-->passsend zum leitthema des forums... ;)
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IG Farben ist pleite - Überbleibsel der IG Farben nimmt ein unrühmliches Ende
Frankfurt (AWP/sda/dpa) - Eines der dunkelsten und merkwürdigsten Kapitel der deutschen Wirtschaftsgeschichte endet in der Insolvenz. Mehr als 50 Jahre lang wurden die Reste des einst weltgrössten
Chemiekonzerns, der IG Farben, von so genannten «Liquidatoren» entflochten.
Kurz vor dem Abschluss der Liquidation ist die IG Farbenindustrie AG in Abwicklung (i.A.) - so die korrekte Bezeichnung des Unternehmens - bankrott. Die Aufgaben der Liquidatoren übernimmt künftig ein
Insolvenzverwalter.
Die Geschichte der IG Farben und das Drama um ihre Abwicklung bietet genug Stoff für einen Wirtschaftskrimi. Doch die Insolvenz zerrt nun auch ein anderes Unternehmen ins Rampenlicht, das in den
vergangenen Wochen schon mehrfach Negativ-Schlagzeilen machte: Den Frankfurter Immobilien- und Beteiligungskonzern WCM.
Die Liquidatoren der IG Farben werfen WCM vor, wegen eigener Zahlungsschwierigkeiten einen Vertrag zur Übernahme von knapp 500 Wohnungen nicht erfüllen zu können. Die Immobilien sind der letzte
Besitz der abzuwickelnden Firma. Ohne das Geld aus dem Verkauf droht jetzt die Zahlungsunfähigkeit.
Die Verknüpfung zwischen WCM und der IG Farbenindustrie i.A. hat eine längere Vorgeschichte. Durch eine spektakuläre Finanztransaktion löste sich die frühere Tochter WCM 1993 aus dem Unternehmen.
Parallel verringerte sich durch eine Ausschüttung der IG Farben, von der WCM nach Angaben der Liquidatoren ebenfalls profitiert hat, das verbliebene Kapital des Unternehmens drastisch. «Der viel
beachtete Aufstieg der WCM ist dadurch überhaupt erst möglich geworden», heisst es in einer Mitteilung der Abwickler.
Wie viel Geld am Ende von der IG Farben übrig bleibt, ist vor allem für die ehemaligen Zwangsarbeiter von Bedeutung, die der Konzern zu Zehntausendenden während des Nazi-Regimes ausgebeutet hat.
Auf Hauptversammlungen und auch wieder bei der Medienkonferenz am Montag mahnten Angehörige die historische Verantwortung des Unternehmens an. Durch die Insolvenz besteht nun die Gefahr, dass
Banken, Aktionäre und andere Gläubiger zuerst bedient werden und am Ende nichts übrig bleibt.
In eine Stiftung der IG Farben, die von der Pleite nicht betroffen ist, sind bisher etwas mehr als 250 000 Euro geflossen - das ist zu wenig, um aus den Zinseinnahmen angemessene Entschädigungen zu
zahlen.
Die WCM hatte sich als Nutzniesser der Transaktion 1993 acht Jahre später dazu bereit erklärt, den Immobilienbesitz der IG Farben i.A. zu einer vereinbarten Summe zu übernehmen. WCM bestreitet nun,
dass damals ein rechtsgültiger Vertrag zu Stande gekommen sei, und will die Wohnungen nur zu anderen Konditionen - sprich: einem niedrigeren Preis - übernehmen.
Ob dies der wahre Grund dafür ist, die Reste der IG Farben in die Insolvenz schlittern zu lassen, bleibt der Spekulation überlassen.
Die Banken erwarten derzeit von WCM ein tragfähiges Konzept zur eigenen Entschuldung. An der Börse zeigen sich die Investoren von den Zukunftsperspektiven des Unternehmens nicht überzeugt: Der
Kurs der WCM-Aktie brach bis zum Montagnachmittag um 9,42 Prozent auf 1,25 Euro ein.
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IG Farben - Rechtsstreit mit UBS war mit ein Grund für lange Liquidation
Bern (AWP/sda) - Ein Grund für die lange Dauer der Liquidation der IG Farben ist ein Rechtsstreit zwischen der IG Farben i.A. und der Schweizer Firma Interhandel. Die IG Farben i.A. versuchte während
Jahren an Vermögenswerte der früheren Tochter, die heute zur UBS gehört, zu kommen.
Die Beziehungen zwischen dem einstigen deutschen Chemie-Riesen IG Farben und der Interhandel, die 1967 der Bankgesellschaft/UBS einverleibt wurde, waren Gegenstand eines bis in die Gegenwart
andauernden Rechtsstreits sowie zahlreicher Spekulationen.
Es ging um die Frage, ob Interhandel im Krieg, trotz formeller Loslösung von der IG Farben 1940, weiterhin von diesem Nazi-freundlichen Konzern kontrolliert wurde und als Tarnfirma für ihn arbeitete.
Im Rahmen der Aufarbeitung der Beziehungen zwischen der Schweiz und Nazideutschland wurde in einer Studie der Bergier-Kommission eine Kontrolle der Schweizer Firma Interhandel durch den deutschen
Konzern IG Farben nach 1940 verneint. Interhandel hat aber eng mit IG Farben zusammengearbeitet.
Der deutsche IG-Farben-Konzern hatte 1928 die Finanzholding IG Chemie als Tochtergesellschaft in Basel gegründet, die sich 1945 in Interhandel umbenannte. In diese Filiale brachte der Chemiekonzern in
den Dreissiger Jahren zentrale Teile seiner internationalen Tochtergesellschaften ein, so die amerikanische GAF, wie der Historiker Mario König in seiner «Interhandel»-Studie darlegt.
Um nach Kriegsausbruch Gegenmassnahmen der Alliierten zu entgehen, brachen IG Chemie und IG Farben 1940 ihre Bindungen offiziell ab. Die USA trauten aber dieser Trennung nicht und
beschlagnahmten die GAF 1942 als «Feindvermögen».
1945/46 erstellte die Revisorenfirma Albert Rees einen Bericht über Verbindungen der IG Chemie/Interhandel zu Nazideutschland. Der Bundesrat weigert sich bis heute, diesen Bericht zu veröffentlichen. Er
erklärte lediglich, der Bericht zeige klar, dass es keine Beziehungen zwischen den beiden Unternehmen nach 1940 mehr gegeben habe.
Laut König blieb der Rees-Bericht in seinem Urteil letztlich unentschieden: Er lieferte zahlreiche Belege für enge Kontakte zwischen dem Basler Unternehmen und der IG Farben teils über 1940 hinaus, legte
aber keine Beweise für eine rechtliche Kontrolle und Steuerung der IG Chemie durch den deutschen Konzern vor.
Nach dem Krieg führte die Interhandel Prozesse um die beschlagnahmte GAF, wobei sie immer betonte, ab 1940 eine rein schweizerische Gesellschaft gewesen zu sein. 1963 kam es zu einem Vergleich, mit
dem Interhandel rund 122 Mio. Dollar von der aufgelösten GAF erhielt.
Die IG-Farben-Nachfolgerin «IG Farben AG in Abwicklung» versuchte in den Achtzigerjahren, in Prozessen gegen die UBS einen Teil des GAF-Erlöses zu erhalten, da die Interhandel auch nach 1940
treuhänderisch an die IG Farben gebunden gewesen sei. Obschon die IG Farben in Liquidation 1988 die Prozesse verlor, hielten einige Exponenten Forderungen an die UBS aufrecht.
Notiz: Mario König: Interhandel. Die schweizerische Holding der IG Farben und ihre Metamorphosen - eine Affäre um Eigentum und Interessen (1910-1999). Veröffentlichungen der UEK Band 2.
Chronos-Verlag. ISBN-Nr. 3-0340-0602-0. 412 Seiten.
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