Baldur der Ketzer
31.10.2003, 17:37 |
Fundsache zum Thema Staatenlosigkeit Thread gesperrt |
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4. Staatenlosigkeit
      22. Mit Urteil vom 16.7.1996 entschied das BVerwG über den Anspruch eines ehemaligen rumänischen Staatsangehörigen auf Ausstellung eines Reiseausweises für Staatenlose (1 C 30/93 = InfAuslR 1997, 58ff. = DVBl. 1997, 177ff. = DÃ-V 1997, 300ff.).
Nach der Aufgabe seiner rumänischen Staatsangehörigkeit während des Asylverfahrens in der Bundesrepublik beantragte der Kläger die Ausstellung eines Reiseausweises für Staatenlose. Diese Frage nahm das Gericht zum Anlaß, die Folgen der Staatenlosigkeit, bzw. der freiwillig herbeigeführten Staatenlosigkeit zu erörtern. Rechtsgrundlage für den geltendgemachten Anspruch auf Ausstellung des Reiseausweises sei Art. 28 Satz 1 des Übereinkommens vom 28.9.1954 über die Rechtsstellung der Staatenlosen27.
Das Gericht stellte fest, daß das Abkommen auf den Kläger anwendbar sei, auch wenn dieser sich freiwillig in die Staatenlosigkeit begeben habe und es ihm möglich sei, seine frühere rumänische Staatsangehörigkeit wieder zu erwerben. Eine Verpflichtung bestehe hierzu ebensowenig wie eine Obliegenheit. Ein völkerrechtliches Gebot zur Vermeidung von Staatenlosigkeit gebe es nicht. Dabei nahm das Gericht Bezug auf den völkerrechtlich unverbindlichen Programmsatz des Art. 15 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vom 10.12.194828.
Darüber hinaus deute nichts auf eine rechtsmißbräuchliche Inanspruchnahme der Rechte aus Art. 28 des Staatenlosen-Übereinkommens hin. Schließlich prüfte das Gericht die Eigenschaft des Klägers als Staatenloser i.S.d. Art. 1 Abs. 1 Staatenlosen-Übereinkommen, wonach ein Staatenloser eine Person sei, die kein Staat aufgrund seines Rechts als Staatsangehöriger ansieht (de iure-Staatenloser)29.
Damit grenzte das Gericht den Kläger als de iure-Staatenlosen von einem de facto-Staatenlosen ab und wies darauf hin, daß der Status der Staatenlosigkeit nicht von der Art seiner Entstehung abhänge, sondern bei Zwangsausbürgerungen ebenso eintrete wie bei einem freiwilligen Verzicht. Insbesondere sei es völkerrechtlich unbestritten, daß der Heimatstaat einem derartigen Antrag stattgeben dürfe, und zwar selbst dann, wenn der Betroffene dadurch staatenlos werde.
Dabei sei zu beachten, daß es als Rechtsmißbrauch anzusehen sei, wenn die Entscheidung des expatriierenden Staates dazu führe, seine bisherigen Staatsangehörigen bei"fremden Staaten" abzuladen; dies gelte jedenfalls insoweit, als innerstaatliche Regelungen der Staatsangehörigkeit völkerrechtlich dem Verbot des Rechtsmißbrauchs unterlägen30. Im weiteren stellte das Gericht fest, daß die Bundesrepublik Deutschland daran gehindert ist, der Entlassung aus der Staatsangehörigkeit durch Rumänien die Anerkennung zu versagen. Zwar gelte nach Art. 7 des Übereinkommens zur Verminderung der Staatenlosigkeit31 die Regelung, daß die Entlassung aus einer Staatsangehörigkeit nicht anerkannt werden müsse, soweit diese zu einer Staatenlosigkeit führe. Doch finde diese Bestimmung keine Anwendung, da Rumänien nicht Vertragsstaat des Übereinkommens zur Verminderung der Staatenlosigkeit sei und diese Regelung kein allgemeiner Grundsatz des Völkerrechts sei.......
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Baldur der Ketzer
31.10.2003, 17:42
@ Baldur der Ketzer
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Re: noch ne Fundsache zum Thema Staatenlosigkeit |
-->Â Staatenlosigkeit
Wer eine Staatsangehörigkeit nicht besitzt, ist staatenlos. Staatenlosigkeit entsteht durch automatischen oder gewillkürten Entzug sowie die freiwillige Aufgabe der Staatsangehörigkeit.
Rechtliche Grundlagen
Im deutschen Recht ist der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit im Staatsangehörigkeitsgesetz geregelt. Danach ist ein Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit nur unter engen Voraussetzungen möglich.
In anderen Staaten gibt es zum Teil sehr unterschiedliche Regelungen. So haben viele Nachfolgestaaten der Sowjetunion Regelungen in den jeweiligen Staatsangehörigkeitsgesetzen, wonach langer Auslandsaufenthalt zum automatischen Verlust der jeweiligen Staatsangehörigkeit führen kann. Andere Staaten lassen einen Verlust der Staatsangehörigkeit dagegen überhaupt nicht zu.
Die Staatenlosigkeit führt in vielen Staaten zu ganz erheblichen Einschränkungen der Rechtssphäre des Betroffenen. Zum Abbau der Staatenlosigkeit hat die Völkergemeinschaft die Übereinkommen zur Verminderung der Staatenlosigkeit vom 30.8.1961 und zur Verringerung der Fälle von Staatenlosigkeit vom 13.9.1973 verabschiedet. Die Bundesrepublik Deutschland hat beide Übereinkommen mit Gesetz vom 29.6.1977 ratifiziert. Bislang sind den Übereinkommen nur wenige Staaten beigetreten. Einige Staaten haben allerdings den Übereinkommen entsprechende gesetzliche Vorschriften, ohne die Übereinkommen ratifiziert zu haben.
Die Übereinkommen führen unter bestimmten Voraussetzungen zum erleichterten Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts setzt die Anwendung der Übereinkommen allerdings voraus, daß die betroffene Person einen legalen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hat, also in Besitz einer Aufenthaltsgenehmigung ist....(...)
Staatenlose erhalten, wenn sie eine Aufenthaltsgenehmigung haben, einen sog. Staatenlosenpaß.
Staatenlosigkeit als Abschiebungshindernis
Allerdings kann für diesen Personenkreis die Staatenlosigkeit gleichwohl erhebliche Bedeutung haben.
Zum einen kann der Entzug der Staatsangehörigkeit durch den Herkunftstaat als asylerhebliche Verfolgung zu werten sein. (....)
Die Staatenlosigkeit kann zum anderen ein rechtliches Abschiebungshindernis sein.
Ein rechtliches Abschiebungshindernis kann sich etwa aus § 53 Abs.6 S.1 AuslG ergeben, wenn der betroffene Staatenlose in dem Zielstaat der Abschiebung aufgrund seiner Staatenlosigkeit soweit unter das Existenzminimum fällt, daß er individuell von einer erheblichen und unmittelbaren Lebensgefahr bedroht ist. Ebenso kann ein solches Abschiebungshindernis vorliegen, wenn kostenlose erforderliche medizinische Versorgung nur Staatsangehörigen des Zielstaates zuteil wird und der Betroffene wirtschaftlich nicht in der Lage ist, die lebenswichtige medizinische Versorgung aus eigener Kraft sicher zu stellen. Das ist unter Auswertung der Rechts- und Sachlage der jeweiligen Staaten zu überprüfen.
Die Abschiebung eines staatenlosen Ausländers kann sich auch als unmenschliche Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK darstellen. Dieses wäre ein rechtliches Abschiebungshindernis gemäß Â§ 55 Abs. 2 AuslG.
Schließlich kann die Staatenlosigkeit zur Annahme eines tatsächlichen Abschiebungshindernisses gemäß Â§ 55 AuslG führen. Das ist der Fall, wenn der Herkunftsstaat nicht - mehr - bereit ist, den Betroffenen wieder aufzunehmen. Es gilt das völkerrechtliche Gewohnheitsrecht, daß Abschiebungen von Personen von einem Staat in den anderen nur mit Zustimmung des Zielstaates erfolgen dürfen. Lehnt dieser die (Wieder-) Aufnahme ab, besteht ein tatsächliches Abschiebungshindernis. Für die Frage des dauerhaften Verbleibs in der Bundesrepublik Deutschland ist in diesem Falle dann entscheidend, ob der Betroffene dieses Abschiebungshindernis in zumutbarer Weise - etwa durch Wiedereinbürgerungsanträge bei der Botschaft - beseitigen kann. Einige Staaten sehen eine solche Wiedereinbügerung gesetzlich nicht oder nur sehr eingeschränkt vor.
Aufenthaltsrechtlich problematisch ist die Zeit bis zur Feststellung der Staatsangehörigkeit/Staatenlosigkeit. Häufig werden Ausländer mit Laissez-Faire-Papieren abgeschoben, obwohl die Staatsangehörigkeit nicht geklärt ist. Laissez-Faire-Papiere bestätigen nur die Aufnahmebereitschaft des Staates, in den der Ausländer abgeschoben werden soll, treffen hingegen nicht notwendigerweise eine Aussage über die Staatsangehörigkeit. Die Staatsangehörigkeit ist Grundlage für die rechtlichen Behandlung des Betroffenen in vielen Rechtsbeziehungen. Meiner Auffassung stellt sich die Abschiebung von Personen mit ungeklärter Staatsangehörigkeit zumindest dann als unmenschliche Behandlung dar, wenn der mögliche Verlust der Staatsangehörigkeit nicht auf einem vorwerfbaren Verhalten des Betroffenenen beruht und er sich selbst redlich um die Klärung der Frage der Staatsangehörigkeit bemüht.
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Dieter
31.10.2003, 19:59
@ Baldur der Ketzer
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aus meinem Fundus |
-->Gruß Dieter
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