Cujo
27.11.2003, 09:23 |
Germanistendebatte Thread gesperrt |
--> SPIEGEL ONLINE - 26. November 2003, 15:08
URL: http://www.spiegel.de/kultur/literatur/0,1518,275722,00.html
Germanisten-Debatte
Giordano glaubt nicht an Jens' Unwissenheit
Das im Dezember erscheinende"Germanistenlexikon" bringt NSDAP-Mitgliedschaften namhafter Germanisten an den Tag. Der Literaturwissenschaftler Walter Jens gibt sich unwissend gegenüber einer Mitgliedschaft in der Nazi-Partei. Der Schriftsteller Ralph Giordano glaubt jedoch nicht an die Ahnungslosigkeit seines Freundes.
SPIEGEL ONLINE
Germanist Jens:"Reines Gewissen"
Berlin -"Ich kann mir nicht vorstellen, dass einer sozusagen in diese Mitgliedschaft hineinrutscht und davon gar nichts weiß - das will mir nicht so richtig einleuchten", sagte Giordano, 80 ("Die Bertinis"), am Mittwoch im Deutschlandfunk. Dies ändere jedoch nichts an seiner Freundschaft mit Jens, der seit der gemeinsamen Hamburger Schulzeit immer zu ihm gehalten habe.
Nach der Veröffentlichung seiner NSDAP-Zugehörigkeit in dem im Dezember erscheinenden"Internationalen Germanistenlexikon 1800-1950" (de Gruyter, Berlin) hatte der 80-jährige Jens erklärt, es gebe weder einen Antrag auf Mitgliedschaft noch eine Mitgliedskarte. Er habe ein"reines Gewissen und nichts zu verbergen", erklärte der Literaturwissenschaftler am Dienstag gegenüber der dpa, es müsse sich um einen"reinen Karteivorgang" eines Jahrgangs der Hitlerjugend handeln. Laut einem Gutachten des Münchner Historikers Michael Buddrus sei eine pauschale Überführung eines ganzen HJ-Jahrgangs in die Mitgliederkartei der NSDAP ohne Benachrichtigung der zukünftigen Mitglieder jedoch höchst unwahrscheinlich, berichtet die"Süddeutsche Zeitung" am Mittwoch. Die Aufnahme in die nationalsozialistische Partei habe einen persönlich unterschriebenen Antrag erfordert, nach dessen Prüfung der Eintrag in die Mitgliederkartei erfolgt sei. Eine Mitgliedschaft ohne schriftliche Zustimmung sei daher ausgeschlossen, so Buddrus.
Laut Germanistenlexikon wurde Jens am 1. September 1942 in die NSDAP aufgenommen. Die Parteizugehörigkeit galt gerade in den Kriegsjahren als Karriere fördernd. Bis 1945 zählte die Nazi-Partie 8,5 Millionen Mitglieder. Jens, Ehrenpräsident der Berliner Akademie der Künste, hatte am Dienstag erklärt, kein Widerstandskämpfer gewesen zu sein:"Ich war in der Hitler-Jugend, ich war 19". Wenn er damals als Jugendlicher einen Fehler gemacht haben sollte, dann habe er ihn"weiß Gott wieder gut gemacht". Er denke nicht daran, sich nach über 60 Jahren einem"Spruchkammer-Verfahren" zu stellen. Er werde jedoch alles tun, um zu beweisen, dass es seinerzeit die Überführung von ganzen Jahrgängen der Hitler-Jugend und anderer Organisationen oder Teilen von ihnen gegeben habe, wofür es eine Reihe von Zeugen gebe. Davon hätten"höchstens die Eliten der HJ etwas erfahren", so Jens.
DPA
Schriftsteller Giordano:"Das will mir nicht einleuchten"
Niemand könne indes Irrtümer ausschließen. So räumte Jens ein, dass möglicherweise"zum Beispiel auf einer großen Versammlung damals ein 'Generalwisch'" unterschrieben worden sein könnte. Er habe auch nie einen Mitgliedsbeitrag gezahlt.
Der Literaturwissenschaftler Jan-Philipp Reemtsma forderte Jens indirekt auf, sich seiner Vergangenheit zu stellen."Das Bedrückende ist, wenn jemand nicht sagen kann, 'Herrgott nochmal, ich war damals 18, 19 oder 21 Jahre alt... und ich war ein Dummkopf, aber jetzt nicht mehr", sagte Reemtsma im Bayerischen Rundfunk.
Der Germanist Peter Wapnewski, der in dem Germanisten-Lexikon ebenfalls als NSDAP-Mitglied aufgeführt wird, bekannte unterdessen seine Zugehörigkeit. Sein damaliger Scharführer habe ihn 1938/39 zum Eintritt gedrängt, schrieb Wapnewski in der"Zeit"."Erinnern kann ich mich an eine Zustimmung meinerseits nicht, aber es will mir nicht als erlaubt erscheinen, hier ein Versehen, ein Irrtum verantwortlich zu machen". Eine Aufnahme sei ihm aber nie mitgeteilt worden.
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Zum Thema:
In SPIEGEL ONLINE: · Zeitgeschichte: Die NS-Vergangenheit vieler Germanisten wird aufgeklärt (24.11.2003)
http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,275222,00.html
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Kein Komentar
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nereus
27.11.2003, 11:02
@ Cujo
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Re: Germanistendebatte - Cujo |
-->Hallo Cujo!
Du schreibst am Ende: Kein Kommentar
Dem würde ich fast beipflichten wenn ich nicht darüber gestolpert wäre:
Der Literaturwissenschaftler Jan-Philipp Reemtsma forderte Jens indirekt auf, sich seiner Vergangenheit zu stellen."Das Bedrückende ist, wenn jemand nicht sagen kann, 'Herrgott nochmal, ich war damals 18, 19 oder 21 Jahre alt... und ich war ein Dummkopf, aber jetzt nicht mehr", sagte Reemtsma im Bayerischen Rundfunk.
Der hat es gerade nötig!
Sein lieber Papa Jan Fürchtegott Reemtsma überwies 12 Millionen Mark irgendwann in den Dreißigern an Herman Göring. Wenn ich mich recht erinnere war Göring weder in der SPD, KPD oder sonstwelchen Widerstandsgruppen.
Der Reichsjugendführer Baldur von Schirach erhielt ein Flugzeug vom Fürchtegott.
Die Reemtsma-Zigarettenindustrie lief wie geschmiert im Dritten Reich und es wurden sogar Sammelbildchen gedruckt mit Sprüchen wie:"Deutschland erwacht"
Nach dem Krieg wurde Papa Reemtsma eingebuchtet und mußte 10 Millionen DM Strafe zahlen.
Sein erlauchter Sohn erblickte 1952 das Licht der Welt.
Für die Leistungen seines Vaters kanne er freilich nichts, nur die 300 Millionen (sein Anteil am Imperium) wurden demnach auf etwas halbseidenem Fundament errichtet.
Also ausgerechnet einer dessen Kohle nicht ganz unvorbelastet ist, quiekt jetzt wie ein Ferkel im Stall.
Und wie war das noch mit seinem Onkel Alwin? War der nicht General in der SS?
Und den unbedingten Wahrheitsgehalt der ersten Wehrmachtsaustellung haben sicher noch einige Leser in guter Erinnerung.
Herr Reemtsma schweigen Sie über die kaum noch nachvollziehbaren Jugendsünden eines betagten Mannes.
Mit solcherart Schwachsinn macht man sich nur noch lächerlich.
Ich war übrigens mal Jungpionier und FDJ-Mitglied.
Muß ich jetzt niederknien und um Vergebung bitten?
mfG
nereus
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beni
27.11.2003, 11:12
@ nereus
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Reemtsma |
-->Hallo,
Danke für die Infos.
Für mich ist das doch nur logisch. Wer selber oder in der Verwandtschaft Dreck am Stecken hat oder heute davon sehr gut lebt, was seine liebe Verwandtschaft für Schweinereien angerichtet hat, der hat doch ein natürliches Interesse daran, zu beweisen, dass jeder Dreck am Stecken hat. Zum Beispiel Wehrmachtsausstellung: Jeder, der in der Wehrmacht war, war ein Verbrecher, auch dein Papa! ist doch hier die Aussage. Die Kollektivschuldthese kam doch den Verbrechern schon immer sehr entgegen.
m@G, Beni
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Herbi, dem Bremser
27.11.2003, 11:54
@ nereus
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Re: Germanistendebatte ** mit und ohne Gliedschaft |
-->>..
>Ich war übrigens mal Jungpionier und FDJ-Mitglied.
>Muß ich jetzt niederknien und um Vergebung bitten?
Lieber nereus,
gedenke der Siegerjustiz:
Heute wirst du nicht niederknien und um Vergebung bitten brauchen -
aber was ist Morgen?
Apropos Mitgliedschaft:
Mein alter Herr wurde in den 1930er eines Abends vom Bürgermeister persönlich [Klein- und Heimatstadt, ich schrieb darüber] besucht und dringend gebeten, endlich und sofort und jetzt gegen Unterschrift in irgendeine Abteilung der NS einzutreten, anderenfalls am anderen Morgen um 6:00 ein"Hausbesuch" stattfände.
Diese Hausbesuche waren nicht unbekannt und wurden von netten Jungs durchgeführt, die mein alter Herr z. B. in der Klippschule weit hinter sich - und die Klippschule die Jungs ebenfalls weit hinter sich - gelassen hat:
Furchtüberbringer mit Abitur aus der 6, 7 Klasse.
Daher unterschrieb er um 23:00 eine Mitgliedschaft im National-Sozialistischen Kraftfahrer Korps (NSKK).
Un so begab es sich, dass er am darauf folgenden Wochenende Motorrad fahren mußte.
Gruß
Herbi
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PuppetMaster
27.11.2003, 12:47
@ nereus
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Re: Germanistendebatte - Cujo |
-->>Nach dem Krieg wurde Papa Reemtsma eingebuchtet und mußte 10 Millionen DM Strafe zahlen.
na also, da scheint ja die gerechtigkeit gewaltet zu haben.
>Für die Leistungen seines Vaters kanne er freilich nichts, nur die 300 Millionen (sein Anteil am Imperium) wurden demnach auf etwas halbseidenem Fundament errichtet.
wieso halbseiden? die strafe wurde ja abgessessen/bezahlt, somit
ist das doch gegessen. oder willst du nun auch die kategorie
"täterfamilie" und ewige sippenhaft einführen?
die zigaretten hätten sie übrigens auch verkauft, wenn es keine
nazi-diktatur gegeben hätte - insofern unterstelle ich mal
der familie, dass das vermögen rechtmässig erworben wurde.
gruss
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nereus
27.11.2003, 14:23
@ PuppetMaster
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Re: Germanistendebatte - PuppetMaster |
-->Hallo PuppetMaster!
Du schreibst wegen der erwähnten Millionen-Strafe: na also, da scheint ja die gerechtigkeit gewaltet zu haben.
Möglicherweise habe ich da etwas zu schnell geschossen.
Quelle: JUNGE FREIHEIT, 45/99 05. November 1999
Jan Philipps Vater, Philipp Fürchtegott, Alwin und Hermann Fürchtegott. Vater Philipp Fürchtegott war ihr Kopf. Noch vor 1933 war seine Firma, in Altona-Bahrenfeld ansässig, das damals noch zu Preußen gehörte, in eine Steueraffäre geraten. Als dann das Dritte Reich hereinbrach, erwies sich der zuständige preußische Gauleiter Hinrich Lohse in dieser Angelegenheit als sein ausgemachter Feind. Aber da war plötzlich Hermann Göring da, der Lohse zurückpfiff, Philipp Fürchtegott vor dem laufenden Steuerhinterziehungsverfahren"per ordre de Mufti" rettete und dafür von ihm 12 Millionen Reichsmark erhielt. Für diese Bestechung wurde Philipp Fürchtegott 1948 angeklagt , dann aber schnell wieder freigesprochen und ein Jahr später, im Rahmen der Entnazifizierung, sogar als vom Entnazifizierungsgesetz"nicht betroffen" eingestuft. Diese 12 Millionen Reichsmark waren indessen nicht alles, was den Nationalsozialisten aus dem Hause Reemtsma damals zufloß. Im Spiegel Nr. 18 vom 1. Mai 1995 sprach Jan Philipp selbst davon, daß dieser Fall dann"zu reichen Spendentätigkeiten und privaten Zuwendungen" führten.
und im: Ostpreussenblatt, 23. Februar 2002 findet man:
Im Dritten Reich wuchs das Tabakimperium weiter. Sein Chef, der Vater des jetzigen Jan Philipp, stand den Regierenden außerordentlich nahe, und es war nicht nur Hermann Göring, dem Reemtsma regelmäßig erhebliche Beträge für den Ankauf von Kunstwerken zukommen ließ. Das brachte Reemtsma nach dem Kriege einen Prozeß ein wegen des Vorwurfs, er habe 7,2 Millionen Reichsmark gezahlt, um eine Steuererleichterung zu bekommen. Er wurde deswegen 1947 inhaftiert und ein Jahr später zu einer Geldbuße von zehn Millionen Mark verurteilt. Das Urteil wurde jedoch revidiert. Auch seine Entnazifizierung verlief reibungslos. Er wurde als „Entlasteter“ eingestuft und konnte seine wirtschaftliche Tätigkeit unbeschränkt wieder aufnehmen.
Dann hat er wohl das Geld wieder zurück erhalten? Oder wie muß man eine Urteilsrevision verstehen?
Tut mir leid wenn ich nur rechtskonservative Quellen benennen kann, doch woanders findet man derartiges nicht. [img][/img]
Stimmen dürfte es trotzdem sonst hätte Herr Reemtsma sicher seine Anwälte in Marsch gesetzt. Immerhin liest der NRW-Verfassungsschutz aufmerksam die Junge Freiheit.
wieso halbseiden? die strafe wurde ja abgessessen/bezahlt, somit ist das doch gegessen. oder willst du nun auch die kategorie"täterfamilie" und ewige sippenhaft einführen?
Ach, ich doch nicht! Es reicht doch wenn unser guter Jan Phillipp dem Daniel zur Seite springt wegen seiner brillanten historischen Analysen vom deutschen Mördervolk.
.. dazu noch eine kleine Köstlichkeit aus einem Historiker-Forum
12) Der Literaturprofessor Jan Philipp Reemtsma, den die FAZ 1997 interviewte - in seiner Eigenschaft als Vorstand des Hamburger Instituts für Sozialforschung, welches die sogenannten Wehrmachtsausstellungen möglich machte („Schreckliches kann man nur mit Schrecken begreifen“ F.A.Z. vom 9.4.97, S.35), antwortete recht ausweichend auf Fragen zu seinem Vater (einem angeblichen NS-Wehrwirtschaftsführer), bzw. dessen Bruder Alwin (einem angeblichen SS-Standartenführer) dahingehend, letzterer habe nur deshalb eine höhere Führungsposition (militärisches Äquivalent: Oberst) in der NS-Mordorganisation Nr. 1 ´angenommen´, um vorbeugend für die ganze Familie Regimetreue zu demonstrieren und damit seine für das Reemtsma-Zigarettenimperium ungleich wichtigeren Brüder von Avancen der Partei abzuschirmen. Dem entgegen wusste Prof. Reemtsma - dabei möglicherweise Claus Stauffenberg mit Fritz Dietloff Graf von der Schulenburg verwechselnd (?) - zu versichern, es sei ja allgemein hin bekannt, dass der junge Claus Stauffenberg ein begeisterter Nazi gewesen sei. Man ist geneigt, aus diesem fein entwickeltem Differenzierungsvermögen hinsichtlich der Motive von Personen, die gleichermaßen Institutionen des NS-Staates an führender Stelle dienten, die Frage abzuleiten, ob sich hier etwa eine Geschichtsbetrachtung frei nach dem Motto zu artikulieren versteht: „Wer (wirklich) Nazi war, bestimme ich...“
die zigaretten hätten sie übrigens auch verkauft, wenn es keine nazi-diktatur gegeben hätte - insofern unterstelle ich mal der familie, dass das vermögen rechtmässig erworben wurde.
Selbstverständlich! Die Zigarettenproduktion werfe ich ihm oder seinen Ahnen auch nicht vor. Der Mann ist mir im Grunde genommen sowieso egal.
Nur soll er bei dieser schmierigen Familien-Vita gefälligst den Schnabel halten und nicht ständig mit vorgehaltener Pistole die Wände nach Eintagsfliegen absuchen.
mfG
nereus
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