-->>Bänker gelten neuerdings beim AA als schwer vermittelbar....
Diesen Morgen war alles irgendwie anders als sonst.
Das Duschwasser erst zuu kalt, dann zuu warm, der Kaffee schmeckte erst verbrannt, nachdem Wasser nachgegossen wurde, war er auf einmal zu fad.
Seine Frisur beharrte auf ihrer Strubbeligkeit, nicht mal der extra starke Haarfestiger vom Töchterchen, den er vom Waschtisch gemopst hatte, half.
Dann riß er auch noch einen Schnürsenkel ab, als er sich die Schnürsenkel zuband, und prompt - wie konnte es auch anders sein - trat er vor der Haustüre am Weg zum Fahrradkeller in einem Haufen Hundekot.
Einen Haufen Hundekot! Heute. Jetzt. Es war doch eh schon knapp, und jetzt - das.
Na, das kann ja heiter werden.
Dr.Bankmann prüfte noch einmal, ob er auch den Zettel mit Termin und Zimmernummer dabei hatte, schwang sich auf das Fahrrad, und radelte zum Arbeitsamt.
Ach, wie hätte er fluchen können, die Pedale schienen irgendwie zu nahe am Lenker zu sein. Wie mußte das affig aussehen, wenn ihn jemand beobachten würde.
Na ja, er hatte sich ja auch das Fahrrad des Sohnes ausleihen müssen. Wer kauft sich schon ein Fahrrad, wenn die Bank einen 320er Mercedes als Dienstwagen ermöglicht.
Ermöglicht-e.
Jetzt kam es wieder hoch, dieses Gefühl wie bei Grippe, einerseits Hitzewallungen, andererseits ein Schwall von Eiseskälte im Gebein.
So mußte sich ein Bunjee-Jumper fühlen, dachte Bankmann, als er an der geschlossenen, leerstehenden Filiale vorbeifuhr, die einst sein Arbeitsplatz war. Ein Bunjee-Jumper, der merkt, daß das Seil zu lang sein mußte. Aber nichts war dagegen zu unternehmen - rein gar nichts.
Er hatte sich extra die schäbigsten Klamotten angezogen, die er im Hause finden konnte. Schließlich wollte er nicht sofort auffallen.
Würde ihn heute ein Spießrutenlaufen erwarten? Würde ihn jemand erkennen? Ihn, den Sachbearbeiter der Kreditabteilung Privatkunden? Den ehemaligen Sachbearbeiter, versteht sich?
Als er vor dem Arbeitsamt ankam, versuchte er, so unauffällig wie irgendmöglich zu bleiben. Er erinnerte sich an seine Studentenzeit, als er sich spätnachts, nein, frühmorgens in seine Studentenbude schlich, ohne die Hausfrau zu wecken.
Nur nirgends anecken, nur kein Geräusch.
Fahhrad abstellen, Sicherheitskette anbringen, zweites Schloß anbringen, Bügel zwischen die Speichen, Sattel abschrauben und in der mitgebrachten Plastiktüte verstauen.
Ja, die Plastiktüte.
Gestern war er extra bei Aldi, um sich so ein Ding zu besorgen. Er betrat quasi Neuland, eine neue Erfahrungswelt, als er erstmals diesen Laden betrat. Stand volle zwölf Minuten in der Kassenschlange, fühlte sich in die Bazars und Sukhs von Ankara, Istanbul und Tanger versetzt, Gerüche, Geräusche, Geschiebe, alles ließ ihm den Hemdkragen immer enger erscheinen- wie war er froh, wieder aus dem Laden draußen zu sein, und alles nur für die blöde Tüte aus Plaste.
Zimmer 378.
Er nahm bewußt die Treppe, überlegte sich bei jeder Stufe, ob man ihn erkennenwürde oder nicht, oder doch, oder nicht, bis er auf einmal in einem Menschenauflauf stand, als ob jemand von der Trambahn überfahren worden wäre und jetzt in seiner Blutpfütze läge.
Düsteres Gemurmel, gedämpfte Stimmung, man konnte aus dem grellen Neonlicht, den ausgeblichenen Grautönen des billigen Linoleums, und den abgestoßenen Polsterbezügen auf den Sitzplätzen ein melodramatisches Stilleben der Trostlosigkeit zusammenstellen.
War da drüben nicht Schuster aus der Immobilienabteilung? Und daneben Warnke-Zettelmeier aus der Revision, den er schon immer mal gerne spätnachts auf einem einsamen Feldweg hören hätte lassen wollen, wie schön - und laut - die Englein singen können?
Hoffentlich sehen sie mich nicht, dachte sich Bankmann, als auch Schuster schon auf ihn zukam und ihm jovial auf die Schulter klopfte.
Na, Banki, auch hier? Hat aber lange gedauert. Ich habe Deinetwegen schon drei Kästen Bier verloren, aber wie Du siehst, nichts währt ewig, auch Dein Posten nicht.
Worauf er lächelte, immer breiter, immer herausfordernder, bis er auf einmal laut lachte, daß der ganze Warteraum auf die beiden starrte und sie wie im Scheinwerferlicht auf der Bühne standen.
Dieser Schuster, der hatte es gerade nötig. Am liebsten wäre ihm Bankmann an die Gurgel gesprungen, aber so, vor allen Leuten, wurde er nur rot im Gesicht. Alle starrten auf Schuster und Bankmann, Schuster gröhlte vor Lachen, schlug sich auf die Schenkel, und Bankmann glühte am Kopf wie ein alter Lanz-Bulldog, seine Ohren schienen gleich zu platzen.
Wenn sich doch nur der Boden aufgetan und ihn verschluckt hätte.
Wie es Bankmann weitererging, könnt ihr morgen in der Fortsetzung lesen - wenn ihr wollt....
Beste Grüße vom Baldur
|