King Henry
23.11.2003, 04:37 |
Wachstum aus dem Osten? Thread gesperrt |
-->Hallo Forum!
Anläßlich der EU-Osterweiterung habe ich folgenden Gedanken:
Die neuen Mitleidsländer nehmen große Kredite auf und kaufen ganz groß bei uns ein (ähnlich wie 1990 die DDR).
(Boom bei Fendt, VW, MAN, Maschinenbau, Gerätebau, Konsumgüterindustrie - die haben ja was nachzuholen...)
Bürgen kann ja der Staat, Hauptsache, der Rubel rollt ;-)
Dann gibt es hier einen"Aufschwung","Wachstum","die Konjunkturlokomotive gewinnt an Fahrt" etc. - so lauten dann die Lobhudeleien der Politiker und Wirtschaftsbosse.
Tatsächlich wird es dadurch ein kleines Wachstum geben, ergo der Crash hinausgezögert (was mir ganz recht ist).
Meine Frage nun: Ist meine Überlegung richtig, das die Erweiterung in Wirklichkeit nur stattfindet, um damit das Wirtschaf anzukurbeln? Die wahren Gründe wären also finanzieller Art.
Was meint ihr dazu?
Beste Grüße
Henry
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Turon
23.11.2003, 05:32
@ King Henry
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Mal ein Tipp |
-->In Forum manchmal nach Turon´s Beiträgen suchen - die Idee habe ich schon mehrmals gebracht. ;) (Leider bisher ohne großartiger Resonanz, da das Forum
leider nicht bereit ist positive Aspekte der Osterweiterung anzusehen).
Und zwar aus folgenden Gründen:
Die Osterweiterung wird zur Abschaffung dortiger Währungen führen, es wird auch dort der Euro eingeführt. Aufgrund der Niedriglöhne ist schnell davon auszugehen, daß sich das Einkommen dort erhöhen wird (in Euro) und mehr Bargeld
nachgefragt wird.
Aus dem Grunde behaupte ich zumindest kurzfristig: der Euro wird dem Dollar noch lange überlegen sein, und sich demnächst voraussichtlich noch seine Stärke auch erhöhen. (über 1,50 bis 2 Euro) Schaut mal genau hin, wieviele Köpfe dort leben. Das ist ein Markt der zwar gesättigt ist, aber in drittklassige Produkte.
Der Osten ist weitgehend nicht mal ansatzweise so verschuldet wie der gesamte
Westen. Wie dem auch sei: Potentiale sind da, Polen zum Beispiel muß dringend neue Arbeitsplätze schaffen, und die Kredite und Mittelzuflüsse in den Osten
werden erhöhte Kaufnachfrage verursachen. (Hauptsächlich Technologie)
Ich sehe es insgesamt sehr positiv was in Europa passiert (wäre da nicht der amerikanische Demoklesschwert) - zumindest für die nächsten paar Jahre.
Dann gibt es da noch paar Kleinigkeiten: sehr gute Kontakte der Polen zu Weißrussen und überaschenderweise zu den Ukrainern.
Zusammengenommen:
Ja - die Aufnahme der neuen Länder in die EU hat was mit wirtschaftspolitischen Überlegungen zu tun, aber auch mit den Rentensituation in den westeuropäischen
Altenheimen (Sorry - ist nicht beleidigend gemeint).
Es gibt auch einen geostrategischen Ansatz dieser Expansion, es geht um die Rohstoffe aus dem kaspischen Meer (Ã-l) - allerdings ist das ungewiß, denn
hier liegt auch der Ansatz der geostrategischer Planung der amerikanischen Regierung (deswegen ist quasi der Balkan in den Händen von den Amis praktisch).
Für Europa sieht es alleine - ohne fremde Einflußnahme nicht so düster wie für USA. Trennen kann man jedoch beides nicht - glaube nicht daran, daß eine kommende amerikanische Rezession uns nicht trifft, ganz im Gegenteil.
Noch paar Antworten:
"...Boom bei Fendt, VW, MAN, Maschinenbau, Gerätebau, Konsumgüterindustrie - die haben ja was nachzuholen..."
Hochtechnologie etc.
"...Bürgen kann ja der Staat, Hauptsache, der Rubel rollt ;-)..."
Genau das ist geplant. Es ist ein europäischer Vorteil der EU, daß sie
damit aufkommende Inflation durchaus hinauszögern kann, weil sich ein verschuldungswilliger und verschuldungsfähiger Schuldner findet.
"...Dann gibt es hier einen"Aufschwung","Wachstum","die Konjunkturlokomotive gewinnt an Fahrt" etc. - so lauten dann die Lobhudeleien der Politiker und Wirtschaftsbosse....."
Kaum anders zu erwarten - sie haben ja immer daran geglaubt, und werden stolz darauf sein, uns das zu wiederholen, daß sie recht hatten.
"...Tatsächlich wird es dadurch ein kleines Wachstum geben, ergo der Crash hinausgezögert (was mir ganz recht ist)...."
Wenn uns ein Wallstreetcrash erwischt ist Europa noch durchaus in der Lage
nicht mit voller Wucht erwischt zu werden. Die Politik braucht jedenfalls diese
Expansion, wie die Bürger.
"...Meine Frage nun: Ist meine Überlegung richtig, das die Erweiterung in Wirklichkeit nur stattfindet, um damit das Wirtschaf anzukurbeln? Die wahren Gründe wären also finanzieller Art...."
Wie schon oben gesagt: ja die Erweiterung hat mehrere wirtschaftliche Aspekte
und ist nicht nur sinnvoll, sondern auch für West-EU die einzige Möglichkeit
halbwegs weiter zu so tun wie bis jetzt. Die EU bekommt mit den 10 Beitrittskandidaten quasi doppelt soviele Köpfe auf die man rein rechnerisch
die Verschuldung umlegen kann, dort wird auch Einkommenwachstum eine Weile
ansetzen - sprich - die Geldmengenausweitung um 90%, von der dottore mal was gesprochen hat ist für den Osten quasi schon verplant.
Rein debitistisch gesehen, ist es schon äußerst sinnvoll. Polen ist derzeit
mit etwa 70 Milliarden Euro verschuldet, Hat die Hälfte Einwohner Deutschlands.
Die haben noch sehr viel Spielraum dazu um sich so zu verschulden wie die Bundesrepublik.
Was meint ihr dazu?
Kurz. Wenn man in Europa Aufschwung will, dann ist das der einzige sinnvoller
Weg.
>Beste Grüße
>Henry
Auch von mir. Turon
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Emerald
23.11.2003, 07:10
@ King Henry
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Vielmehr: Re-Konstruierung des 'alten' Europas |
-->Die Ost-Erweiterung darf keines falls nur wirtschaftlich Aspekte haben. Ich
denke das Zusammenwachsen des alten Europas ist eine Entwicklung, welche gerade
im besten Moment abläuft. Die damit einhergehenden wirtschaftlichen Aspekte sind
allerdings das Schmier-Oel für viele westliche Firmen, welche nur noch im Osten
einen aufnahmefähigen Markt schaffen.
Im Gegenzuge bekommen wir sehr gut ausgebildete Menschen, welche zunächst bei
uns im Westen, später zu hause, oder in einem Nachbar-Staat, auch Russland,
ihre Ausbildung und ihre Resourcen zur Verfügung stellen wird. Die Motivation
der Lernwilligen ist m.E. viel höher als in vielen andern Ländern der Welt.
Von den sprachlichen Möglichkeiten ganz abgesehen.
Meiner Ansicht nach wird viel zu viel anti-europäisch geschrieben über die
EU-Erweiterung. Vor allem gewisse Oekonomen sehen wieder einmal 180° verkehrt.
Hier tun sich Welten auf, welche nebst kulturellen, wirtschaftlichen,
politischen Aspekten, vor allem auch für die dort lebenden Menschen eine
verdiente Perspektive eröffnet. Dazu braucht es begreiflicherweise viele Jahre,
wenn nicht Generationen des Zusammenwachsens. Die Systeme haben uns aber auch
unsere Freunde im Osten geprägt.
Dass in einem solchen Prozess auch im Westen (EUropa vor 1989) Abstriche von
Nöten sind muss jedem vernünftigen Menschen einleuchten. Ich meine die gegen-
wärtig krisengeschüttelte Wirtschaft und die polit. Unwägbarkeiten bzw.
Bankrott-Anmeldungen bedürfen richtiggehend einer Neu-Ausrichtung: Diese kann
nur Richtung Ost-Europa/Russland sein und nicht nach den fernen USA, welche
uns mit einer Nachhaltigkeit sondergleichen das 'Ueber-den-Tisch-Ziehen'
vorgeführt haben.
Die grosse Gefahr liegt höchstens darin, dass durch zu langes Zögern des westl.
Europas bzw. die lauwarmen Absichten desselben, andere in die Lücke springen
lassen, welche mit 100%iger Sicherheit eine Aushöhlung und Uebervorteilung
im Sinne haben.
Es muss in unseren Köpfen beginnen und jede(r) sollte sich schon heute nicht
erst morgen mit dem Welcome-Gedanken anfreunden. Wir können auch hier nicht
auf unsere Regierungen warten, diese denken oftmals in kontraproduktiven
Koordinaten: Lohn-und Preis-Dumping, Subventionen, Verlust von EU-
Unterstützungen aus Brussel usw usw.
Im Tourismus haben schon viele gemerkt wie einmalig schön es in diesen Ländern
ist, jetzt müssen wir auch dazu übergehen die wartenden Menschen in unsere
Gemeinschaft aufzunehmen!
Emerald.
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