-->Karl Kockroach & Ronald Rippchen
Die Deutsche Kakerlake
Die Mehrzahl der Erdenbewohner war sechsfüßig. Sie trugen ihre Territorialkämpfe aus, stritten sich politisch, führten Kriege und lebten in einem Kastensystem. Ihre Intelligenz reichte aus, um auf einem unterentwickelten Planeten mehrere Millionen Jahre zu überleben. Doch wir interessieren uns hier nicht für die Mehrzahl der Erdenbewohner, sondern es geht uns um eine kleine Minderheit - die domestizierten Primaten, die Städte bauten und Symphonien schrieben, die Dinge wie TicTacToe erfanden und die Integralkalkulation. Zur Zeit unserer Geschichte hielten sich diese Primaten für die Erdenbewohner schlechthin. Die sechsfüßige Mehrheit und andere Lebensformen auf ihrem Planeten waren ihnen nur selten einen Gedanken wert. Die domestizierten Primaten der Erde sprachen abfällig von der sechsfüßigen Mehrheit. Sie nannten sie 'Käfer'. (Robert Anton Wilson)
Botschaft der Kakerlake an den Menschen
Dieses Buch entstand aus dem innigen Wunsch, meine Familie und Rasse in der Realität der Humanoiden zu rehabilitieren. Wir Sechsbeiner haben bei euch Menschen ein - irrtümlich - schlechtes Image, so dass wir uns notgedrungen Gedanken darüber machen mussten, wie man das korrigieren könne. Frag' dich doch mal selber, wie du für uns empfindest, was du fühlst, wenn du einen oder mehrere von uns siehst. Bekommst du eine Gänsehaut? Angst? Wird dir unwohl? Könntest du einen von uns mit der bloßen Hand töten? Oder gar essen? Fühlst du dich überlegen oder hast du Minderwertigkeitsgefühle?
Wir sind ganz alte Seelen. Wir waren schon hier, als sich die Kontinente formten, als die Dinosaurier kamen und gingen, als sich die schlauesten Affen so langsam auf den Weg machten, zum homo sapiens zu mutieren, der für viele von uns zum besten Freund und schlimmsten Feind zugleich wurde. Wir mögen die Menschen. Sie haben uns im Laufe ihrer recht jungen Geschichte mehr neue Lebensräume erschlossen als andere Wesen zuvor. Sie versorgen uns mit Nahrung & Wohnraum, und wir wollen nicht, dass sie sich aus falschem Ekel und Hass in jene Mörderhorden verwandeln, die heute hinter uns her sind. Wir sorgen uns weniger um unser Überleben, denn das scheint allemal weit über das Leben der menschlichen Rasse hinaus gesichert, aber wir sorgen uns um das Karma der Menschheit. OK, zugegeben, auch bei uns gibt es ein paar Perverslinge, die ihren Spaß daran haben, Menschen zu erschrecken und zum Kreischen zu bringen. Aber dabei handelt es sich nur um wenige Radikalinskis, wie man sie überall findet. Wenn ich 'Wir' sage, meine ich damit vor allem die Deutsche Kakerlake, aber auch unsere Verwandten in den USA, Mexiko, dem Orient, Madagaskar und anderswo. Ursprünglich stammen wir ja wie der Mensch aus Afrika (siehe Seite 50 ff.), und nur ca. 50 der rund 4000 Kakerlaken-Stämme kommen überhaupt in Kontakt mit dem Menschen. Als häusliche Untermieter des Menschen ließen sich in Europa nur vier Arten nieder.
Wie kommt es nur, dass uns der Mensch, hm, schäbig findet, sich vor uns ekelt? Nur weil wir mehr Beine haben? Den Schabernack lieben? Weil es uns als Rasse schon mindestens 100 mal länger auf diesem Planeten gibt als den homo sapiens? Ist es also blanker Neid oder müssen wir als Symbol für deine Urängste herhalten?
Immerhin waren wir schon bevor der Mensch Abfälle hinterließ der geborene Recycler auf diesem Planeten: Eure Abfälle sind unser Festmahl, im Regenwald sorgen wir schon immer für die Humusbildung. Habt ihr ein schlechtes Gewissen? Warum haben uns die Grünen nicht zu ihrem Wappentier gemacht? Sind wir nicht nützlicher und nahrhafter als Sonnenblumen? Zugegeben, erst der Mensch hat uns zu wahren Kosmopoliten gemacht. Wir haben geschafft, was der Deutschen Wehrmacht glücklicherweise versagt blieb: die Eroberung der ganzen Welt. Ihr habt uns mit euren Schiffen und Flugzeugen sehr dabei geholfen. Deutsche Touristen imitieren uns inzwischen sogar. Sie hinterlassen uns ihren Dreck an jedem Strand der Welt. Danke. In ihrem Reisegepäck helfen sie unseren Verwandten aus anderen Teilen der Welt, zu uns zu kommen. Ohne des Menschen Hilfe wären wir niemals so weit herumgekommen. Nochmals: Danke!
Wir sind wahre Sozialisten, wobei nicht zuletzt unser wachsender Widerstand zum Fall des selbstsüchtigen Regimes in der DDR beitrug (Seite 110). Na, eigentlich sind wir Basisdemokraten, leben in ur-traditionellen Clans - ohne Königin oder ähnliche Autoritäten, wie bei unseren entfernten Verwandten, den Termiten und Ameisen.
Kaum ein Lebewesen ist gefühlsempfindlicher als wir, mit unseren ungezählten Tastorganen und Antennen an den Fühlern und anderswo. Wir sind wahre Sensibelchen. Wir verschwinden, wenn ihr das Licht anmacht? Fehlanzeige. Wir verschwinden schon, wenn wir den Lufthauch spüren, der von eurer Hand ausgeht, wenn sie zum Lichtschalter greift (Seite 46). Unser Liebesspiel ist einmalig. Wenn wir erst mal heiß sind, dann gibt es kein Entkommen mehr (Seite 56). Hey, Jungs, Penisneid?
Zugegeben, wir haben eine Schwäche für Drogen, die Mexikaner verehren uns mit dem Lied La Cucaracha. (Seite 113 ff.). Leider wurde der deutsche Text grob verfälscht. Ist schon OK, wir haben ja auch nichts gegen Alkohol. Mit einem Tropfen Bier kann man einige von uns in gute Laune versetzen. Wir trinken gerne eure Reste weg. Und musikalisch sind wir auch. Es geht das Gerücht um, wir seien schmutzige Viecher? Einspruch Euer Ehren! Wir halten uns selber super-sauber (Seite 47/48.). Nur, wenn wir auf der Suche nach Delikatessen durch eure Abfälle huschen und dabei etwas von euerm Dreck verteilen, schreit ihr gleich: dreckige Kakerlaken! Hey, das ist euer Dreck! Wir würden Krankheitskeime übertragen? Na, also wirklich nur dort, wo der Mensch welche für uns offen zugänglich ablegt. Gebrauchte Tupfer im Krankenhaus sind mitunter sehr lecker. Aber, zugegeben, wir haben keine Ahnung, was davon für den Menschen schädlich ist. Kein böser Wille. Wir wissen wirklich nicht, wie wir vielen Menschen so eine Paranoia einjagen. Was wir aber wissen ist, was der Mensch mit uns treibt. Er züchtet uns als Futter für andere Tiere im Zoo und künftig auch für sich selber. Wir sind nahrhaft und gesund, eiweißhaltig und schmackhaft. Das wissen wir auch, da wir ja oft unsere Toten ehrenhaft verzehren, bevor wir sie eurer Müllabfuhr überlassen.
Aber kein Tier, außer der armen Stubenfliege, wird vom Menschen in solch einem großen Umfang gevierteilt, geköpft, gequält wie wir. Wobei euch die Stubenfliege mehr Schaden zufügt als wir. Was ihr uns antut ist unbeschreiblich. Als meistgeliebte Forschungsobjekte werden wir über unseren Tod hinaus absolut ausgebeutet. Richtig: Man köpft uns, um festzustellen, wie lange wir ohne Kopf funktionieren, wie lange wir ein Erinnerungsvermögen haben! (Seite 93) Jedenfalls funktionieren wir kopflos viel besser und länger als ein enthaupteter Mensch. Auch auf diesem Gebiet haben wir euch etwas voraus. Uns ist jedoch noch nicht so richtig klar, warum dieses grausame Erforschen für euch so wichtig ist. OK, ihr wisst nun auf Grund eurer Kakerlaken-Beobachtungen, wie man bessere Roboter baut (Seite 97). Und inzwischen habt ihr es auch geschafft, uns experimentell mit Krebs zu infizieren. Pfui! Aber ist das ein Grund, zu versuchen, uns flächendeckend zu killen? Wir, wir kitzeln euch höchstens und schon geratet ihr in Panik. Ihr gebt Milliardensummen aus, um uns zu vernichten, obwohl ihr wisst, dass dies ein sinnloses Unterfangen bleiben wird. (Seite 101 ff.) Eines eurer schäbigsten Mittel ist ein Pulver, das uns Kakerlakenmännchen nach dem Liebesakt sterben, und unsere Nachkommen behindert und nicht überlebensfähig zu Welt kommen lässt. Sowas kann doch nur einem kranken Gehirn entspringen. Absolut skandalös finde ich, dass selbst die größten sogenannten Tierschützer das toll finden. Hey, ich weiß, wir sind keine schnuckeligen Pandas oder majestätischen Wale, aber immerhin gehören wir zu den wenigen überlebenden Ureinwohnern dieser Erde. Wir sind lernfähig. Wir kennen keine Tabus. Wir fressen eure Killerpulver so lange, bis wir, spätestens nach ein paar Generationen, dagegen resistent sind. Neidisch, weil euch das mit euren Zigaretten nicht so leicht gelingt? Ich hoffe, ihr seid bald resistent gegen eure Kakerlaken-Phobie. Denn eines müsst ihr einfach akzeptieren: Uns gab es nicht nur schon ein paar Hundert Millionen Jahre vor euch, uns wird es auch noch lange nach euch geben. Egal, wie ihr euch und diesen Planeten vergiftet. Wie sagte es ein Kollege von mir:"Euer Großhirn hat euch zwar all das zugegeben imponierende Menschenwerk ermöglicht, es hat euch aber nicht die Mittel und Weisheit beschert, euch dauerhaft auf der Erde einzurichten. Wohl habt ihr die von euch selber heraufbeschworenen Gefahren erkannt und sogar deren Bedrohlichkeit in den düstersten Farben beschrieben, doch habt ihr nicht vermocht, sie zu bannen. Den schönen Planeten habt ihr ausgeplündert und vergiftet, und mit eurer Massenvermehrung schaufelt ihr euch nun selbst das Grab. Ihr hättet es eigentlich gar nicht verdient, auf der Erde zugelassen zu werden." Und was sagt ihr dazu?"Es war uns wichtiger, verehrter Kakerlak, eine kurze Zeit in Saus und Braus zu leben, als Jahrmillionen in Dunkelheit nach Abfällen zu suchen auf einer Erde, die mehr als dies zu bieten hatte...". So arrogant sind, zumindest auf dem Planeten Erde, nur die Menschen. Wer Schaben hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. Wir sind in nichts Spezialisten, das war bis vor kurzem bei euch ebenso. Wir sind die ultimativen Surviver, das scheint bei euch anders zu sein. Wir überleben alles, daher wäre es besser, ihr würdet von uns lernen, bevor ihr euch daran aufgeilt, uns generationenlang zu verfolgen. Das nutzt euch allemal nix. Wir müssen eure Zukunftsängste ernst nehmen, schließlich sind inzwischen Milliarden von uns von der menschlichen Zivilisation abhängig. Was nützt es uns, wenn wir atomaren Fallout und das Ozonloch überleben, aber keine versifften Wohnungen, Cola-Abfüllstationen oder Großküchen mehr zu unserer Verfügung haben? Wer von uns will nach all diesem Luxus schon zurück in den Dschungel?
So haben wir uns kurz vor der Jahrtausendwende zu einer Medienoffensive entschieden. Immer häufiger tauchen wir in den Medien auf: In Videoclips, Büchern, Naturfilmen, ja selbst Spielfilmen (siehe auch in MTVs erstem Spielfilm, Joe's Appartment) und als hochgelobtes Computerspiel (Bad Mojo). So hoffen wir, das Verständnis und die Sympathien der Menschenjugend der Welt zu gewinnen.
Und selbst, wenn dies nicht klappt: We shall overcome.
Karl Kockrotsch
(Im Jahr 350.001.997, nachdem sich unser erster Vorfahr in Bernstein beerdigen ließ)
PS.: Da ich davon ausgehe, dass sich ein Mensch nicht von einer Kakerlake, und sei es einer Deutschen, belehren oder gar bekehren lässt, habe ich dieses Buch durch Ronald Rippchen ghostwriten lassen, das Vorwort ist quasi gechannelt. (Jaja, wir setzen große Hoffnungen in ein friedvolles NewAge!). Wir haben ihn gewählt, weil er das La Cucaracha Lied so liebt und sich für die Unterdrückten einsetzt. Right on Ronny, smoke that roach & tell it, like it is!
ISBN 3-925817-75-1, 144 Seiten 20x20 cm, fadengeheftet, 10 EURO
<ul> ~ Hier ist's her</ul>
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