Galiani
24.11.2003, 19:25 |
nochmals (weil es mir wichtig erscheint): Zur Wertbegründung des Rechtes Thread gesperrt |
-->Hallo nochmals
(nur damit dieses Posting, für das ich mir Zeit genommen habe und das mir beim jetzigen Stand der Diskussion wichtig zu sein scheint, nicht etwa untergeht)
Die Kritik dottore's an einer naturrechtlichen Begründung der Rechtsordnung läuft in ihrem Kern auf folgenden Gedankengang hinaus:
Das Naturrecht würde dadurch in Konkurrenz zu dem vornehmlich durch den Staat gesetzten und von ihm garantierten positiven Recht als ein Normenkomplex unmittelbarer rechtlicher Geltung postuliert; gleichsam als konkurrierendes positives Recht höherer Geltungskraft.
So gesehen würde das Naturrecht tatsächlich nicht als Promotor, sondern als Störfaktor des öffentlichen Friedens, den die Rechtsordnung letztlich zu sichern hat, erscheinen. Naturrecht würde sich so von den institutionellen und prozeduralen Bedingungen des geltenden Rechts lösen. Dies würde - da hat dottore Recht! - insbesondere die für die Rechtsordnung als Friedensordnung unerläßliche Vorstellung von der Existenz einer inappellablen letzen Entscheidungsinstanz im Rahmen der Rechtsordnung unterminieren.
Eine solche Sicht der Dinge entspricht indes nicht der modernen Anschauung dieses Gegenstandes durch die Rechtsphilosophie.
In dieser modernen Sicht kann das Naturrecht nicht mehr als Katalog präexistenter Rechtsnormen im Sinne des auf positive, sanktionsbewehrte Geltung angelegten Rechtsbegriffes verstanden werden. Das Naturrecht ist vielmehr eine <font color=#FF0000>Denkweise der praktischen Vernunft</font>, die darauf gerichtet ist, die geltenden rechtlichen Handlungslegitimationen am Maßstab der fundamentalen Lebenszwecke der Menschen und ihrer Verwirklichung zu überprüfen und dementsprechend Kritik, Fortbildung und auch Legitimation des bestehenden Rechtes hervorzurufen. Das Naturrecht wird (in dieser modernen Sicht) somit als <font color=#FF0000>Auseinandersetzung mit dem von Natur aus Rechten und"Gerechten"</font> verstanden; als Grundlage und Inhalt des geltenden positiven Rechtes.
Damit wird auch die inhaltliche Legitimation des Rechtes, deren Notwendigkeit diesem immanent und eine Bedingung seiner sozialen Geltung ist, nicht auf willkürliche Setzungen durch eine von dottore nur unzureichend definierte"Macht", sondern auf Vernunfteinsicht und eine rationale Teleologie des menschlichen Zusammenlebens gegründet.
Dazu ein Beispiel, wie sich das <font color=#FF0000>von Natur aus Rechte</font> vom (früheren; orthodoxen) Naturrecht unterscheidet:
Es ist die erste Forderung aus der Einsicht in die Bedingungen des Lebenkönnens und der Freiheit der Menschen, daß sie sich ungeachtet ihrer Subjektstellung in der"Machthierarchie" einer gemeinsamen öffentlichen Zwangsgewalt, dem Status civilis, unterwerfen. Nicht, damit der Machthalter leichter und umfangreicher Abgaben abschöpfen könne, sondern um per Gesetz einen Friedenszustand zu schaffen, der es allererst ermöglicht, <font color=#FF0000>die Frage nach dem von Natur aus Gerechten</font> erfolgreich zu stellen und voranzubringen.
Das haben Hobbes und Kant, jeweils von verschiedenen Ausgangspunkten, mit zwingender Überzeugungskraft dargetan. Wobei sich zugegebenermaßen die Sicht von Hobbes als anfälliger erwiesen hat, von der Macht mißbraucht zu werden.
Gruß
G.
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R.Deutsch
24.11.2003, 20:31
@ Galiani
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@Galiani |
-->Lieber Galiani,
setzen Sie den Beitrag doch ins Roth Forum. Dort ist er besser aufgehoben.
Gruß
RD
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Bob
24.11.2003, 20:55
@ Galiani
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Re: nochmals (weil es mir wichtig erscheint): Zur Wertbegründung des Rechtes |
-->>Hallo nochmals
>(nur damit dieses Posting, für das ich mir Zeit genommen habe und das mir beim jetzigen Stand der Diskussion wichtig zu sein scheint, nicht etwa untergeht)
>Die Kritik dottore's an einer naturrechtlichen Begründung der Rechtsordnung läuft in ihrem Kern auf folgenden Gedankengang hinaus:
>Das Naturrecht würde dadurch in Konkurrenz zu dem vornehmlich durch den Staat gesetzten und von ihm garantierten positiven Recht als ein Normenkomplex unmittelbarer rechtlicher Geltung postuliert; gleichsam als konkurrierendes positives Recht höherer Geltungskraft.
>So gesehen würde das Naturrecht tatsächlich nicht als Promotor, sondern als Störfaktor des öffentlichen Friedens, den die Rechtsordnung letztlich zu sichern hat, erscheinen. Naturrecht würde sich so von den institutionellen und prozeduralen Bedingungen des geltenden Rechts lösen. Dies würde - da hat dottore Recht! - insbesondere die für die Rechtsordnung als Friedensordnung unerläßliche Vorstellung von der Existenz einer inappellablen letzen Entscheidungsinstanz im Rahmen der Rechtsordnung unterminieren.
>Eine solche Sicht der Dinge entspricht indes nicht der modernen Anschauung dieses Gegenstandes durch die Rechtsphilosophie.
>In dieser modernen Sicht kann das Naturrecht nicht mehr als Katalog präexistenter Rechtsnormen im Sinne des auf positive, sanktionsbewehrte Geltung angelegten Rechtsbegriffes verstanden werden. Das Naturrecht ist vielmehr eine <font color=#FF0000>Denkweise der praktischen Vernunft</font>, die darauf gerichtet ist, die geltenden rechtlichen Handlungslegitimationen am Maßstab der fundamentalen Lebenszwecke der Menschen und ihrer Verwirklichung zu überprüfen und dementsprechend Kritik, Fortbildung und auch Legitimation des bestehenden Rechtes hervorzurufen. Das Naturrecht wird (in dieser modernen Sicht) somit als <font color=#FF0000>Auseinandersetzung mit dem von Natur aus Rechten und"Gerechten"</font> verstanden; als Grundlage und Inhalt des geltenden positiven Rechtes.
>Damit wird auch die inhaltliche Legitimation des Rechtes, deren Notwendigkeit diesem immanent und eine Bedingung seiner sozialen Geltung ist, nicht auf willkürliche Setzungen durch eine von dottore nur unzureichend definierte"Macht", sondern auf Vernunfteinsicht und eine rationale Teleologie des menschlichen Zusammenlebens gegründet.
>Dazu ein Beispiel, wie sich das <font color=#FF0000>von Natur aus Rechte</font> vom (früheren; orthodoxen) Naturrecht unterscheidet:
>Es ist die erste Forderung aus der Einsicht in die Bedingungen des Lebenkönnens und der Freiheit der Menschen, daß sie sich ungeachtet ihrer Subjektstellung in der"Machthierarchie" einer gemeinsamen öffentlichen Zwangsgewalt, dem Status civilis, unterwerfen. Nicht, damit der Machthalter leichter und umfangreicher Abgaben abschöpfen könne, sondern um per Gesetz einen Friedenszustand zu schaffen, der es allererst ermöglicht, <font color=#FF0000>die Frage nach dem von Natur aus Gerechten</font> erfolgreich zu stellen und voranzubringen.
>Das haben Hobbes und Kant, jeweils von verschiedenen Ausgangspunkten, mit zwingender Überzeugungskraft dargetan. Wobei sich zugegebenermaßen die Sicht von Hobbes als anfälliger erwiesen hat, von der Macht mißbraucht zu werden.
>Gruß
>G.
Hallo Galiani,
es verhält sich im Detail so:
Die Natur gehört der sog. Freizeitklasse an, während das gesatzte Rechte der Arbeiterklasse angehört.
Naturrecht -> Freizeitklasse
staatliches Recht -> Arbeiterklasse
Wenn eine gegebene Ordnung sich erschöpft hat, dann erschallt der Ruf"Zurück zur Natur!". Als sich der Absolutismus erschöpft hatte, kam Rousseau und sagte"Zurück zur Natur!". Bekanntermaßen resultiert die Innovation aus der Freizeit.
Rousseau ging auf irgendwelchen Wiesen spazieren und erkannte da in großer Klarheit, wie das neue Recht aussehen müßte. Wenn er den ganzen Tag in einer Kanzlei gearbeitet hätte, wäre er nie darauf gekommen. Außerdem: wenn er nur 50 Jahre früher auf den Wiesen spazieren gegangen wäre, so hätte er die Zusammenhänge auch nicht erkannt.
Die Natur steht also hier für die Erneuerung des Rechtes. Man hat das Naturrecht genannt, um Freizeit zu evozieren und der ganzen Idee mehr Appeal zu verschaffen. Nun sind zweihundert Jahre vergangen und das anfänglich als Freizeit entstandene Recht ist im wahrsten Sinne des Wortes"verarbeitet" worden, das erkennt man auch an der um sich greifenden Proletarisierung des Juristenstandes.
Das sog. Naturrecht ist also in erster Linie"neues" Recht und als solches tendenziell revolutionär. Die"fundamentalen Lebenszwecke der Menschen und ihre Verwirklichung" (die"Werte") sind im Laufe der Zeit Veränderungen unterworfen. Eine Rechtsidee kann daher nicht für alle Zeit als"Naturrecht" qualifiziert werden. Sondern das Naturrecht selbst ist je nach den Verhältnissen ein anderes gewesen.
tschüß
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Tassie Devil
25.11.2003, 02:15
@ Bob
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Re: Hupen |
-->Hi Bob,
>es verhält sich im Detail so:
>Die Natur gehört der sog. Freizeitklasse an, während das gesatzte Rechte der Arbeiterklasse angehört.
>Naturrecht -> Freizeitklasse
>staatliches Recht -> Arbeiterklasse
>Wenn eine gegebene Ordnung sich erschöpft hat, dann erschallt der Ruf"Zurück zur Natur!". Als sich der Absolutismus erschöpft hatte, kam Rousseau und sagte"Zurück zur Natur!". Bekanntermaßen resultiert die Innovation aus der Freizeit.
Und was schliessen wir daraus?
Naturrecht war, ist und bleibt das allererste Recht, das es je gegeben hat, es ist naturgegeben und kommt mit dieser einher, eine naturgegebene Symbiose.
Dabei ist es vollkommen wurscht, ob dieses Faktum"wissenschafts-"bekannt ist oder nicht, es ist da und funktioniert, vergleichlich mit den funktionierenden Naturgegebenheiten, die erst jahrtausende spaeter per Mathematik, Physik und Chemie wissenschaftlich erklaert werden, manchmal jedoch bleibt es bei dem Versuch der Erklaerung. Die Natur funktioniert eben auch ohne Wissenschaften und kluge Professoren.
Im uebrigen, wenn der Ruf"zurueck zur Natur" richtig ist, dann muss Natur zeitlich vor der gegebenen Ordnung liegen, die sich erschoepft hat bzw. die erschoepft wurde, denn man kann nur dann zu etwas zurueckkehren, wenn dieses etwas zuvor ein Ausgangspunkt war, ansonsten ist ein zurueck zu dem etwas nicht moeglich, weil man nie zuvor dort war.
>Rousseau ging auf irgendwelchen Wiesen spazieren und erkannte da in großer Klarheit, wie das neue Recht aussehen müßte. Wenn er den ganzen Tag in einer Kanzlei gearbeitet hätte, wäre er nie darauf gekommen. Außerdem: wenn er nur 50 Jahre früher auf den Wiesen spazieren gegangen wäre, so hätte er die Zusammenhänge auch nicht erkannt.
Tja, Rousseau auf der Wiese ist es so gegangen wie dem Autofahrer, der eines schoenen Mittags gegen 12.00 Uhr auf einer Kreuzung stehend schlagartig aufgewacht ist, weil er allerseits angehupt wurde, und der dann darueber nachzudenken begann, wie die neuen Hupen konstruiert sein muessen, damit das Aufwachen nicht so schlagartig ablaeuft. Waere der Autofahrer wie zuvor immer nur nachts gefahren, er waere nie darauf gekommen und haette auch nie die Zusammenhaenge erkannt.
>Die Natur steht also hier für die Erneuerung des Rechtes. Man hat das Naturrecht genannt, um Freizeit zu evozieren und der ganzen Idee mehr Appeal zu verschaffen.
Konkret: die"Erneuerung" des Rechtes war eine Modifizierung des vordergruendig bestehenden Rechtes mit Elementen, die im latent hintergruendig bestehenden Naturrecht vor jeder anderen Rechtsordnung da war.
Die"Erneuerung" des Rechtes war also ein oder mehrere Schritte"zurueck zur Natur".
>Nun sind zweihundert Jahre vergangen und das anfänglich als Freizeit entstandene Recht ist im wahrsten Sinne des Wortes"verarbeitet" worden, das erkennt man auch an der um sich greifenden Proletarisierung des Juristenstandes.
Tja,"der Mensch" versucht ganz offensichtlich immer wieder die Natur auszutricksen, wohl um ihr zu entkommen.
Dass es dabei immer wieder gegen die Wand geht, nuja, diese Wand verhindert, dass sich"der Mensch" noch weiter von der Natur entfernen kann.
>Das sog. Naturrecht ist also in erster Linie"neues" Recht und als solches tendenziell revolutionär.
Du meinst hoffentlich, dass das sog. Naturrecht"altes neues" Recht ist. Dass sich dieses tendenziell revolutionaer gegen das vorherige"neue alte" Recht auswirkt, nuja, auch unser edler Boardmitstreiter namens Galiani hat in einem Vorbeitrag festgestellt, dass es dabei recht konkurrierend zugeht.
In der ihm eigenen Art loest er dabei den offensichtlichen Konflikt harmonisch auf, wobei ihm offensichtlich nicht ganz gelaeufig ist, dass man"unerfreuliche" weil konkurrierende Fakten nicht allein dadurch aus der Welt schafft, indem man sie in einem ersten Schritt entmaterialisierend spiritualisiert, um sie danach in einem zweiten Schritt durch rein gedankliche Ueberwindung de facto zu entsorgen.
Manche werden es nie verstehen, wann und warum immer wieder laute Geraeusche beim Wandaufprall entstehen, ich meine jetzt nicht Dich damit, Bob.
>Die"fundamentalen Lebenszwecke der Menschen und ihre Verwirklichung" (die"Werte") sind im Laufe der Zeit Veränderungen unterworfen.
Voellig d'accord.
>Eine Rechtsidee kann daher nicht für alle Zeit als"Naturrecht" qualifiziert werden. Sondern das Naturrecht selbst ist je nach den Verhältnissen ein anderes gewesen.
...und zwar auch zu solchen Zeiten, waehrend denen kein Mensch, vor allem keine klugen Professoren, wusste(n) oder wissen konnte(n), dass es ein solches Naturrecht ueberhaupt gibt und was das ist.
>tschüß
Gruss
TD
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