vasile
30.11.2003, 00:37 |
In Hessen (Deutschland) gibt es noch die Todesstrafe!? Thread gesperrt |
-->Aber zum Glück nur"bei besonders schweren Verbrechen"!
Hier der Auszug des relevanten Artikels 21 der Verfassung des Landes Hessen, gültig seit 1. Dezember 1946:
Art. 21 [Freiheitsstrafe; Todesstrafe]
(1) Ist jemand einer strafbaren Handlung für schuldig befunden worden, so können ihm auf Grund der Strafgesetze durch richterliches Urteil die Freiheit und die bürgerlichen Ehrenrechte entzogen und beschränkt werden. Bei besonders schweren Verbrechen kann er zum Tode verurteilt werden.
(2) Die Strafe richtet sich nach der Schwere der Tat.
(3) Alle Gefangenen sind menschlich zu behandeln.
Hier geht es zum Gesetz: http://www.rz.uni-frankfurt.de/~pati/hv/hv_text.htm#21
[b]Geht das mit rechten Dingen zu?
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Turon
30.11.2003, 01:11
@ vasile
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Die deutschen Gesetze, Gesetzeserweiterungen etc. |
-->Daß es in diesem Gesetz so steht, bedeutet nicht zwangsläufig, daß dieser
Gesetz in dieser Form schon gilt.
Was die Todesstrafe alleine angeht, sicher hat auch diese noch zahlreiche
gesetzliche Ergänzungen - (die ich allerdings nicht zur Hand habe).
Daher ein anderer Fall.
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Bei gerichtlich angeordenten Hausdurchsuchungen gilt der Paragraf 102 bzw.
Paragraf 103 des StPO, der aus eventuell Betroffenen entweder möglichen Täter bei klarem eindeutigen Verdacht macht oder einen, oder einen möglichweise unbeteiligten Dritten bei dem sich der Verdacht ergibt, daß er in ein Verbrechen involviert war.
Bei beiden ist eine Hausdurchsuchung fällig und unterscheidet sich lediglich darin, daß man den Betroffenen, an dem der 103 zutrifft erst befragt (an der Haustür zum Beispiel) und dann wenn sich die Person weigert einen Gegenstand auszuhändigen trotzdem und wider Willen des Betroffenen Hausdurchsuchung macht.
Bei 102 dagegen ist der Betroffene unter klarem Verdacht, und man händigt ihm nur die Beschlagnahmeanordnung aus, und geht zu ihrer Ablauf über.
Stellt der Betroffene aus der Ermittlungsakte fest, daß die Beweise die zur
Beschlagnahmeanordnung geführt haben, kann er Beschwerde einlegen, die nachträglich durch die Entscheidung des LG gebügelt werden kann (und häufig auch wird).
Der Schlüsselsatz hierzu: nach kriminalistischer Alltagserfahrung war zu vermuten, daß bei der Hausdurchsuchung entsprechende Beweismittel dafür gefunden werden, die belegen, daß eine Straftat begangen wurde.
Wird übrigens sehr häufig angewandt. Als Betroffener hast Du in solcher Situation keinerlei Chance um Dein Recht zu kämpfen.
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Von klarer Richtlinie also wann, wie und nach welchen Bestimmungen eine Hausdurchsuchung durchgeführt werden kann, kann man also nur träumen, und eine entsprechende Regulierung ist auch nicht drin, weil es voraussichtlich den Staat
und seine Gesetzeshüter an der Strafverfolgung bei Verdacht (auch noch so kleinen) hindern würde.
Die Strafverfolgungsorgane sind aber gesetzlich dazu verpflichtet, jeden
Hinweis auf Verbrechen entsprechend zu behandeln und zu verfolgen.
Daher: wenn in einem Gesetz steht, daß die Todesstrafe möglich wäre, heißt es noch lange nicht, daß diese theoretisch möglich ist - dazu gibt es viele, sehr viele ergänzende Bestimmungen, auf die man sich berufen kann.
Gruß
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vasile
30.11.2003, 01:36
@ Turon
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Re: @Turon: So war das nicht gemeint! |
-->Hi,
ich kann Deinen Einwand zwar nachvollziehen, stimme aber dennoch nicht zu.
Mir ist klar, daß die Todesstrafe (offiziell) in Deutschland nicht zur Anwendung kommt.
Es mutet aber befremdlich an, daß es einen solchen Paragraphen in einer deutschen Landesverfassung überhaupt gibt. Insbesondere in einer Verfassung, welche nach dem Zweiten Weltkrieg Gültigkeitsstatus erlangte.
Insofern thematisiert mein Beitrag nicht die Angst um ein mögliches Revival der Guillotine auf deutschen Gerichtsgebäude-Hinterhöfen. Es ist einfach ein Kuriosum, auf das ich mal hinweisen wollte.
Aber wer weiß, vielleicht existiert ja hier ein Hintertürchen, welches irgendwann einmal den Weg ebnet, zu einem neuen-alten Regierungsinstrument zwecks Diszilpinierung von"Terroristen".
(Natürlich erst nachdem man ihnen einen Käfig mit Ratten über den Kopf gestülpt hat [img][/img] )
Gruß zurück
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Turon
30.11.2003, 02:18
@ vasile
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Re: @Turon: So war das nicht gemeint! |
-->>Hi,
Dito ;)
ich kann Deinen Einwand zwar nachvollziehen, stimme aber dennoch nicht zu.
Mir ist klar, daß die Todesstrafe (offiziell) in Deutschland nicht zur Anwendung kommt. Es mutet aber befremdlich an, daß es einen solchen Paragraphen in einer deutschen Landesverfassung überhaupt gibt. Insbesondere in einer Verfassung, welche nach dem Zweiten Weltkrieg Gültigkeitsstatus erlangte.
Es gibt einen Buch darüber, daß die deutschen Strafverfolgungsorgane nach dem 1945 weitgehend so erhalten geblieben sind wie zu NS-Zeiten. Daraus geht hervor, daß nicht nur die Struktur dieser Organe unverändert geblieben ist,
sondern die Gewalt darüber, ebenfalls bei den selben Leuten in etwa erhalten geblieben ist. Das einzige was sich geändert hat: es wird nicht mehr so konsequent wie zu NS-Zeit verfolgt, das kann aber jeweils umgeändert werden.
Es gibt auch offiziell keine Folter, und soweit ich mich erinnere, war mal kurz erwähnt, daß man bei manchen Fällen diese auch anwenden sollte.
(Entsprechende Literatur findest Du auf Seiten die sich mit deutscher Justiz
heutzutage beschäftigen, mit Rechtsbeugung etc. (zum Beispiel http://www.justizirrtum.de/ oder http://www.beschwerdezentrum.de - und von dort jeweils die Links abfragen).
>Insofern thematisiert mein Beitrag nicht die Angst um ein mögliches Revival der Guillotine auf deutschen Gerichtsgebäude-Hinterhöfen. Es ist einfach ein Kuriosum, auf das ich mal hinweisen wollte.
Ich nehme mal an, daß es Dich sehr überrascht hat, daß so etwa noch in irgendeinem Gesetz steht. In Hinblick auf eventuelle Kriegshandlungen sind derartige Gesetze eventuell beibehalten worden - und man begnügt sich damit,
daß offiziell in Deutschland so etwas wie Todesstrafe nicht gibt. Schließlich ist Deutschland ja ein Rechtsstaat. ;) Nun - ich würde dadrauf allerdings nicht unbedingt wetten, früher dachte ich, daß Deutschland ein Rechtsstaat ist,
aber die Erfahrung belehrte mich was Besseres. Es ist ein Willkürsstaat, und die Willkür des Staates ist von jeweiligen Umständen abhängig. Geht es dem Land gut, wird wenig verfolgt, geht es dem Land schlecht wird massivst härterer Gangart eingeschaltet.
Deswegen denke ich steht da in dem Gesetz etwas von"kann" und"Todesstrafe"
und besonders harten Fällen, die jeweils je nach Situation anwendbar ist.
Mitunter auch der Grund warum man heutzutage - vor nicht allzulanger Zeit
von Folter kurzfristig, als Möglichkeit zur Wahrheitserlangung gesprochen
wurde.
>Aber wer weiß, vielleicht existiert ja hier ein Hintertürchen, welches irgendwann einmal den Weg ebnet, zu einem neuen-alten Regierungsinstrument zwecks Diszilpinierung von"Terroristen".
Das Hintertürchen mag derzeit zu sein, aber man kann zum Beispiel die Gesetzesbestimmungen oder ergänzende Paragraphe streichen, insofern die Situation es erfordert. Mag sein, daß es einfach nur eine Art"Notstandgesetz"
ist - denn in deutschem Recht gibt es noch sehr zahlreiche andere"fossile" Gesetze, die längst nicht mehr auf heutige Gesellschaftentwicklung anwendbar seien. Ich kenne das derzeit auch aus der Sicht des polnischen Staates.
Insgesamt hat Polen innerhalb letztes Jahres soviele Gesetze und Gesetzesänderungen im Rahmen der Anpassung an die EU vorgenommen, daß
alles aufs Papier geschrieben (doppelseitig) einen Berg von etwa 50cm Höhe
ausmacht und 14 Kilo insgesamt wiegt. Das sind nur Ergänzungen, die fossilen Gesetze bleiben dabei bestehen.
>(Natürlich erst nachdem man ihnen einen Käfig mit Ratten über den Kopf gestülpt hat [img][/img] )
Genau. Schau Dir mal die Verhörgesetze an. Wenn sie wollen, können sie praktisch alles machen, wir kriegen davon ja gar nichts mit. Zwar sind Aussagen die unter Alkoholeinfluß getätigt wurden nicht verwertbar, aber es sind zum Beispiel wieder Hinweise für terroristische Aktivitäten. (Genauso wie Rasterfahndung übrigens - offiziell ist die Strafverfolgung via Rasterfahndung
schon alleine aus dem Grunde unerlaubt, weil es einen Verdacht für kriminalistische Handlungen geben muß, und zwar gegen bestimmte Personen.
Das ist auch toll: einer in der Bundesrepublik handelt mit Drogen - benutzt damit einen Handy. Deswegen sind ander Handybesitzer eventuell seine Abnehmer.
;)
Es ist absurd, aber trotzdem in etwa so anwendbar. (sehe Kazaa, edonkey Tauschbörsen und die Methoden wie RIAA nach"Beweisen" sucht). Bei uns kommt das demnächst auch.
Was man in Deutschland wiederum nicht sagt (komischerweise). In Polen wurde offiziell mitgeteilt, daß etwa 30 der in USA Verfolgten, die die Tauschbörsen nutzten wegen Terrorismusverdacht verhaftet wurden. ;)
USA IST HALT EIN LAND UNENDLICHER MÃ-GLICHKEITEN. Und wenn wir noch mehr Gesetze
haben (Europa) sind wir das auch. ;)
Gruß
>Gruß zurück
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fridolin
30.11.2003, 09:59
@ vasile
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Relikt |
-->Solche Relikte findet man noch mancherorts. Rechtlich gilt laut Grundgesetz:"Bundesrecht bricht Landesrecht", das heißt, das hat keine Relevanz mehr.
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fridolin
30.11.2003, 10:08
@ Turon
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Geschichte.... |
-->Mir ist klar, daß die Todesstrafe (offiziell) in Deutschland nicht zur Anwendung kommt. Es mutet aber befremdlich an, daß es einen solchen Paragraphen in einer deutschen Landesverfassung überhaupt gibt. Insbesondere in einer Verfassung, welche nach dem Zweiten Weltkrieg Gültigkeitsstatus erlangte.
Die hessische Verfassung ist (wie die meisten Verfassungen der deutschen Bundesländer) vor dem Grundgesetz vom Mai 1949 geschrieben worden. Das Verbot der Todesstrafe in Deutschland kam also erst später. Es fanden nach dem II. Weltkrieg auch in Deutschland durchaus noch strafrechtliche Verurteilungen zum Tode statt, die Strafen der Betroffenen wurden nach Inkrafttreten des Grundgesetzes zu lebenslanger Haft umgewandelt.
Wieso solche Kuriosa nicht schon längst aus dem entsprechenden Gesetzen gestrichen worden sind, ist eine andere Frage.
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Euklid
30.11.2003, 10:16
@ fridolin
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Re: Relikt |
-->Korrekt
Wenns jedoch im Bund eingeführt wird hat der brutalst mögliche Aufklärer gleich ein entsprechendes Werkzeug in der Hand;-))
Gruß EUKLID
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Euklid
30.11.2003, 10:32
@ vasile
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Re: @Turon: So war das nicht gemeint! |
-->Mit Hessen und der notwendigen Vorlage im Bund könnte man aus Hessen ein neues Guantanamo Bay hervorzaubern.
Sehr delikate Angelegenheit diese vielen Schlupflöcher;-))
Gruß EUKLID
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SchlauFuchs
30.11.2003, 10:59
@ vasile
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Re: @Turon: So war das nicht gemeint! |
-->>Hi,
>ich kann Deinen Einwand zwar nachvollziehen, stimme aber dennoch nicht zu.
>Mir ist klar, daß die Todesstrafe (offiziell) in Deutschland nicht zur Anwendung kommt.
>Es mutet aber befremdlich an, daß es einen solchen Paragraphen in einer deutschen Landesverfassung überhaupt gibt. Insbesondere in einer Verfassung, welche nach dem Zweiten Weltkrieg Gültigkeitsstatus erlangte.
Es gibt viele Laender, in denen nach dem zweiten Weltkrieg die Todestrafe noch existiert und z.T. noch vollzogen wird, gerade auch bei den Kriegsgewinnlern, falls du noch das klassische Gut-Böse-Schema pflegst:-)
Es bestand übrigens einfach kein Handlungsbedarf, das Gesetz zu ändern, einfach weil es nicht zur Anwendung kommen kann - Bundesrecht vor Landesrecht.
ciao!
SF
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P
30.11.2003, 11:10
@ Euklid
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Ein Schritt nach dem anderen bitte |
-->Achtung: Satire:
http://www.spiggl.de/spiggl_hessen
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Euklid
30.11.2003, 11:14
@ P
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Re: Ein Schritt nach dem anderen bitte |
-->Köööööstliche Satiiiiiiiere.Richtig tierisch die Sat<font color=#FF0000>ie</font>re.
Gruß EUKLID
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vasile
30.11.2003, 12:52
@ fridolin
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Re: @ Fridolin: Die entscheidende Frage |
-->>Wieso solche Kuriosa nicht schon längst aus dem entsprechenden Gesetzen gestrichen worden sind, ist eine andere Frage.
Hi fridolin,
ich finde das ist die entscheidende Frage. Insbesondere nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes 1949 wäre eine Streichung längst fällig gewesen.
Und Änderungen bzw. Ergänzungen gab es ja wohl zwischenzeitlich an der Verfassung, oder täusche ich mich da? Was bedeutet dies:
GVBl. I S. 229, berichtigt GVBl. 1947, S. 106)
geändert durch
G v. 22.7.1950 (GVBl. I S. 131)
G v. 23.3.1970 (GVBl. S. 281)
G v. 20.3. 1991 (GVBl I S. 101)
G v. 20.3.1991 (GVBl I S. 102)
Naja, das kann natürlich auch alles nur Zufall sein (ohne Ironie), aber wundern tut's mich schon.
Dir scheint's ja schon bekannt gewesen zu sein, da Du nicht sonderlich überrascht wirkst. Aber ich wette, die Mehrheit der Hessen würde sich ganz schön wundern (wie ich), wenn sie wüßten, was da in ihrer gültigen Landesverfassung steht.
Grüße
vasile
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vasile
30.11.2003, 13:03
@ SchlauFuchs
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Re: @SF: Handlungsbedarf? Gibt's nicht bei Wahlvieh! |
-->>Es bestand übrigens einfach kein Handlungsbedarf, das Gesetz zu ändern, einfach weil es nicht zur Anwendung kommen kann - Bundesrecht vor Landesrecht.
Hallo SF,
seit wann ist in Deutschland"Handlungsbedarf" ein Grund für die Änderung von Gesetzen? Es ist doch tatsächlich so, daß dort wo Handlungsbedarf besteht nichts unternommen wird, und da wo keiner besteht, Änderungen gegen den Willen des Wahlviehs durchgeführt werden. Siehe zum Beispiel die unsägliche Rechtschreib-"Reform". Außer Spesen nichts gewesen
Wohingegen ich mich als Bewohner eines Bundeslandes allein schon aus ästhetischen Gründen wohler fühlen würde, wenn die Verfassung unter der ich lebe, die Todesstrafe nicht als Option bietet.
Gruß
vasile
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fridolin
30.11.2003, 13:21
@ vasile
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Keine Seltenheit |
-->Hallo vasile,
die Frage, was solche Dinge (vor allem solche abstoßenden und moralisch fragwürdigen Dinge wie die Todesstrafe) noch in einer Landesverfassung zu suchen haben und nicht schon längst daraus gestrichen wurden, müßtest Du den Damen und Herren im Landesparlament stellen, die darüber abzustimmen haben.
Anderseits sind längst überholte Bestimmungen in Landesverfassungen keine Seltenheit. Die hessische Verfassung z.B. enthält ein"Recht auf Arbeit" (Artikel 28), was wohl kaum einklagbar sein dürfte. Oder lies Dir mal die dort stehenden Forderungen nach Sozialierung von Unternehmen und insbesondere Großbanken (Artikel 41) durch.
Wußtest Du im übrigen, daß es gemäß der Verfassung des Freistaates Bayern eine eigene bayerische Staatsbürgerschaft gibt (mitsamt Bestimmungen zu ihrem Erwerb)? In Bayern wohnhafte Deutsche genießen aber dort laut Landesverfassung dieselben Rechte wie Bayern, man ist ja tolerant.... Wer's nicht glaubt: Link unten, Artikel 6 bis 8.
Gruß
<ul> ~ Bayerische Verfassung</ul>
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