-->Schröders peinliches PlĂ€doyer fĂŒr einen strauchelnden Riesen
Markus Koch, Wall Street Correspondents
21. November 2003
Eine weiĂe Fahne hĂ€tte es nicht getan. Bundeskanzler Schröder hĂ€tte sich am Donnerstag wohl in eine weiĂe Toga gehĂŒllt, wĂ€re der Abend im New Yorker Grand Hyatt nicht eine"Black Tie Affair" gewesen. Doch auch in Schwarz biederte sich Schröder grenzenlos an - beim noch immer gekrĂ€nkten Partner USA und bei Citigroup-Chef Sandy Weill.
Schröder war gekommen, um den gestrauchelten Wall-Street-Giganten mit dem"World Leadership Award" des American Institute of Contemporary German Studies auszuzeichnen. Zu keinem Zeitpunkt wurde dabei klar, warum ausgerechnet Weill diese bedeutend klingende Auszeichnung erhalten solle. Bisher hatte das Institut aus Washington, D.C. stets deutsche Star-Manager wie Heinrich von Pierer, Rolf Breuer und JĂŒrgen Schrempp ausgezeichnet. Weill lieĂ sich da nur schwer einordnen.
Sicher, der ehemalige CEO der Citigroup ist ein groĂer WirtschaftsfĂŒhrer. Aus kleinen VerhĂ€ltnissen kommend - ganz wie der Kanzler - arbeitete er sich ĂŒber Versicherungen, Banken und schlieĂlich die Travelers Group bis an die Spitze der weltgröĂten Bank und in eine Position, in der er die amerikanische und internationale Wirtschaft auch nachhaltig beeinflussen konnte.
Dass Weills Expertise in den AufsichtsrÀten dreier Dow-notierter Konzerne (AT&T, DuPont, United Technologies) gehört wird, und dass er an George W. Bushs Business Roundtable sitzt, unterstreicht seine Bedeutung und seine QualitÀten.
Dennoch ist nicht klar, warum das Institut und warum der Bundeskanzler ausgerechnet jetzt einen Mann ehren, der mit am tiefsten in die noch lange nicht vergessenen Skandale an der Wall Street verstrickt war. Der lĂ€ngst bewiesene Betrug des einst angesehenen Telekom-Analysten Jack Grubman war bekanntlich direkt von Sandy Weill gedeckt, dessen Citigroup als Mutterkonzern ĂŒber Grubmans Arbeitgeber Salomon Smith Barney stand.
Dass sich der CEO im Gegensatz zu zahlreichen namhaften Kollegen keiner Klage gegenĂŒber sieht, ist unverstĂ€ndlich. Allerdings hat sich Weill im Oktober diesen Jahres durch seinen offiziellen RĂŒcktritt als CEO auch geschickt aus dem Rampenlicht verabschiedet. Zwar hĂ€lt er als Chairman der Citigroup noch bis mindestens 2006 die FĂ€den in der Hand, in der direkten Schusslinie steht er aber nicht mehr.
Umso erstaunlicher ist, dass sich Weill nun so schamlos auszeichnen lieĂ. Dass sich Gerhard Schröder unterdessen in eine Lobhudelei verstrickte, die alle bisher gehörten Hymnen in den Schatten stellte, ist schlicht nicht nachvollziehbar.
"Du hast diesen Preis verdient", lobte Schröder."Denn dein kooperatives Handeln war nicht nur am Gewinn orientiert, sondern auch an moralischen Werten. Da macht es nichts, dass man auch eines der profitabelsten Unternehmen fĂŒhrt." Hohe moralische AnsprĂŒche und hohe Gewinne"mĂŒssen kein Widerspruch sein, ja, dĂŒrfen kein Widerspruch sein."
Der Weinliebhaber und Lebemann Schröder lobte im weiteren Verlauf den Weinliebhaber und Lebemann Weill fĂŒr dessen starkes soziales Engagement. Das kann man dem Manager auch nicht absprechen. Weill finanziert mehrere KrankenhĂ€user und Stiftungen, er sammelt fĂŒr die Carnegie Hall und ist Direktor des Bostoner Symphonieorchesters, er unterstĂŒtzt Arbeitsgruppen in der Kinderversorgung und zahlt fĂŒr Schulen in New York City.
Doch kann alles Engagement nicht darĂŒber hinweg tĂ€uschen, dass Weill seine Millionen nicht immer mit den saubersten Methoden verdient. Und fremdes Geld spendet sich leichter. Das wissen auch andere CEOs: Der ehemalige GE-Chef Jack Welch kann auch als Rentner groĂzĂŒgig Spenden und Trinkgelder verteilen - er bekommt bis zu 100 000 Dollar pro Jahr erstattet.
Weill zu ehren, war indes nicht Schröders einziges Ziel. Der Kanzler wollte auch fĂŒr seine"Agenda 2010" werben, und ein Lob des Freundes von der Wall Street tat ihm sichtlich gut.
Schröder erzĂ€hlte dann noch ein wenig von Deutschlands ExportstĂ€rke, von den wertvollen Handelsbeziehungen zu den USA, schĂ€kerte und kalauerte durch einige Anekdoten, um dann - im Tonfall Helmut Kohls - die persönliche Freundschaft zwischen Deutschland und Amerika zu loben. Dies geriet zu einem der peinlichsten Momente eines ohnehin wenig glaubwĂŒrdigen Abends.
Von anti-amerikanischen Tendenzen in Deutschland zu sprechen sei"der gröĂte Unsinn, den man ĂŒberhaupt erzĂ€hlen kann", meinte der Kanzler. Anstatt auch nach dem Irak-Konflikt auf unterschiedliche Stimmungen in beiden LĂ€ndern und auf zumindest Amerika-kritische Stimmen hinzuweisen, verabschiedete sich der Kanzler fĂŒr einen Moment in ein Parallel-Universum: Die Deutschen, und vor allem die deutsche Jugend, orientiere sich nach wie vor mit höchster Konzentration und Zuneigung auf ein unendlich bewundertes Amerika, faselte der Kanzler. Dabei sei die Ausrichtung ins Gelobte Land manchmal schon"zu stark, denn dabei werden eigene deutsche Werte zurĂŒck gestellt."
Einige Zuhörer, die aus Deutschland zugereist waren und der Rede zuhörten, stöhnten hörbar auf.
Schröder muss gemerkt haben, dass sein Auftritt alles andere als glanzvoll war. Nach dem Schlusswort verabschiedete er sich knapp von seinen Tischnachbarn und eilte ohne ein weiteres Wort und mit grimmigem Gesicht aus dem Saal.
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