-->diesen imo sehr guten Beitrag von heute aus tradingsystem rein.
Für alle, die die von dottore angesprochene irrationale Situation
vermeintlich noch nachvollziehen können, vorab schon mal einen Satz aus dem Text:"Der Markt kommt immer wieder zu einem Bewertungsgleichgewicht zurück"
EUR-USD matters - sometimes, after some time!
von Manfred Hübner, sentix, 06. Januar 2004 15:07
Eine angeregte Diskussion läuft derzeit in der Anlegergemeinde:
Ist der steigende Euro-Dollar-Kurs positiv oder negativ für die europäischen Aktien?
Die Aktienbullen führen vor allem folgende Argumente ins Feld:
 Eine aufwertende Währung zieht i.d.R. weiteres Kapital an. Dieser Zustrom an Geldern steigert das Kursniveau des Ziellandes. Die positiven lokalen Returns geben positve Bestätigung für die getätigten Währungsengagements und führen unter Umständen zu einem selbsterneuernden Kreislauf aus Aufwertung und steigenden Assetpreisen.
 Ein steigender Euro ist nicht negativ, weil durch die Euro-Einführung die Abhängigkeit vom US-Dollar geringer geworden ist.
 Ein steigender Euro ist nicht negativ, weil sich die Unternehmen gegen Währungsveränderungen langfristig absichern.
Diese Pro-Aktien-Argumente werden im Folgenden einer näheren Betrachtung unterzogen.
In der Tat zieht eine aufwertende Währung weiteres Kapital an. Insbesondere wenn sie, wie aktuell im Fall des Euro, zusätzlich eine positive Carry, also ein höheres kurzfristiges Zinsniveau aufweist. Investoren können in die aufwertende Währung investieren und erhalten eine Prämie sofern sie am Geldmarkt anlegen. Verfügt zudem der Bondmarkt über höhere langfristige Zinsen, so wird auch der Rentenmarkt positiv tangiert, da die Anleger im Allgemeinen der Geldillusion unterliegen. Das heißt, sie investieren in die höheren nominalen Zinsen und beachten die jeweilige Inflationsrate nicht, da sie beabsichtigen, ihr Engagement zu günstigeren Währungskursen glattzustellen.
In Euroland sind die kurzfristigen Zinsen signifikant höher als in den USA, dies ist Euro-positiv. Auch der Bondmarkt"hängt" inzwischen relativ stark am Wechselkurs. Dies ist daran zu erkennen, dass die Zinsdifferenz Euroland zu USA seit Anfang 2003 den künftigen Euro-Dollar-Kursverlauf nahezu vollständig erklären kann.
Das Chart 1 zeigt den Kursverlauf des Euros gegen US-Dollar sowie - überlagert - die Zinsdifferenz Euroland/USA. Am aktuellen Rand ist zu erkennen, dass sich die Zinsdifferenz - bedingt durch den jüngsten Zinsanstieg in den USA - zu Gunsten des US-Dollars in Bewegung gesetzt hat. Das heißt, das die höheren Nominalzinsen inzwischen wieder in den USA zu finden sind und darüberhinaus durch den internationalen Zinsverbund an den Rentenmärkten Kursverluste drohen. Dies dürfte den Trend in den Euro aus Sicht der Bondinvestoren bremsen, da in diesem Fall kaum zusätzliche Duration gesucht wird.
Der Aktienmarkt profitiert ebenfalls von Kapitalzuflüssen, sofern die Bewertung relativ gesehen günstig ist und / oder die internationalen Anleger im Währungsraum unterinvestiert sind. Beides ist derzeit für den Euroraum der Fall. Europäische Aktien weisen ein niedrigeres KGV und eine höhere Dividendenrendite auf, als ihre US-Pendants.
Die generelle Bedeutung der Wechselkurstendenz für die Aktienmärkte wird aus Chart 3 ersichtlich: dieser zeigt die Entwicklung von EUR-USD und der relativen Stärke von DAX zu S+P500 (invers dargestellt). Hier wird deutlich, dass ein fester Euro in der Regel mit einer relativ schwächeren Performance des DAX einhergeht. Diese empirische Erfahrung steht im Widerspruch zur"Bullen"-Argumentation oben. Erst in der jüngeren Vergangenheit konnte der DAX den S+P trotz Euro-Aufwertung outperformen. Diese"Abkoppelung" ist ökonomisch zweifelhaft, da bei einer EUR-USD-Aufwertung europäische Unternehmen Wettbewerbsnachteile und US-Unternehmen Wettbewerbsvorteile erhalten. Solange es sich also bei einem Währungstrend"nur" um eine normale Anpassung und keine Zahlungsbilanzkrise (wie z.B. in Asien 1998) handelt, ist es ökonomisch sinnvoll anzunehmen, dass die Unternehmen des abwertenden Landes in LOKALER Währung besser performen, als die Unternehmen des aufwertenden Landes.
Diese relative Betrachtung legt natürlich nur eine relative Underperformance des DAX nahe, sagt aber noch nichts über die absolute Kurstendenz aus. Hierzu ist eine weitere Analyse notwendig:
Das zweite Chart zeigt den DAX und den inversen Kursverlauf Euro/US-Dollar, das heißt eine fallende Linie bedeutet einen steigenden Euro. Darunter ist die relative Stärke dieses inversen US-Dollars sowie des DAX abgebildet. These: steigt diese relative Linie erhält der Aktienmarkt Unterstützung vom Währungsmarkt, da relativ gesehen der US-Dollar besser performt als die Aktien, sich also quasi eine positive Bewertungsprämie für die Euro-Aktien aufbaut. Bei einer fallenden Linie baut sich dementsprechend eine negative Bewertungsprämie auf.
Was bedeutet diese Bewertungsprämie?
Betrachten wir hierzu nochmals die beiden letzten Pro-Aktien-Argumente: ein steigender Euro ist nicht negativ, weil (a) die Abhängigkeit vom US-Dollar durch die Euro-Einführung gesunken ist und (b) die Unternehmen sich gegen Währungsrisiken langfristig absichern.
Beide Argumente sind gültig, greifen aber nur bedingt:
 Der Binnenmarktanteil europäischer / deutscher Unternehmen ist durch die Euro-Einführung gestiegen. Früher wertete die D-Mark nicht nur gegen US-Dollar auf, sondern meist auch gleichzeitig gegen Lira etc. Dies ist jetzt nicht mehr der Fall und deshalb positiv für Aktien. Dagegen ist China inzwischen ein immer stärkeres Gewicht im Welthandel und bekanntlich ist die chinesische Währung an den US-Dollar gekoppelt. Darüber hinaus haben viele Unternehmen nach der letzten US-Dollarkrise entschieden, im US-Dollarraum zu investieren, um geringeren Währungsrisiken ausgesetzt zu sein. In bezug auf die Absatzmärkte lässt sich in gewissem Maße die Dollarsensitivität senken, in Bezug auf die GuV jedoch weit weniger stark, da die erzielten Einnahmen im Rahmen der Bilanzerstellung in Euro konvertiert werden müssen. Gleiches gilt für die Wertansätze der Auslandsinvestitionen. Während also die am Umsatz gemessene Dollarsensitivität gesunken ist, dürfte dies für die GuV der Unternehmen in geringerem Maße gelten. Im Übrigen zeigt Chart 2 das kein Strukturbruch in 1999 feststellbar ist, der darauf schließen ließe, dass der US-Dollar ein deutlich geringerer Kapitalmarkteinfluss ist, als vor 1999.
 In der Tat haben in den letzten Jahren viele Unternehmen den niedrigen Dollarkurs verstärkt zu langfristigen Kurssicherungen für sich genutzt. Porsche zum Beispiel soll sein Exposure bis zu 3 Jahren gesichert haben. Dies wirft zwei Fragen auf: (1) Haben die Unternehmen diese langfristigen Sicherungen zur Generalmaxime erhoben? Wenn ja, dann bedeutet dies, dass IMMER rollierend auf z.B. drei Jahre gesichert wird. Faktisch bedeutet dies, dass das durchschnittliche Exposure im MITTEL 1,5 Jahre gesichert ist. Ein Anhaltspunkt für"durchschnittliche" Sicherungskurse könnte deshalb der EUR-USD-Kurs vor 1,5 Jahren bzw. der 144 Wochen gleitende Durchschnitt sein. Vor 18 Monaten lag EUR-USD bei 95 Euro-Cent (GD: 100 Euro-Cent), ein komfortables Niveau - noch. Bereits in 6 Monaten liegt dieser rückblickende Kurs bei 104 Cent und in 12 Monaten 120 Cent! Die entsprechenden gleitenden Durchschnittswerte hängen dagegen vom künftigen Kursverlauf ab. Unterstellt man lediglich einen Seitwärtstrend von EUR-USD dürfte der GD höher als die zuvor genannten Werte sein. Das heißt, mit jedem Cent und mit JEDER WOCHE wird die Lage für"Dauer-Hedger" schlechter. Dies sollte in den nächsten Wochen stärker ins Bewusstsein der Anleger kommen und per saldo negativ auf die Aktien wirken. (2) Wenn sie nicht permanent sichern, heißt dies, dass künftig die Gewinne der Unternehmen wesentlich volatiler werden und vom"Können" und"Glück" der jeweiligen Währungsmanager abhängig sind. Auch dies ist derzeit bei den Anlegern so nicht präsent und ERHÃ-HT das Aktienrisiko.
Am Markt dagegen sinkt derzeit die Risikoprämie deutlich: die Aktienkurse steigen, bei steigenden Zinsen und fallenden impliziten Volatilitäten = GELASSENHEIT!
Im Übrigen ist dieser Zusammenhang nichts Neues und die Verdrängungsmechanismen arbeiten zuverlässig über die Jahre in beide Richtungen. Ich möchte diesbezüglich nochmals auf Chart 2 zu sprechen kommen:
Betrachten wir zuerst die Jahre 1983-1984. Der US-Dollar stieg und die Aktien stiegen in etwa in gleichem Maß. Es gab keine währungsbedingten Bewertungsverzerrungen, die deutschen Aktien profitierten vom STARKEN US-Dollar. Mit Beginn des Jahres 1985 drehte die US-Dollartendenz und die Aktien stiegen weiter! Ja klar, die Unternehmen haben sich abgesichert (natürlich langfristig!) und außerdem gab es bestimmt 1000 Gründe warum der schwache US-Dollar nicht schlecht für Aktien ist. Bis zu dem Zeitpunkt, zu dem sich die relative Kurve halbiert hatte. Dies bedeutete keineswegs das Ende der Dollarabwärtsbewegung, aber es bedeutende das Ende der Aktienaufwärtsbewegung. Der Markt ging in einen volatilen Seitwärtsmarkt über, was gleichbedeutend mit einer erhöhten Risikowahrnehmung ist. Warum geschah dies Anfang 1986? Vielleicht weil durch die fortschreitende Zeit das Argument der"langfristigen Sicherung" an Kraft verlor und zunehmend die Kehrseiten der Dollarschwäche sichtbar wurden.
Da im weiteren Verlauf der Jahre 1986/1987 der US-Dollar weiter gen Süden tendierte und gleichzeitig die Aktien eine Korrektur verweigerten, folgte"die Strafe" in Form des 87er-Crashs auf dem Fuß: der Markt kommt immer wieder zu einem Bewertungsgleichgewicht zurück. Fairerweise muss an dieser Stelle auf den bedeutenden Einfluss steigender US-Zinsen in 1987 hingewiesen werden. Aber auch aktuell sind die US-Renditen charttechnisch in kritischer Lage und nur wenige Basispunkte von einem Bruch des langfristigen Zinsabwärtstrendes entfernt!
Die nächste"spannende" Periode betrifft die Jahre 1997/1998. Leicht verändertes Bild: der US-Dollar steigt, die Aktien werden beflügelt. Jedoch steigen sie so stark, dass sich trotz steigendem US-Dollar die relative Bewertung verschlechtert, bis Sommer 1998 um 50%. Folge: starker Aktienmarkteinbruch, der durch den gleichzeitigen US-Dollarverfall noch an Schärfe gewann.
Ein ähnliches Muster auch im"Anlauf" der Märkte auf das 2000er-Hoch, welches die relative Bewertung um 32% reduzierte. Auffallend auch bei diesen Bewegungen: im Regelfall beschleunigen sich die relativen Bewegungen gegen Ende.
Auf der positiven Seite ist in den Jahren 2001 und 2002/2003 ebenfalls das Muster der positiven Bewertungsänderung erkennbar: der relativ starke US-Dollar veränderte die relative Bewertung um jeweils ca. 75% und bildete damit eine Unterstützung für die Aktien aus.
Es sei an dieser Stelle ausdrücklich betont, dass der Währungsmarkt eine sehr wichtige, aber keineswegs die allein gültige Indikation für die Kapitalmärkte ist.
Wie sieht es aktuell aus?
Vom Aktienmarkttief im März 2003 hat sich die relative Bewertung inzwischen um 50% verschlechtert, wobei sich die Bewegung in der jüngeren Vergangenheit zu beschleunigen beginnt. Der schwache US-Dollar wird nicht zum Problem, ER IST EINES GEWORDEN!
Abschließend noch ein kurzer Blick auf die Zyklik und damit auf das Zeitprofil dieser Analyse: relative Bewertungsänderungen durch Währungstrends haben einen typischen Vorlauf von ca. 6 - 18 Monaten, bevor sie auf die Aktienmärkte durchwirken. Inzwischen sind rund 9 Monate vergangen, wir befinden uns also inzwischen im"üblichen" Streubereich der Intermarketwirkungen. Ungeachtet dessen, was aktuell in den Medien berichtet wird: die Wirkungen der US-Dollarschwäche werden spürbar werden und die öffentliche Wahrnehmung wird sich diesbezüglich ändern.
Fazit: Diese Analyse soll den Wirkungszusammenhang der Euro-Dollar-Wechselkurstendenz und der Aktienmärkte aufzeigen. Es wurde gezeigt, dass die Aktien-Bullmarkt-Argumentation schlüssig, aber von zunehmend geringerer Bedeutung ist. Die Aktienmärkte reagieren nicht nur aufgrund von Änderungen der Ertragsperspektiven auf Wechselkursänderungen, sondern auch aufgrund relativer Bewertungen. Vor diesem Hintergrund ist der Schluss zu ziehen, dass sich aus Intermarketsicht die Risiken für Aktien erhöht haben, der Markt dagegen geringere Risiken eingepreist hat.
Nachtrag 06.01.2004, 16:30 Uhr 8:
Die höheren Risiken durch die"Bewertungsprämie" ergeben sich nicht durch einen klassischen Bewertungsvergleich zwischen zwei Assets - obwohl natürlich eine Assetkonkurrenz zwischen dem USD und den Aktien besteht -, sondern durch den, durch die starken Wechselkursveränderung in die Realwirtschaft implizierten Anpassungsdruck. Dieser wiederum erhöht die Volatilität der Realwirtschaft und letztlich auch die Assetvolatilität. Kostet eine Aktie € 100,-- bei 10% Vola ist diese bei einer Vola von 20% nicht mehr € 100,-- wert, da es immer eine Alternativanlage zu 0% Vola gibt, deren Bewertung statisch ist. Deshalb werden letztlich durch diese Währungsschwankungen sowohl die Assets der auf- wie der abwertenden Währung von der Risikoerhöhung betroffen.
Manfred Hübner
sentix - behavioral indices
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