-->Blutbäder im Königspalast
Die Hochkultur der Maya ging unter, weil die Eliten permanent Krieg führten. Neue Hieroglyphenfunde erklären Details der Massakker
von Rolf H. Latusseck
Palast in Palenque - das Leben in den Maya-Städten war geprägt von rituellen Handlungen
Foto: ddp
Die Siegesfeier am Hofe von Maya-König Balaj Chan K'awiil war prächtig, aber seine Krieger berauschten sich am Blut der Gefangenen fast ebenso wie am Wein:"Das Blut wurde wie in einem See gesammelt, und die Köpfe der Besiegten stapelten sich auf dem zentralen Marktplatz."
Die blutrünstige Szene aus dem Jahr 659 n. Chr. hatten Schreiber einst auf Hieroglyphentafeln festgehalten. Jetzt wurden diese von dem guatemaltekischen Maya-Experten Federico Fahsen in der Ruinenstadt Dos Pilas entdeckt.
Ein wichtiger Fund. Denn die Tafeln geben den Forschern detaillierte Hinweise auf die Kriege der Maya - und damit auch auf das Ende dieser frühen Hochkultur.
Zwischen den vorkolumbischen Königreichen Mittelamerikas kam es nahezu ständig zu kriegerischen Auseinandersetzungen. Das wussten die Archäologen aus einzelnen Hieroglyphenfunden; doch die näheren Zusammenhänge waren bisher unbekannt. Durch Fahsens Schrifttafeln wird nun eine 60 Jahre lange Zeitspanne aus dem 7. Jahrhundert plötzlich mit Leben erfüllt - oder genauer: Die Zeit war erfüllt mit Tod und blutigen Kämpfen.
Dos Pilas wurde demnach im Jahr 629 n. Chr. als militärstrategischer Vorposten der mächtigen Metropole Tikal gegründet. Erster König der Neugründung wurde Balaj Chan K'awiil, der vier Jahre alte Bruder des Herrschers von Tikal. Zwanzig Jahre lang hielt K'awiil sich an das Familienbündnis, dann wurde er von dritter Seite gezwungen, gegen seinen älteren Bruder vorzugehen. Es folgten zehn Jahre erbitterter Krieg, bis Tikal schließlich erobert und die gesamte Führungselite ins 100 Kilometer entfernte Dos Pilas verschleppt war."Das anschließende Gemetzel zur Siegesfeier ist sehr bildlich in den Hieroglyphen festgehalten", berichtet Fahsen. Das Blut floss im Palast in wahren Strömen.
Die ausführliche Schilderung des Blutbads ist kein Zufall. Diese Art von Geschichtsschreibung diente der Glorifizierung der Maya-Könige und der Festigung ihrer Macht. Deshalb gehörten Gelehrte, die das Lesen und Schreiben beherrschten, zum inneren Führungszirkel eines Königshofs. Fanden sie sich allerdings auf der Verliererseite wieder, dann ging es den königlichen Schreibern besonders schlecht. Sie wurden grausam hingerichtet, nachdem man ihnen vorsichtshalber zuvor noch die Finger gebrochen hatte. Offenbar wussten schon die damaligen Herrscher: Literatur kann gefährlicher sein als ein Schwert.
Palastintrigen, Meuchelmorde und letztlich Kriege haben überall auf der Welt unzählige Herrscherhäuser zu Fall gebracht. Im vorkolumbischen Mittelamerika ist an den blutigen Machtkämpfen der Führungselite sogar die gesamte Hochkultur der Maya zu Grunde gegangen, sagt Archäologie-Professor Stephen Houston von der Brigham Young University in Provo (Utah). Houston stützt seine These nicht nur auf die Entdeckung seines Kollegen Federico Fahsen, sondern auch auf eigene Ausgrabungen.
Hieroglyphen über den Niedergang einer weiteren Maya-Stadt fand Stephen Houston in Piedras Negras im äußersten Nordwesten von Guatemala, direkt an der Grenze zu Mexiko. Mit der Stadt ging es abwärts, nachdem männliche Erben sich um die Thronfolge zu streiten begannen. Als dann gewaltsam fremde Mächte eingriffen und den letzten König entführten, brach die Stadt endgültig zusammen."Noch heute finden wir Zeugnisse von der brutalen Gewalt der damaligen Entführung im Palast", so der Archäologe."Zerstörte Gebäude und Monumente." Sechs Jahre lang hat Houston in dem schwer zugänglichen Dschungelgebiet Ausgrabungen geleitet und Inschriften entziffert; sein Fazit:"Piedras Negras zeigt beispielhaft, dass die Städte der Maya um die Königshäuser herum gebaut wurden. Solange das Königtum funktionierte, blühten die Städte. Aber als die herrschende Schicht abgewirtschaftet hatte, verfielen auch die Städte."
Der Untergang der Maya-Kultur ist ein unter Experten immer noch kontrovers diskutiertes Thema. Erst Anfang dieses Jahres hatte Gerald Haug von der Universität Potsdam im Fachblatt"Science" die Aufsehen erregende Theorie vertreten, dass die Maya an einer unerwartet langen Dürreperiode zu Grunde gegangen seien. Danach waren die Menschen damals nicht in der Lage, sich auf die neue Klimasituation einzustellen, sie mussten abwandern. Zumindest für Piedras Negras könne das aber nicht zutreffen, widerspricht Houston:"Die Stadt liegt an einem Fluss, der nie völlig austrocknete. Es gab immer genug Wasser für die Landwirtschaft." Das Problem scheint vielmehr gewesen zu sein, dass die gesellschaftlichen Strukturen zerfielen, weil die Bevölkerung das Vertrauen in die Führungselite verlor."Als das geschah, unternahm die Bevölkerung eine Abstimmung mit den Füßen." (Borbild für Deutschland?)
In seiner knapp 600-jährigen Blütezeit von 250 n. Chr. bis 800 n. Chr. erstreckte sich das Maya-Gebiet von der mexikanischen Yukatan-Halbinsel über Belize und Guatemala bis nach Honduras, umfasste jedoch keine politische Einheit. Vielmehr existierten 50 oder mehr Stadtstaaten nebeneinander, die nicht nur politisch unabhängig voneinander waren, sondern permanent Kriege gegeneinander führten. Jede Stadt hatte ihren eigenen König, und der war bestrebt, seine Macht auszudehnen, beziehungsweise Verteidigungsbündnisse zu schließen, wenn er sich durch einen Nachbarn bedroht fühlte. Federico Fahsen verglich die Situation mit dem Kalten Krieg der vergangenen Jahrzehnte:"Wie zwischen den USA und der Sowjetunion wurden auch damals eine Fülle von Stellvertreterkriegen geführt. Die gesamte Zivilisation war ständig in gewaltsame Auseinandersetzungen verwickelt." Letztlich versank die gesamte Maya-Kultur, weil es keiner Macht gelang, die verschiedenen Städte in einem geeinten Reich zusammenzuführen.
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