-->Donnerstag, 9. Oktober 2003
Fallender Dollar - gut für die US-Wirtschaft?
von unserem Korrespondenten Bill Bonner
Vorgestern gab es gute News - für die, die die USA ruiniert sehen wollen.
Zunächst einmal sind die Aktienkurse an der Wall Street weiter gestiegen.
Dann wurde berichtet, dass die amerikanischen Konsumenten ihren Weg in die Insolvenz während des Sommers fortgesetzt haben. Die Schulden der privaten Haushalte erhöhten sich im August um 8,2 Milliarden Dollar, das Wachstum der Konsumentenkredite hat damit 10,25 % erreicht.
Drittens berichtet die New York Times, dass"der Dollar wieder schwach tendiert", und sie fügt erfreut diese Analyse hinzu:"Keine amerikanischen Tränen werden darüber vergossen."
Diese letzte Bemerkung will ich untersuchen. Wenn der Dollar fällt, dann haben die Amerikaner weniger Kaufkraft. Da so viel von dem, was sie kaufen, aus Übersee kommt, würde ein fallender Dollarkurs zu steigenden Preisen führen - was den Lebensstandard reduzieren würde. Anders gesagt: Ein Rückgang des Dollarkurses reduziert den Wert von allen Dingen, die in Amerika hergestellt werden. Ein Beispiel: Ein Rückgang des Dollar von 10 % würde einem wertmäßigen Rückgang des amerikanischen Outputs um mehr als eine Billion (!) Dollar entsprechen.
Das mag kein Grund für Tränen sein, aber ein aufmerksamer Investor könnte zumindest ein bisschen glasige Augen bekommen. Und auch der kalifornische Hausbesitzer könnte ein bisschen enttäuscht sein, wenn er realisiert, dass das"Vermögen", das er sich aus seinem Haus herausgezogen hat (in Form einer Erhöhung der Hypotheken) an den Währungsmärkten verschwunden ist... während er immer noch seine Hypothek abbezahlen muss.
Natürlich fühlen diejenigen, deren Einnahmen in Dollar anfallen, die aber in Europa wohnen, den Rückgang des Dollar direkter, und sie nehmen das persönlicher. Ich bin so ein Fall - ich bin ein Amerikaner, der in Frankreich lebt und arbeitet. Und jedes Mal, wenn ich mir in Paris ein Bier oder einen canard à l'orange bestelle, dann ärgere ich mich ein bisschen. Es bringt nichts, sich deshalb zu beschweren, aber ich kann ich nur wundern, wie lange die anderen Amerikaner brauchen, bis sie realisieren, dass ein fallender Dollar auch sie ärmer macht.
Aber in den letzten Tagen wurden keine Tränen vergossen, laut der New York Times. Die Leute denken, dass es gut ist, wenn der Dollar fällt... und dass dadurch die Weltwirtschaft wieder auf Trab gebracht wird. Sie glauben, dass dann die Erholung richtig durchstarten kann und der reale Boom beginnen wird.
Die Leute, die das denken, sind die gleichen Leute, die sich nicht nur darüber freuen, dass sich die US-Konsumenten weiter verschulden... sie ermuntern sie sogar dazu! Und das sind die gleichen Leute, die denken, dass die Aktienkurse immer weiter steigen können... oder zumindest bis zur nächsten Wahl.
In irgendeiner Zeitung habe ich auch gelesen, dass die Gesellschaft Carrier Corporation - die Millionen Amerikanern eine Klimaanlage beschert hat - angekündigt hat, dass sie in den USA ihre Produktion komplett einstellen will. Alle neuen Klimaanlagen für die USA sollen aus Übersee importiert werden. 1200 Angestellte müssen sich jetzt auf die Suche nach neuen Jobs begeben.
Ein niedrigerer Dollar soll Gesellschaften wie Carrier helfen. Vielleicht wird er das auch. Und ganz bestimmt ist ein weiterer Rückgang des Dollar notwendig... und unausweichlich. Aber es ist eine Lüge, den US-Bürgern zu sagen, dass das ohne Tränen abgehen wird.
Mehr News von Addison, im nächsten Artikel...
Donnerstag, 9. Oktober 2003
Schulden = Reichtum, eine fragwürdige Gleichsetzung
von unserem Korrespondenten Addison Wiggin in Paris
Nun, zumindest bleiben sie auf Kurs. Wie mein Kollege Bill Bonner bereits angesprochen hat: In den USA haben die privaten Haushalte im August neue Schulden im Volumen von 8,2 Milliarden Dollar angehäuft. Ok, lassen Sie mich nachrechnen. Laut dem"World Fact Book" beträgt das Bruttoinlandsprodukt der USA etwas über 10 Billionen Dollar - das sind 37.600 Dollar für jede(n) Mann, Frau, Spitzbube im Land - was die USA zur"größten und technologisch mächtigsten Volkswirtschaft der Welt" macht.
Was passiert wirklich in der"größten und technologisch mächtigsten Volkswirtschaft der Welt"? Nun, eine Menge Schuldenmachen für Konsum, offensichtlich. Neben der Tatsache, dass 80 % des amerikanischen Bruttoinlandsproduktes durch"Dienstleistungen" erzielt werden, haben die Schulden der privaten Haushalte die Höhe des Bruttoinlandsproduktes längst überschritten.
Was noch... wie ich letzte Woche schon berichtet habe, hat der durchschnittliche Haushalt in den USA Kreditkartenschulden von 8.000 Dollar. Und ich habe errechnet, dass der durchschnittliche Haushalt fast 20 % des Pro-Kopf-Bruttoinlandsproduktes mit Konsumentenkrediten finanziert.
Als ob das noch nicht interessant genug wäre... suche ich im"World Fact Book" nach den Steuereinnahmen des amerikanischen Staates im letzten Jahr: 1,94 Billionen Dollar! Wenn die Konsumenten weiterhin so schnell wie im August Schulden anhäufen würden, dann würden sie sich auf Jahresbasis hochgerechnet (wobei berücksichtigt wird, dass die neuen Schulden im August nicht so stark wie in anderen Monaten wachsen) mehr Geld leihen als die Steuereinnahmen aller amerikanischen Gebietskörperschaften im letzten Jahr erreicht haben.
"Wie lange kann das alles so weitergehen?" frage ich mich. Natürlich lautet die Antwort notwendigerweise:"So lange wie möglich."
Die Fed mag eine solche Antwort ablehnen. Greenspan hat die Geldmenge um 9,5 Billionen (!) Dollar erhöht... das ist ein neuer Rekord. Die ausländischen Zentralbanken entschieden, dass sie glücklich wären, die neuen Schuldscheine einer fast bankrotten Nation von fetten Nassauern anzunehmen... und sie haben US-Staatsanleihen für 10 Milliarden Dollar gekauft... auch das ein neuer Rekord.
Schulden. Konsumentenschulden. Staatsschulden. Unternehmensschulden. Alles Schulden. Schulden. Schulden. Wer wird für diese Schulden bezahlen? Und mit welcher Währungsqualität? Jetzt beginnt man, die Weisheit der Fed in ihrem"Krieg gegen die Deflation" zu erkennen; eine Deflation macht es nämlich teurer, die Schulden zurückzuzahlen. Inflation hingegen ist der beste Freund von Schuldnern. Wenn man ein Sparer ist... Pech gehabt.
Eine der eher dümmlichen Erklärungen der Rally am Aktienmarkt und der sogenannten"Erholung" (ohne neue Jobs bis jetzt) las ich im Editorial bei TheStreet.com, geschrieben von jemandem, der sich schämen müsste, wenn ich seinen Namen erwähnen würde. Deshalb tue ich es nicht. Seine Theorie war, dass"Reichtum" - zumindest der, wie er im Kontext des jüngsten degenerierten kapitalistischen Modells aufgefasst wird - durch die Konsumkraft einer Familie ausgedrückt und quantifiziert wird
In so einem Szenario gilt tatsächlich: Schulden = Reichtum. Lassen Sie mich auch hier nachrechnen. Wenn man 8.000 Dollar Kreditkartenschulden hat... dann würde dadurch der persönliche Reichtum um 8.000 Dollar steigen. Im August hat sich deshalb der Reichtum der amerikanischen Nation deutlich erhöht. Diese Art von Denken führt zu den Schlagzeilen, die die wirtschaftliche Erholung und die Wiedergeburt eines Booms am Aktienmarkt loben.
Ich habe nur eine einzige Frage: Wo kommen diese Leute her?
Aber es gibt auch andere Stimmen: Eine Umfrage (von Providian) zeigte, dass 50 % von 1.000 Befragten mitteilten, dass sie wegen ihrer Familienfinanzen"besorgt" oder"sehr besorgt" seien. Providian kann zugute gehalten werden, dass sie als Lösung dafür vorgeschlagen haben, dass die Amerikaner mehr sparen sollten...
<ul> ~ hier kommt es her</ul>
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