb vermutet Müller, daß die letzte Welle, die für ihn am 25. Oktober 2000 bei einem Euro-Kurs von 0,8272 begann, auch etwa zehn Jahre laufen wird. Endete sie im Jahr 2011, wäre der gesamte Impuls seit seinem Tiefpunkt 1956 genau 55 (wieder eine Fibonacci-Zahl) Jahre"unterwegs". Die laufende Welle V sollte wiederum fünfteilig verlaufen. Dabei dürfte der erste Teil im März/April 2004 bei einem Euro-Kurs von rund 1,30 Dollar zu Ende gehen. Da Welle I um 144 Prozent (Fibonacci-Zahl) und Welle III um 154 Prozent stieg, legt Müller für die gesamte Welle V ebenfalls einen Anstieg um 144 Prozent zugrunde. Damit ergäbe sich exakt ein Euro-Kursziel von 2,045 Dollar.
Text: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 08.10.2003, Nr. 233 / Seite 25
|