Dieter
30.11.2003, 18:59 |
Dieter´s Geldtheorie Thread gesperrt |
-->Dieters Geldtheorie, was meine pers. Ansicht zum Thema Geld wiederspiegelt, da ich mit den hier von mir gelesenen Geldtheorien nichts anfangen kann:
1. Was ist Geld?
- eine Krücke, ein Transportmittel
Es ist eine Ware, die allerdings einer gewissen staatlich festgesetzten Preisbindung unterliegt sowie der monopolistischen Staats-Produktion.
2. Welchen Wert hat die Ware Geld?
Den Wert, den ich allgemein als Wertmaßstab anerkenne, die mehrheitliche zukünftige Erwartungshaltung der Bewertenden.
3. wieso Zins?
Aufgrund der Preisbindung der Ware Geld wird als Wertmaßstab des Geldes der Zu/Abschlag von Zins genommen. Bei hoher Wertschätzung der Ware Geld (viel Bedarf = hoher Zins )
bei geringer Wertschätzung (wenig Bedarf = niedriger Zins )
ein negativer Zins würde schon entstehen, wenn der Zins das Ausfallrisiko und die Verwaltungskosten nicht decken würde.
4. Was ist der Wert einer Ware?
Es ist die subjektive Erwartung aller Beteiligten über die individuelle zukünftige Wertschätzung eines Gutes gemessen in Bezug zu einer Verleichsgröße, die alles mögliche sein kann, u.a. auch Geld.
5. Was ist der Wert einer Ware, wenn Geld die Bezugsgröße ist?
wie Punkt 4, allerdings erweitert um den Preisfindungsprozeß, der sich durch konkrete Angebote und Nachfragen bildet und im Idealfall den Mittelwert (den größt möglichen Nenner) der Markteilnehmer beschreibt.
6. Was ist der Wert von Geld, wenn Geld die Bezugsgröße ist?
Natürlich erst mal der Verweis auf Punkt 2 - also die Erwartungshaltung zukünftiger Entwicklungen, dann natürlich Geld als Ware steht in der Erwartungshaltung in Konkurrenz zu anderen staatlichen Geldern (Währungen)
Entscheidend sind hierbei die psychologischen Beeinflussungsgrößen wie 1. Angebotsmenge, 2. Nachfragemenge, 3. Stabilitätserwartungen, usw.
der Wert stellt sich demnach dar im Zins und wiederum im Vergleichswert zu anderen Geldern oder Bezugsgrößen (meistens Fremdwährungen oder Gold)
7. Was ist der Wert von Geld, wenn Urang Utans oder Gold die Bezugsgröße wäre?
Siehe letzter Satz bei Punkt 6 mit dem Unterschied, daß man auf einen Zins verzichten könnte und die Wertschätzung in Menge Urang Utans, Zigaretten oder beispielsweise Gold festgelegt wird.
So weit erst mal.
Was ist falsch an diesen Überlegungen?
Gruß Dieter
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Zardoz
30.11.2003, 19:39
@ Dieter
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... oder so. |
-->Hallo Dieter,
bin zwar kein Experte - aber zur Hälfte Ostwestfale... ;-)
Muß man sich Geld und seine Entstehung nicht eher mathematisch vorstellen?
Beispiel Mengenlehre: Definiert wird garnix. Hoppla, also habe ich schon mal gleich eine leere Menge. Und da zweimal nix immer noch nix ergibt, kann ich sogar beliebig viele leere Mengen definieren. Was mindestens eine neue Menge ergibt: Die Menge aller leeren Mengen nämlich. Und so weiter und so fort...
So etwa meine Theorie des Geldes.
Nice week,
Zardoz
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Euklid
30.11.2003, 19:46
@ Zardoz
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Re:... oder so. |
-->Dürfte sehr realitätsnah sein;-))
Gruß EUKLID
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bernor
30.11.2003, 20:45
@ Euklid
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Re:... oder so. |
-->>Dürfte sehr realitätsnah sein;-))
Stimmt, sofern es durch Staatsanleihen gedecktes Geld betrifft (also derzeit das meiste).
Der Staat sagt zwar:"Ich zahle zurück" (= Verpfändung zukünftiger Steuereinnahmen).
Aber tatsächlich löst er die alten Anleihen durch neue (und mehr) Anleihen ab
(der Steuerzahler zahlt somit für die Tilgung der Altschulden effektiv gar nichts und für die Zinsen u. ä., wenn überhaupt, nur teilweise - wenn die Netto-Neuverschuldung niedriger liegt).
So gesehen hat Zardoz recht: Der Staat bezahlt ein NICHTS mit - NICHTS.
Gruß
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Ghandi
30.11.2003, 21:06
@ Dieter
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Re: konkret |
-->Dieter,
die örtliche Kreissparkasse hat mir knapp 600.000 € für den Kauf von
Maschinen geliehen. Mit (vorläufig) 12 Mitarbeitern fertige ich Teile
der Inneneinrichtung für den neuen Airbus A380. Die erste Auslieferung
beginnt planmäßig im März 2004. Der Auftrag erstreckt sich über (zunächst)
drei Jahre und hat ein Volumen von ca. 4 Millionen Euro.
Ich nenne es"Geld", was mir die Bank gegeben hat, weil ich damit einkaufe.
Woher hat es die Bank?
Und unter welchen Punkt deiner Theorie ordnest du den Vorgang ein?
Danke und Grüße
G.
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Dieter
30.11.2003, 22:29
@ Ghandi
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Handelsprodukt |
-->Für die Bank sind die 600.000 ein Handelsprodukt.
Sie kaufen Geld und verkaufen es. Von der Marge (Zinsdifferenz einschl. Kosten) versuchen sie zu leben.
(Geld wird immer bewertet in Geld nominal + Zins)
Du hast Geld gekauft (Nominalwert des Geldes + Zins) um es gegen Maschinen eintauschen zu können in der Erwartung mit Hilfe dieser Maschinen ein Ergebnis zu erzielen, welches letztenendes einen noch höheren Nominalwert an Geld erzielt.
Hättest Du diese Erwartung nicht, wäre Dir das Geld (600.000) auch nichts wert.
Gruß Dieter
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Dieter
30.11.2003, 22:50
@ Zardoz
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zum Wert von..... |
-->Geld oder allem andern:
ist eben nicht die Mathematik ausschlaggebend, sondern nur die Inspiration, die Gedankenwelt und die Erwartungen aller.
Es ist m. Meinung nach vollkommen unsinnig darüber nachzudenken, ob das Geld gedeckt ist duch irgend welche"Fundamentals".
Das Geld ansich hat einen Wert und zwar den, den man ihm in der Fantasie/Erwartung gibt.
Es ist genauso eine Luftnummer wie der Wert eines Grundstücks. Schließlich wissen wir auch nicht, ob das Gelände zukünftig nicht dauerhaft 100 m unter Wasser steht, nur die Wahrscheinlichkeit spricht ggf. dagegen - also unsere Fantasie, Meinung oder Erwartung.
Von daher können die Amis beispielsweise so viel Schulden haben wie sie wollen, der Wert amerik. Geldes wird erst weniger, wenn es die Mehrheit glaubt daß es weniger wert ist und keine Sekunde früher.
Glaube versetzt Berge und nicht die Mathematik, zumindest bei menschl. Verhalten.
Gruß Dieter
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Zardoz
01.12.2003, 00:04
@ Dieter
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Überwiegend d'accord,... |
-->... denn eben dies wollte ich mit meiner Analogie ausdrücken: Der Inhalt (sprich Wert, Deckung,...) spielt keine Rolle. Dennoch läßt sich auf der Basis eine Mathematik aufbauen mit durchaus komplexen Regeln und Abhängigkeiten.
Insofern würde ich Dir auch widersprechen wollen: Die Regeln und Abhängigkeiten der gesamten auf Geld aufbauenden Finanzwirtschaft sind durchaus real und keine Frage des Glaubens.
Nice week,
Zardoz
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dottore
01.12.2003, 13:22
@ bernor
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Re:... oder so. |
-->>>Dürfte sehr realitätsnah sein;-))
>Stimmt, sofern es durch Staatsanleihen gedecktes Geld betrifft (also derzeit das meiste).
>Der Staat sagt zwar:"Ich zahle zurück" (= Verpfändung zukünftiger Steuereinnahmen).
Hi,
back again und sich für die wohlwollenden Beurteilungen (HSG, Bremen) bedankend. Zu einzelnen Punkten vielleicht später mehr. Zunächst zu diesem hier:
Er verpfändet sie nicht. Er tritt sie ab. Die Titelhalter werden tatsächlich bezahlt (im Steuerzahlungsmittel"Geld"). Damit können sie machen, was sie wollen.
>Aber tatsächlich löst er die alten Anleihen durch neue (und mehr) Anleihen ab
>(der Steuerzahler zahlt somit für die Tilgung der Altschulden effektiv gar nichts und für die Zinsen u. ä., wenn überhaupt, nur teilweise - wenn die Netto-Neuverschuldung niedriger liegt).
Der Steuerzahler mag nichts zahlen, aber der Staat tritt künftige Steuereinnahmen ab. Entscheidend ist also: Wie lange kann er abtreten?
Solange er noch Steuereinnahmen budgetieren kann und diese Summe in gleicher Höhe als Zinsausgaben auf seine Staatsschuld erscheint.
Es empfiehlt sich also auf die Zinslast/Steuersumme zu schauen.
1995: Steuern Staat insgesamt: 814,2. Zinszahlungen: 128,9. Quote: 15,8 %.
2000: Steuern: 467,3, Zinsen: 68,2. Quote: 14,5 %.
2002: Steuern: 441,7. Zinsen: 67,2. Quote: 15,2 %.
Diese Quote lag 1965 lt. Döring bei 4,8 %. (Ich hab's gerade nicht zur Hand).
Die Probleme:
1. Die Steuereinnahmen sinken, in 2003 werden es nicht mehr, wie bereits aktuell gepostet.
2. Um das mindestens gleiche Ausgabenniveau zu halten, müssen zusätzliche Schulden gemacht werden (Steuerzessionen).
3. Die Zinsen darauf schlagen sich erst in den Folgeperioden nieder.
4. Ein niedrigerer Zins (sich ergebend aus hoher Nachfrage nach Rententiteln, also nach einem staatsähnlichen Status der Einzelpersonen, die"Zinsen", recte: Steuern, kassieren wollen, sog."arbeitslose Einkommen") kompensiert dies eine Zeitlang.
5. Sobald aber die Refinanzierung der nicht getilgten Schulden zu höheren Sätzen ansteht, kommt der nächste Schub, der die Quote ansteigen lässt.
6. Nehmen wir die dann 1400 Mrd zu dann möglicherweise 6 %, dann haben wir knapp 80 Mrd. bei einem Steueraufkommen von immer erst noch ca. 440 Mrd., dann sind wir bei ca. 19 % und die 20 % sind nicht weit.
7. Dies gilt nur für die offen ausgewiesene Statsverschuldung, nicht für die Eventualverpflichtungen, die sich aus den Renten- und Pensionssystemen ergeben.
8. Diese lassen sich auf der Einnahmen- und Ausgabenseite politisch manipulieren, allerdings nur bis zu bestimmten Größenordnungen ("Grundsicherung" für Rentner, Besteuerung der Renten, Erhöhung der Sozialabgaben).
9. Die Renten- und Pensionausgaben (plus deren Finanzierung durch zeitgleiche Einnahmen) sind also der weiche und bewegliche Teil (im Nachhinein zu verändern), während der betitelte Teil der harte ist (vorab festgelegte Fälligkeiten, Fristen, Zinsen usw.).
10. Der Knackpunkt ist der Zuschuss des Bundes, der an die Rentenversicherungen (für die BfA usw. gilt Ähnliches, die in 02 mit 5,6 Mrd alimentiert wurde) gezahlt werden muss.
11. Dieser Zuschuss ist, wiewohl manipulierbar (wird er gesenkt, sinken die Renten usw.), den Zinsen auf die betitelte Staatsverschuldung gleich zu stellen.
12. Er stieg von 1999 bis 2002 von (West/Ost zusammen) von knapp 55 auf mehr als 66 Mrd.
13. Nehmen wir diesen Zuschuss, der für andere Staatszwecke nicht zur Verfügung steht zu den 67 Mrd Zinsen auf betitelte Schulden bzw. direkte Bankkredite, was technisch keinen Unterschied macht (oben), dann haben wir 133 Mrd.
14. Dieses bedeutet schon 2002 eine Zinslast/Steuer-Quote von ziemlich genau 30 Prozent. (Die Etatposten für"Soziales" und für den"Schuldendienst" sind bekanntlich die Positionen 1 und 2 der Ausgabenseite des Staates).
15. Bei realistischer Betrachtung dürfte sich diese Quote rasch auf die 35 % zu bewegen und die 40 % sind nicht weit.
16. Der Staat steckt somit in der Klemme: Steigen die Zinssätze, muss er teurer refinanzieren (= treibt die betitelte Last in die Höhe). Steigt die Zahl der Rentner bzw. deren Rentenbezüge weiter (letztere 1999/2002 von 207 auf 231 Mrd, also in nur 4 Jahren ein Plus von ca. 11,5 %), muss er mehr an die Rentenanstalten zuschießen.
17. Auswege:
a) Ein zusätzliches Wirtschaftswachstum und damit wieder steigende Steuereinnahmen. Die müssten die gestiegenen Zinssätze (üblich bei anziehender Konjunktur) und die und die steigenden Bezüge der Rentner insgesamt zumindest kompensieren. Bei (möglicher) Steuersenkung und steigender Zahl der Rentner (selbst bei Nullwachstum der einzelnen Rentenbezüge) insgesamt unwahrscheinlich.
b) Beschneidung der Rentenbezüge (Besteuerung, höhere Beiträge zugunsten anderer defizitärer Kassen, wie Pflege). Insgesamt wahrscheinlich, aber letztlich nur begrenzt möglich, vgl. Eigentumsgarantie der Renten usw.
c) Beschneidung der betitelten Zinseinkünfte (Wegfall der Freibeträge, Wegfall der Steuerbefreiung von Versicherungen, Vermögensteuer usw.). Auch wahrscheinlich, aber mit wenig ermutigenden Ausssichten (LVs!) und überdies geeignet, den Banken windfall profits zuzuschanzen (Zinsspanne lässt sich erhöhen).
Da die Steuern, die via Zinsen auf Staatstitel bzw. Renten/Pensionen klassische arbeitslose Einkommen schaffen (die Titelhalter sind schlau, die Rentner alt), nimmt dies den Druck aus der Wirtschaft, nämlich sich über am Markt und nicht via Staatsmacht erzielte Einkommen über Wasser zu halten. Die insgesamt verrentungsbedingte Wachstumsschwäche dürfte anhalten, sogar eher zunehmen und die Phase der Prolongation bei gleichzeitiger Stagnation - ähnlich Japan - solange anhalten, bis die Finanziers merken, dass sie in ein Gebilde"investieren", das aus diesem Teufelskreis nicht ausbrechen kann.
Da alle Staaten in diesem Teufelksreis stecken, jene ganz besonders, in denen das"Generationenproblem" virulent ist, mag es noch zu einem Wettbewerb ums beste Ranking kommen, es kann aber auch einen plötzlichen Aha-Effekt geben. Immerhin sind die Verluste der US-Titelhalter (gemessen in anderen Valuten) immens, sofern diese just beim Switch des Aktienmarktes von Hausse in Baisse (2000/01) gekauft worden waren.
Da das Publikum inzwischen ziemlich crash-resistent geworden ist (die klassischen Krisen seit den 1990ern, Asien, Russland, LTCM, und schon vorher die in den 1980ern, Mexiko, Brasilien, Oktober 87, usw. wurden allesamt"gemeistert"), müsste ein massiver outside shock daher kommen, der extra-ökonomisch sein müsste.
Es ist auch an einem Stimmungsumschwung zu denken (siehe überrissene housing markets), wobei das"Vertrauen" sich nicht mehr in Richtung auf Erzielung höherer Einkünfte bewegt und ergo auf zusätzliches Schuldenmachen zu ("new credits"), sondern nur noch auf den Erhalt des status quo, alias des sog."Finanzsystems" und seiner Liquidität. Das nutzt natürlich nichts, da der Erhalt alter Forderungen (einschließlich ihrer Derivate, wie Zinsen) in keiner Weise neue Forderungen schafft.
Demnach läuft's auf die ZB-Prolongationen hinaus und damit auf die Frage, wie es um die ZB-Bilanzen selbst bestellt ist bzw. darauf, was bei deren festgestellter Überschuldung"passiert".
Ich weiß es leider nicht.
>So gesehen hat Zardoz recht: Der Staat bezahlt ein NICHTS mit - NICHTS.
Nicht ganz. Mit jedem neuen Titel tritt der Staat weitere Steuereinnahmen ab.
Gruß!
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Popeye
01.12.2003, 13:46
@ dottore
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Hallo, @dottore... Bitte nicht... vielleicht später mehr...(Bremen, St Gallen) (owT) |
-->
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bernor
01.12.2003, 15:15
@ dottore
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Re:... oder so. |
-->Hallo dottore,
vielen Dank für die ausführliche Antwort; prinzipiell Zustimmung meinerseits.
Hier nur ein paar Anmerkungen:
Er verpfändet sie nicht. Er tritt sie ab. Die Titelhalter werden tatsächlich bezahlt (im Steuerzahlungsmittel"Geld").
Im Einzelfall (Titelhalter will nicht weiter in Staatsanleihen"investieren") ok. Formal auch bei"Prolongationen": Titelhalter (Banken), die in Anleihen bleiben wollen, werden für alte Titel mit"altem" Geld bedient, für neue Titel geben sie dem Staat"neues" Geld (Refinanzierung durch EZB).
Der Steuerzahler mag nichts zahlen, aber der Staat tritt künftige Steuereinnahmen ab. Entscheidend ist also: Wie lange kann er abtreten?
Anders formuliert: Wann erweist sich die"Macht" des Staates, die Anleihen letztendlich mit Steuerzahlungen bedienen zu können, als Illusion?
>So gesehen hat Zardoz recht: Der Staat bezahlt ein NICHTS mit - NICHTS.
Nicht ganz. Mit jedem neuen Titel tritt der Staat weitere Steuereinnahmen ab.
Solange es eben geht, siehe oben. Es ist eben so (was ich mit meinen vorherigen Posting eigentlich sagen wollte), daß der Staat das Geld zur Begleichung seiner Schulden im Endeffekt nicht vom Steuerzahler einfordern kann (sonst sofort, d. h."vorzeitig", Revolution u. a.).
Gruß zurück
bernor
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dottore
01.12.2003, 17:23
@ Popeye
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Re: Yes please - Papierkorb bleibt leer! |
-->Hi,
aaaalso:
In St. Gallen, Baldur hatte es schon bestens beschrieben (DANKE!), fiel mir noch auf, dass je ein Herr der Buba und der SNB anwesend waren.
Ansonsten hatte ich das mit der Zession anschließend noch vertieft: Kann die Macht nichts mehr zedieren - game over. Und das Letzte, was sie zedieren kann (modern democracies): Steuern in Form von Staatsverschuldung, was sein Ende in sich selbst findet.
In Bremen (DANK an Zandow!) tischte Gunnar wieder seine Roma quadrata auf (sinngemäß):"Und dann zog Romulus sein Schwert und erstach Remus." Ich daraufhin:"Und das Schwert hat er anschließend weggeschmissen?" (Lacher bei mir)
Dann die entscheidende Stelle aus Gunnars Patriarchat usw., die mit"debtor" beginnt und dass der sich die berühmten Schuldendeckungsmittel beschaffen muss. Dies ist überhaupt der Urgrund aller Überlegungen zum kapitalistischen"Druck", alias Debitismus, alias Marktwirtschaft, Ausbeutung usw. usw.
Das ist die Schlüsselstelle überhaupt.
Mein Frage:"Wenn wir jetzt den 'private debtor' durch den 'Abgabenschuldner' ersetzen, paßt's ganz genau - oder?"
Danach Diskussion: Debt aus need oder aus force. Was ist stärker?
Der in need kriegt nichts, weil er in need ist. Was heißt das?
Ist er nur illiquide, aber nicht insolvent, kann er aus seiner Solvenz verkaufen - wozu braucht er einen Kredit?
Reicht seine Solvenz nicht zum Kredit (inkl. Zinsen und das bis Laufzeitende) kriegt er niemals etwas - außer der andere schenkt ihm was.
Gunnar verwies mich dann auf Polanyi und den mercenary-Passus darin. Ich habe das Buch leider nicht (The livelihood of Man, 1977), darin 127-134:"Markets for Mercenaries" als Unterteil von Local Markets - was ein grober Schnitzer ist. Denn erstens: keine local markets, zweitens: lange vor local markets.
Otto hat sehr schön dogmengeschichtlich ausgebreitet (Steuart als anchor man).
Dann zu Marshall:"However he overlooks the necessity of collateral to keep the banknote in circulation".
Dies ist ganz falsch. Denn das collateral lässt die Note nicht zirkulieren - wie denn? Dazu müsste man ja immer an den worst case denken: Kredit platzt und dann muss ich mich ans Collateral halten. Davon habe ich nichts, da die Note selbst ja keinen Zins bringt.
Next: Die immaterielle ETP wird durch den Zins materialisiert (wurde hier schon ausführlich diskutiert). Diese Transformation, so klug sie auch konstruiert ist, hat mE nicht hin. Dafür hat dann der Geldhalter die - ebenfalls immaterielle - Liquiditätsprämie. Frage: Wer leiht sich Geld, wenn er es nicht schuldig ist? Um etwas Immaterielles zu kassieren?
Abgesehen von der ETP, die Gläubiger und Schuldner in diesem Modell verlieren, was zur Frage führt: Warum begibt A und nicht B Geld?
Otto:"The loss of property premium of the creditor issuing money notes ist compensated by the rate of interest charged to his debtor - The loss of property premium of the debtor receiving the notes is compensated by money's liquidity premium, the immaterial yield of money's capacity of always meeting monetary claims."
Soweit so gut. Nur: Wo kommen die"monetary claims" her? Entweder sie sind schon da (bei mir: Abgaben) oder sie kommen erst, aber dann kann ich entweder entscheiden, wann sie kommen (Käufe, usw.) oder ich weiß, dass sie zum Termin x kommen (Steuern) - dann brauche ich sie erst zu diesem.
Oder:"In the money creating contract the collateral of the commercial banks secures the circulation of the notes of the central bank".
Es muss heißen:"The collateral secures the note." Ende. Warum sie zirkulieren und was die Zirkulierung sichert, wird damit nicht beantwortet.
Es läuft halt immer wieder darauf hinaus, dass alles okay ist, mit Eigentum und collaterals usw., aber das collateral für Geld selbst ist nicht irgendein property, sondern das ganz konkrete property right des Staates, Steuern kassieren zu können - eben der berühmte"overlord" zu sein.
Egal also, ob man bei money mit collateral arbeitet oder es als"wertvoll" anschaut, also Gold als Banknote, die ihren Wert der Einfachheit halber gleich mit sich führt: Damit wird leider nichts erklärt.
Sehr überrascht, als der TU-Dresden-Prof. Lehmann-Waffenschmidt die sich aus dem Debitismus ergebende boundlessness höchst witzig und intelligent interpretierte, wobei wir dann beim"to overcome mortality" usw. waren und dem"eritis sicut deus" (Faust usw.).
Den Pipes habe ich verblüfft, als er davon plauderte, dass es auch friedliches Verteilen von property gegeben habe, z.B. das Abstecken der claims in Kalifornien 1848 ff. - Leider war das Land vorher Herrn Sutter weggenommen worden, also die übliche Roma quadrata, außerdem sind claims als claims nichts wert - ich kann meinen Garten auch in claims abstecken.
Die Schwäche des property-Ansdatzes liegt im Ausblenden des Machtfaktors. Isser drin, erklärt sich der Rest wie von selbst, inkl."circulation".
Also für mich ist die Sache jetzt durch. Was mich aber viel mehr beunruhigt, ist Gunnars neues Buch"Söhne und Weltmacht", was er mir freundlicherweise gleich übereignet hat. Da bleibt kein Auge trocken, auch wenn er für in ca. 30 Jahren freundlicheres Wetter verheißt.
Den Faktor population auch noch einzubauen, fehlt mir erstmal die Kraft - da kann ich mich vor Gunnar nur tief verbeugen und sein Buch dringend zur Lektüre empfehlen.
Ach so: Prof. Stadermann hat sich sehr gefreut, dass ich eigens die 1. der sächsischen Münzschriften im Original mitgebracht hatte, die er in seinem erstklassigen Buch über"gutes Geld" behandelt hatte (hier damals lange Diskussion hier).
Ja und noch: Mit Prof. Graziani habe ich mich dann auch geeinigt:"no money is left for paying interest" - es sei denn immer neue debts (wie man einen Römer innerhalb von 5 Minuten zum"Debitisten" macht) und weil er klug erkannt:"central bank is not losing property premium, why 'interest'?" völlig klar: Der ZB-"interest" ist eben keiner, sondern eine Steuer (wie man denselben Römer 5 Minuten weiter auch noch zum"Poweristen" macht).
Summa: Immens viel dazu gelernt, massenhafte Hinweise, die erstmal aufgearbeitet werden müssen.
Beides bleibt vom Papierkorb verschont: Debitismus als Soft-Variante des Wirtschaftens (Termine variabel, jeder kann noch a bisserl hungriger werden), Powerismus als hardcore-Variante (Termine fest und sanktionsbewehrt plus das"Schwert des Romulus" als Sicherheit für privates Eigentum und Vollstreckung privater Kontrakte - und das unlösbare Vorfinanzierungsproblem).
Vermutlich hat Romulus das Schwert genauso aus einer Eiche gezogen und ergo"kostenlos" wie andere Helden auch - diese Mythen haben schon was...
Gruß!
(Der DANK an Popeye müsste so laut schallen, dass der PC platzt...)
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Popeye
01.12.2003, 17:59
@ dottore
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Re: Yes please - Papierkorb bleibt leer! Danke! |
-->Hallo, @dottore,
herzlichen Dank für diese dichte Zusammenfassung und den Kommentaren zu anderen Beiträgen und Diskussionspunkten.
Vielleicht kannst Du gelegentlich mal eine Liste der noch offenen/oder neu hinzugekommenen Fragestellungen ins Forum stellen, damit man einen 'blueprint' für weitere Analysepunkte hat.
Jedenfalls scheint es so, als ob Du keineswegs 'abgeschlachtet' wurdest. Vielleicht war aber jeder auch noch ein wenig zu sehr mit seinem eigenen Vortrag beschäftigt und einige Kommentare kommen erst ex post St. Gallen & Bremen??
Gibt es Bremen dann per Buch irgendwann?
Glückwunsch, allerherzlichsten!
Grüße
Popeye
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dottore
01.12.2003, 19:37
@ Popeye
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Re: Vor allem das youth-bulge-Problem! |
-->>Hallo, @dottore,
>herzlichen Dank für diese dichte Zusammenfassung und den Kommentaren zu anderen Beiträgen und Diskussionspunkten.
>Vielleicht kannst Du gelegentlich mal eine Liste der noch offenen/oder neu hinzugekommenen Fragestellungen ins Forum stellen, damit man einen 'blueprint' für weitere Analysepunkte hat.
Also da wären:
1. Warum kommt es zur Sesshaftigkeit? Ich gehe vom Jäger aus, der absolut affluent lebt (Sahlins et al.).
Möglichkeit a): Er sieht, dass er mehr aus dem Man Farming als aus dem Man Hunting zieht, was ihn unbeweglich macht, wobei es ihm beim Man Hunting nur um Eiweiß geht, wie beim Animal Hunting auch; man stelle sich vor: Ein einsamer Trupp Hunter, der gar nicht wissen kann, dass es auch andere Trupps gibt. Am Horizont taucht dieser Trupp auf. Natürlich wird er erlegt - viele Hominiden usw. sind ausgestorben, man weigert sich nur, daran zu denken, dass sie verspeist wurden. Aber es sind auch Kleine dabei, und der Trupp weiß, dass sie noch größer werden wie seine Kleinen auch größer wurden/werden und dass er sie mästen muss, die alte Hänsel & Gretel-story. Die Man Farmer müssen nun ihrerseits für die gefangenen Anderen ebenfalls jagen gehen, damit sie maximalen Eiweiß-Ertrag abwerfen. Irgendwann wird der Trupp zu groß oder (?) die zur Mästung Anstehenden beginnen, sich pflanzlich zu ernähren, usw. - und da das auch geht, geht es auch für die Jäger und die ganze Entourage lässt sich"nieder". (Danach geht's weiter à la Oaxaca mit Tribut usw.). Die picenische Stele zeigt das ziemlich klar.
Möglichkeit b): Die Jäger stoßen auf ihren Streifzügen tatsächlich auf das rich environment von Kelly, evtl. mit Tieren, die nicht fliehen oder sie beginnen, sich sonstwie vor Ort zu ernähren, ohne weiter zu ziehen. Danach starke Populationsvermehrung und tendenzielle Knappheit der Ressourcen (Söhne müssen weg, siehe Heinsohn, usw.). So oder so kommt es wieder zum Oaxaca-Modell: Die Stärkeren (weil mehr) lassen sich alles vom Schwächeren (weil weniger) servieren (erst Beute, dann Tribut), usw. Danach Hierarchie-Bildung und das Problem, die zunächst externalisierte Kostenbewältigung internalisieren zu müssen, mit den bekannten Folgen der Hierarchie-Gefährdung, Umsturz usw. (Tyrannis, oikos-Herren). Der attische Durchlauf also.
2. Das Eigentums-Aufteilungs-Problem. An der relativen"Gleichheit" ist ja was dran. Dann kommt es zur Besicherungs-Problematik (das Schwert des Romulus). Der Besicherer ist ja nicht blöd, sondern lässt sich das entgelten, auch wenn er zunächst als"uneigennütziger" Schiedsherr gestartet war. Er muss als Schiedsherr aber immer mächtiger bleiben als jene, über die er zu ent-scheiden hat. Seine Stellung ist begehrt und ergo umkämpft. Alle Schiedsherren-Plätze sind besichert ("Palast", Burg, Festung, siehe die Grundrisse etwa von Hatusa oder Megiddo). Der genaue Ablauf ist noch nicht klar: Ab wann muss sich der"Herr" verschanzen?
Das ganze Wechselspiel zwischen Offensive (Machterhalt, Machtexpansion) und Defensive (ebenfalls zum Machterhalt usw.) ist ziemlich kompliziert. Es ist aber so abgelaufen (sonst gäbe es nicht überall die selben Spuren wie Tempel, Burgen, Mauern, Paläste, usw., was heißt: Die Kosten für Offensive und Defensive, jeweils der"Herrschaft" steigen schnell. Damit gehen auch die Kosten der Vorfinanzierung hinauf und es muss mehr und mehr zediert werden, vgl. Commons (vielen Dank, der war sehr gut!).
3. Das Waffenkosten-Problem. Waffen lassen sich nur begrenzt monopolisieren (der stets"lahme" Schmied). Werden die Waffen entmonopolisiert oder billiger (der ganze Balkan und das bis zum Kaukasus hin, ist voller früher Waffenlager, die, da sie nicht als"Gräber" gedeutet werden können, da die Toten fehlen, bisher nur festgestellt, aber nicht gedeutet werden konnten)?
Gibt es Schübe in der Waffentechnik (a. Waffeneinsatz-Strategie), die wiederum Wechselwirkung auf die Ã-konomie haben? Auf so was wie Phalanx, schiefe Schlachtordnung usw. muss man erst mal kommen. Wers dann drauf hat, kommt in größte Probleme, da sich so was als Erfolgsmodell sofort rumspricht. Oder anders: Je mehr Mächte über die selben Waffen verfügen, desto entscheidender werden Strategie und Taktik bei ihrem Einsatz gegen andere Mächte, die auch gern (in Form ihrer Machthalter) so opulent leben wollen wie diese, die sie angreifen. Nur Idioten führen Krieg ohne Aussicht auf Beute und/oder Tribut - egal in welcher Form oder wer greift schon Eskimos an, um sie zu unterwerfen?
4. Das End Game. Ist alles zediert und sind alle Machterhaltungskosten damit logischerweise internalisiert (Demokratien) und gibt es keine freien Räume mehr (was wäre passiert, wenn es Amerika überhaupt nicht gegeben hätte, sondern tatsächlich nur Indien, wie vermutet?) und ist also alles verteilt und kommt das Vorfinanzierungsproblem mit voller Wucht daher - wie geht's zu Ende?
Wir reden schlau von inflationärer oder deflationärer Lösung. Aber es ist natürlich keine"Lösung", sondern ein vollständiger Machtzusammenbruch, bei dem die Machtmittel (Waffen) nicht mit zusammenbrechen. Ist es dann die permanente Revolution, wobei immer neue und ganz andere Revolutionäre auftreten? Sind's die (von mir vermuteten) Warlords, also"Rückfall" in kleine Machtzentren, die dann wieder zu größeren werden - aber über allem schweben ja die bekannten und nach wie vor einsatzbereiten WMDs. Das Heinsohn'sche Szenario ("irgendwie" Befriedung, nachdem sich alles ausgetobt hat, Terror usw., weil es dann nirgendwo mehr youth bulges gibt) befriedigt bei aller Stringenz nicht. Seine Schlussworte:
"Bei einer Wende nicht nur Amerikas, sondern auch Europas zurück zur Eigenvermehrung muß der Druck der youth-bulge-Länder, und von dort ausgehend, auf der ganzen Welt wachsen. Man mag das vernachlässigen, weil sich ohnehin nur 60 von 600 Millionen in den kommenden 15 Jahren eine Chance (i.e. auf"Posten", PCM) hätten ausrechnen können. Aber man verspürt vielleicht spätestens dann, daß im ersten Viertel des 21. Jahrhunderts noch ganz andere Verluste [sic!] anstehen könnten als im gesamten Jahrhundert davor. Daß ein solcher Satz Unrecht behalten will, versteht sich von selbst."
... wirken mehr als wishful thinking denn als knallharte Analyse von Unausweichlichkeiten. Die 540 Millionen"Leerausgeher" müssen schließlich auch erst mal"weg". Und wenn sich nur ein Promille davon standesgemäß verabschiedet, also den Staniolstreifen zieht, haben wir 540.000 gewaltige Semtex-Blitze zu bestaunen.
Das hält auch eine UNO-Staatengemeinschaft schlicht nicht aus. Nicht mal 54.000. Also das End Game sub specie youth bulge und nicht nur sub specie Ã-konomien und Finanzen wird gar nicht glatt ablaufen.
>Jedenfalls scheint es so, als ob Du keineswegs 'abgeschlachtet' wurdest.
Keineswegs. Wie alle Schalmaien-Theoretiker sind sie um den heißen Brei herumgeschlichen. Zutiefst verunsichert indes (soweit ich Einzelgespräche führen konnte) waren sie allesamt.
>Vielleicht war aber jeder auch noch ein wenig zu sehr mit seinem eigenen Vortrag beschäftigt und einige Kommentare kommen erst ex post St. Gallen & Bremen??
Bisher noch nicht.
>Gibt es Bremen dann per Buch irgendwann?
Ja, Metropolis-Verlag. Alle Vorträge. Allerdings in Kurzform, die ich erst noch erstellen muss. Das Grand Oeuvre kommt dann extra. er Verleger, falls sich einer findet, tut mir schon jetzt leid. Ich habe aber fest gebucht eine Lauwasch-Form in Wiederauflage früherer zum"Niedergang" der BRD. Dabei muss ich mir eine"Lösung" einfallen lassen, die etwas intelligenter ist als Sparappelle usw.
>Glückwunsch, allerherzlichsten!
Kann ich nur mit allerherzlichstem Dank erwidern.
Grüße zurück!
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MikeFFM
01.12.2003, 21:17
@ dottore
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Wie kömmts, dass gleich zwei ZB vertreten waren? |
-->>Hi,
>aaaalso:
>In St. Gallen, Baldur hatte es schon bestens beschrieben (DANKE!), fiel mir noch auf, dass je ein Herr der Buba und der SNB anwesend waren.
Hallo dottore,
sind die eingeladen worden oder eher als"Kontrolle" dagewesen oder aus gar eigener Ahnungslosigkeit, pardon, Interesse?
fragt sich MikeFFM
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