--><font size="5">Steht Deutschlands marodes Kanalnetz vor dem Zusammenbruch?</font>
Hauseigentümer müssen bei privaten Kanälen zahlen, doch die Kommunen unternehmen wenig - Blackout wie bei den Versorgern in den USA befürchtet
von Hannsjörg Lawrenz / Düsseldorf - Das mehr als 50 Jahre alte Kanalnetz in Deutschland ist sanierungsbedürftig und steht an einigen Stellen vor dem Zusammenbruch. Ständig versickert Abwasser aus Kanälen und stellt damit eine Gefahr für das Grundwasser dar.
Auch die Versorgungsleitungen sind marode, und schätzungsweise acht Prozent des hergestellten Trinkwassers kommt nicht beim Empfänger an. Letztlich drohe ein"Blackout" wie in den USA oder in Großbritannien. Ist das das Ende der Versorgungssicherheit? Das zumindest wurde auf der Fachveranstaltung"Der vergessene Notstand" von Experten diskutiert.
Nach wie vor fehlen jedoch Ansätze zu einer breiten Sanierung. Weil die Kommunen, die allein in Nordrhein-Westfalen für rund 87 000 km öffentlicher Kanäle zuständig sind, pleite sind und sich die privaten Versorgungsunternehmen mehr dem renditeträchtigen Shareholder-Value-Denken verpflichtet fühlten, kämen aus Kostengründen notwendige Sanierungen zu kurz, klagte Klaus Küsel, Präsident des Rohrleitungsbauverbandes in NRW.
Auch das Land, so Staatssekretärin Christiane Friedrich vom NRW-Umweltministerium, habe des Problem erkannt, könne jedoch wenig tun. Nicht nur aus Geldnot, sondern weil das Leitungsnetz in die kommunale Verantwortlichkeit falle. Um dennoch Impulse zu gehen, biete NRW den Kommunen zinsgünstige Darlehen zur Kanalsanierung. Im Übrigen würden Maßnahmen subventioniert, die zur Entsiegelung beitragen und damit das in die Kanäle abfließende Wasser reduzieren.
Bei diesen Schuldzuweisungen an die andere Seite, dem Herumwursteln an Randthemen wie Dachbegrünung und der offenkundig gewordenen Unwissenheit der politisch Verantwortlichen sieht es tatsächlich mehr als kritisch mit dem Kanalnetz aus.
Nach Einschätzung von Wolfgang Krah (Wirtschaftsvereinigung Bauindustrie NRW) seien bundesweit 45 Mrd. Euro notwendig, um dringendste Schäden zu beheben.
Da jedoch kein Geld vorhanden ist, sickern so lange giftige Schadstoffe weiter in den Boden, bis der Kanal völlig unbrauchbar ist und neu gebaut werden muss.
"Dieser Trend zur ereignisorientierten Instandhaltung muss gestoppt werden", forderte Küsel. Für das Land sprach sich Friedrich für eine Beibehaltung der Abwasserabgabe aus und kündigte Maßnahmen an, nach denen private Kanalverantwortliche zu einer Sanierung ihrer Kanäle gezwungen werden. Damit müssen private Hauseigentümer sicherstellen, dass zwischen ihrem Haus und dem öffentlichen Kanal kein Leck vorhanden ist. Nach Schätzung des Landes seien Privatpersonen und Unternehmen für 140 000 bis 200 000 km Kanalnetz verantwortlich. Aus öffentlichen Kanälen versickern Abwasser und Trinkwasser jedoch weiter ungebremst.
Der Vorschlag der Bauindustrie, dass die mit der Wasserrechnung gezahlte Kanalbenutzungsgebühr per Gesetz zweckgebunden nur für Kanalsanierungen verwendet werden dürfe, blieb ungehört. Stattdessen hoffen das Land NRW und die Bauindustrie, dass die Fachtagung das Kanäle-Problem bekannter macht. Dabei wird vergessen, dass es die NRW-Bauindustrie war, die bereits vor zehn Jahren Alarm geschlagen hatte. Dennoch spielt die drohende Gefahr keine Gefahr in der öffentlichen Diskussion.
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