-->HANDELSBLATT, Freitag, 14. November 2003, 16:49 Uhr
Kursverläufe sind Stimmungsbarometer der Massenpsychologie
Für Rohstoffe bricht eine neue Ära an
Von Heribert Müller
Das Zustandekommen von Kursen ist Ausdruck des Verhaltens von Menschen. Emotionen wie Hoffnungen und Befürchtungen, Vermutungen und Stimmungen reflektieren in Extremsituationen am Ende der Hausse eine Euphorie oder"Goldgräberstimmung" und am Ende einer Baisse eine Depression oder"Panik".
Diese Ereignisse werden dann besonders medienwirksam deutlich. Da sich Millionen von Anlegern an den Märkten"tummeln", können die Kursverläufe als Stimmungsbarometer der Massenpsychologie an den Märkten betrachtet werden.
Kurse entstehen durch Entscheidungen von Menschen, die diese auf Grund ihrer subjektiven Wahrnehmung, ihrer Erfahrung, Überzeugung und ihrer Stimmung treffen und als Kollektiv an den Börsen und Märkten immer"in Bewegung" sind. Kursverläufe sind deshalb die Folge der Stimmung der Marktteilnehmer und nicht umgekehrt. So führen beispielsweise steigende Kurse nicht etwa zu einer Verbesserung der Stimmung. Vielmehr ist ein zunehmender Optimismus bis hin zur Euphorie der Grund für ein Ansteigen der Kurse.
Dabei"zeichnen" die Marktteilnehmer sowohl in kurzen als auch in langen Zeitspannen natürliche und harmonische Verhaltensmuster, deren richtige Interpretation Aufschluss über die künftige Richtung und deren mögliche zeitliche und kursmäßige Dimension ermöglicht."Anleitungen" zur Interpretation von Verhaltensmustern finden sich im"Wellen-Prinzip", das unter Hinzuziehung elektronischer Analyse- instrumenten eine wesentliche Grundlage für die Arbeitsweise technisch orientierter Finanzanalysten ist.
Am Beispiel des bekannten Rohstoffindex CRB-Index können diese Erkenntnisse in klare Aussagen über die Zukunft der Rohstoffmärkte münden.
Der CRB-Rohstoffindex befindet sich im Frühstadium eines ausgeprägten Haussemarktes, dessen zeitliche und kursmäßige Dimension in den kommenden Jahren so manchen Marktteilnehmer überraschen dürfte. Die Begründung für diese Einschätzung liegt unter Anwendung und mit Hilfe der Regeln des Wellen-Prinzips in der Interpretation des bisherigen, langjährigen Marktverlaufs und den sich daraus ergebenden Perspektiven.
Zunächst erfolgte der letzte Haussemarkt in diesem Index in einer klaren 5-Wellen-Struktur, die vom 9. August 1968 (Indexstand: 95,20) bis zum 20. November 1980 (Index: 337,60) - also in 147 Monaten - zu beobachten war und damit in ihrer zeitlichen Dimension sehr nahe einer Fibonaccizahl von 144 kommt (siehe Schaubild). Der sich anschließende Bärenmarkt dauerte nahezu auf den Tag genau 21 (Fibo-) Jahre und korrigierte den vorausgegangenen Bullenmarkt mit einer fast unglaublichen Präzision im Verhältnis des"Goldenen Schnitts".
Dieser"Goldene Schnitt", der sich aus der Fibonacci-Zahlenfolge ergibt und sich als Quotient von 0,618 resp. 1,618 darstellt, gilt als eine harmonische und natürliche Proportion, die unter anderem in der Natur, Architektur und der Kunst wiederzufinden ist. Auch an den Börsen findet sich immer wieder mit verblüffender Präzision dieser"Goldene Schnitt" und diese natürliche Harmonie von Zeit und Kurs.
Insgesamt ist der letzte Bullenmarkt um 242,40 Indexpunkte gestiegen, woraus sich der"Goldene Schnitt" von 61,8% mit 149,80 Punkten errechnet (242,40 * 0,618 = 149,80). Vom Höchststand des letzten Bullenmarktes subtrahiert ergibt sich somit ein (rechnerisches) Korrekturpotential von 187,80 Indexpunkten.
Tatsächlich hat der Index am 22. Oktober 2001 mit 183,52 Punkten seinen Tiefstand für die vergangenen 21 Jahre erreicht, also mit einer unglaublichen Präzision und einer Abweichung von lediglich 2,30 % (und dies nach 21 Jahren!). Dies sind, neben den Signalen der allgemeinen Analyseinstrumente, die wichtigsten Gründe, warum das Ende des Bärenmarktes an den Rohstoffmärkten auf diesem Niveau und zu diesem Zeitpunkt prognostiziert wird.
Das Ende eines Bärenmarktes bedeutet den Beginn eines Bullenmarktes. So ist der Index seit seinem Tief - wohl"zur Überraschung" der meisten Marktteilnehmer - nicht nur inzwischen 36 % (Fibozahl=34) gestiegen, sondern er hat auch die 21-jährige Abwärtstrendlinie zum Jahreswechsel 2002/2003 deutlich nach oben durchbrochen.
Rohstoffe dürften erst am Beginn eines mehrjährigen Bullenmarktes stehen, so dass noch zu früh ist, seriöse Aussagen über die Dauer und das Kurspotenzial zu machen. Der Bullenmarkt wird uns ausreichend Zeit und"Botschaften" geben, im weiteren Verlauf seine Verhaltensmuster zu interpretieren und entsprechende Prognosen zu formulieren. Es gibt jedoch bereits heute einige Anhaltspunkte und Regeln, mit denen aktuell zuverlässige Prognosen abgegeben werden können. Alleine die nach der Fibonacci-Systematik mögliche maximale Korrektur (von 76,4 %) des letzten Bärenmarktes (1980 - 2001) würde für den Index ein Kursziel von rund 301 Indexpunkten und damit einen Kursanstieg vom Tiefstand des Bärenmarktes von recht präzisen 61,8 % ergeben (183,52 plus 61,8 % = 297).
Ist die Annahme eines Bullenmarktes richtig, dann sollte in den kommenden Jahren der bisherige Höchststand von 337,60 mit hoher Wahrscheinlichkeit überschritten werden. Ein Anstieg vom aktuellen Indexniveau von immerhin weiteren 35 %. Ein Blick auf den Kursverlauf der insgesamt 17 Indexkomponenten während der letzten Jahre zeigt, dass inzwischen nur 5 davon neue Höchststände erzielt haben.
Welche Gründe könnten heute für einen Anstieg der Rohstoffpreise in den kommenden Jahren sprechen?
Folgt man den eingangs gemachten Aussagen, so ist es ein zunehmender Optimismus der Marktteilnehmer, der sie aus welchen Gründen und Motiven auch immer veranlasst, einzelne Indexkomponenten zu kaufen. Die"Fundamentals" erfährt der Anleger"medienwirksam" erst zu einem viel späteren Zeitpunkt. Es ist deshalb interessant, zu wissen, wie sich der CRB-Index eigentlich zusammensetzt.
Alle 17 Komponenten sind mit 5,88 % gleich gewichtet. 52,92 % des Index setzen sich aus Agrarprodukten und Nahrungsmitteln (z.B. Kaffee, Kakao, Zucker, Weizen, Mais, Rindfleisch) zusammen, Weitere 17,64 % entfallen auf Energie (Erdöl und Heizöl sowie Erdgas) und 17,64 % Edelmetalle (Gold, Silber, Platin) sowie 11,76 % aus Kupfer und Baumwolle. Im Gegensatz zu anderen Rohstoffindizes erscheint diese Zusammensetzung ausgewogen. Dies dürfte ein Grund dafür sein, dass der CRB-Index der populärste Rohstoffindex ist und insgesamt große Aufmerksamkeit (angeblich auch bei einigen Zentralbanken) genießt.
Schließlich: Die einzelnen Indexkomponenten sind nicht schnell"herstellbar", um auf eine mögliche erhöhte Nachfrage reagieren zu können: Sie müssen entweder angebaut, geerntet und gezüchtet werden, wie das Rohöl in politisch brisanten Regionen erst einmal aus dem Boden gefördert werden und schließlich, wie die Edelmetalle, erst einmal"gefunden" werden muss. Mit Ausnahme von Erdöl kann bei keiner Indexkomponente die Produktion"einfach hochgefahren" werden. Der Lagerhaltung sind"natürliche" Grenzen gesetzt. Für viele der nicht vermehrbaren Indexkomponenten besteht schon heute eine starke Nachfrage vor allem aus China.
Wo liegen für den Anleger die Konsequenzen aus diesem Bullenmarkt in Rohstoffen? Sie sind heute weder für Verbraucher noch für die Zentralbanken in vollem Umfang abschätzbar, für Investoren bietet sich jedoch mit großer Wahrscheinlichkeit eine äußerst attraktive Anlagemöglichkeit. Es gibt viele überzeugende Gründe, zu glauben, dass dieses Jahrzehnt die"Ära der Commodities" wird. Ähnlich wie die 70er Jahre den Immobilienanlagen, die 80er Jahre den Renten und die 90er Jahre den Aktien gehörten.
Heribert Müller ist Vorstand der Heribert Müller Trust AG in Krefeld.
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