-->Milliardenrisiko
Eine geplante Steuerrechtsänderung in den USA könnte deutsche Kommunen stark belasten
Egal, wie man das nun nenne, für ihn sei das »schlichter Steuerbetrug«, wird der republikanischer US-Senator und Vorsitzende des Finanzausschusses, Chuck Grassley, zitiert. Gemeint ist damit das sogenannte Cross Border Leasing. Darunter versteht man grob vereinfacht ein mehrstufiges Leasinggeschäft mit öffentlichem Eigentum wie beispielsweise Wasserwerken und Verkehrsbetrieben, was in den USA beträchtliche Steuervorteile für den Investor auch dann ermöglicht, wenn der Deal im Ausland stattfindet. Rund zweihundert Großstädte und Kommunen haben sich in Deutschland inzwischen auf derartige Geschäfte eingelassen, von denen sie sich kurzfristige Entlastungen der Haushalte versprechen. In diese fließt nämlich ein Teil der steuerlichen Profite der US-Investoren, oftmals im zweistelligen Millionenbereich. Doch seit längerer Zeit warnen Kritiker derartiger Geschäfte vor den unkalkulierbaren Risiken für die öffentliche Daseinsfürsorge. Auf Druck von örtlichen Bürgerbewegungen, an denen oft auch das globalisierungskritische Netzwerk Attac beteiligt war, wurden etliche geplante CBL-Geschäfte von den Stadtverwaltungen wieder abgeblasen, beispielsweise in Frankfurt am Main und im bayrischen Kulmbach.
Als eines der Risiken war von Kritikern immer wieder eine mögliche Steuerrechtsänderung in den USA genannt worden, die unter Umständen schwerwiegende Konsequenzen für die Städte und ihre Finanzplanung haben könnte. Genau eine solche Gesetzesänderung hat Senator Grassley am 18. November eingebracht, eine Entscheidung wird allerdings nicht vor Februar oder März erwartet. Seine Begründung: Das gesamte Geschäftsmodell diene ausschließlich der systematischen Steuerhinterziehung. Dadurch gingen dem US Finanzministerium Internal Revenue Services (IRS) Milliarden, ja vielleicht sogar Billionen an Steuergeldern verloren.
Neu ist diese Erkenntnis nicht. Die IRS hatte bereits in den vergangenen Jahren diesen Transaktionen den steuerbefreienden Charakter mit der Begründung abgesprochen, der rein zirkuläre Charakter des Hin- und Zurückleasens lasse keinen wirtschaftlichen Zweck im Sinne von Wertschöpfung erkennen. Bisher waren CBL- Geschäfte aber durch die föderale Struktur des Finanzwesens in den USA geschützt. Alle Trusts, die CBL-Geschäfte abwickeln, sind im kleinen Bundesstaat Delaware angesiedelt, der spezielle Steuerbedingungen bietet. Doch jetzt reagiert die Branche zunehmend nervös. Die Entwicklung sei beunruhigend, erklärten Vertreter von beteiligten Finanzstrusts in mehreren Wirtschaftsmedien und betonten zugleich, daß solche Gesetzgebungsentwürfe bereits wiederholt eingebracht wurden und von der Mehrheit des Kongresses bisher stets abgelehnt worden seien. Das könnte diesmal durchaus anders sein. Dafür spricht auch die deutliche Mehrheit im Finanzausschuß, wo sich 19 von 21 Senatoren für die Abschaffung der Steuervergünstigungen für CBL-Deals aussprachen.
Doch auch die europäische Kritik an derartigen Geschäften macht den Finanzmogulen zu schaffen und wird zurückgewiesen. Schließlich sei es »üblicher Mindeststandard, daß das Steuerrechtsänderungsrisiko beim amerikanischen Vertragspartner liegt«, heißt es in einem Artikel. Auszüge aus Verträgen, zum Beispiel denen des geplatzten Deals in Frankfurt, zeigen etwas anderes. Nach dem sogenannten Steuerfreistellungsvertrag verpflichtet sich darin die Kommune, »den Investor für den Verlust einkommensteuerlicher Vergünstigungen zu entschädigen.« Es kommt offensichtlich auf die konkrete Ausgestaltung des Vertrags der jeweiligen Kommune an. Die Folgen einer solchen Regelung wären jedenfalls katastrophal, besonders da der Gerichtsstand für entsprechenden juristische Auseinandersetzungen in den USA läge. Die US- Finanzstrusts könnten nicht nur den Barwertvorteil der jeweiligen Kommune zurückverlangen, der in der Regel vier Prozent des Steuervorteils beträgt, sondern die ganze Summe der entgangenen Steuererleichterung. Das könnte den sofortigen Bankrott der betroffenen Kommune bedeuten.
Anscheinend kommen inzwischen auch die großen Wirtschaftsprüfungs- und beratungsgesellschaften, die bisher glühende Verfechter derartiger Geschäfte waren, ins Grübeln. »Wir nehmen das sehr ernst«, sagte CBL-Experte Arnd Böhner von Ernst & Young. Dementsprechend sagte der Sprecher des NRW-Innenministeriums Harmeier, wenn die Steuervorteile in den USA abgeschafft würden, müßten die Städte unbedingt ihre Verträge überprüfen. Nur wenn die Abschaffung der Steuervorteile zu Lasten der US-Vertragspartner gehe, seien die deutschen Städte im Falle einer Anti-CBL-Entscheidung des Kongresses aus dem Schneider. Und wenn nicht?
aus junge welt
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