-->Hier habe ich drei Artikelchen von Berliner Zeitungen zu einem(!) Bericht der Berliner Polizei, vorgestellt auf einer Pressekonferenz durch den Innensenator Körting.
Viel Spaß beim Staunen ;)
Der Tagesspiel schreibt das:
Berlin 13.01.2004
<h3>Wo es brennt im Kiez</h3>
Senator Ehrhart Körting legte dem Innenausschuss die kriminelle Landkarte Berlins vor - und warnte vor Ghetto-Bildung
„Sprechen wir nicht von Ghettos“, sagte Innensenator Ehrhart Körting (SPD) am Montag im Innenausschuss. „Sprechen wir von problemorientierten Kiezen. Aber wenn wir nicht handeln, bekommen wir dort am Ende Ghettos.“ Was Körting den Abgeordneten dann an Zahlen vortrug, ergab praktisch den Kriminalatlas von Berlin. Neun Gegenden sind es, in denen sich die Probleme konzentrieren. Die Menschen dort haben oft weder Bildung noch Arbeit, und viele sind Ausländer.
Zum Beispiel entspreche es in arabischen Großfamilien und Clans den Traditionen, Angelegenheiten untereinander zu regeln, sagte Körting. Die Polizei wird als Ordnungsmacht weder akzeptiert noch respektiert. Zu den „Angelegenheiten“ gehören aber auch solche, die nach deutschem Recht strafbar sind: Züchtigung der Ehefrau, Zwangsverheiratung der Tochter, Bluttaten zur Wiederherstellung der Ehre. Also schreiten Ermittler ein. „Unter diesen Leuten gibt es keine Bereitschaft, der Polizei mit Aussagen behilflich zu sein“, sagt Körting. Er nennt das die „Mauer des Schweigens“.
Auch wo die Verhältnisse nicht ganz so krass sind, gibt es Probleme. Körting zählte die Brennpunkte auf (siehe Grafik). Schlimmster Kiez ist danach Neukölln- Nord. Er hat so viele Bewohner wie eine größere Stadt (fast 156000), davon ein Viertel Ausländer, meist Türken oder Araber. 15450 Delikte gab es in der Zeit von Januar bis November 2003, vor allem Drogentaten, Körperverletzung und Sachbeschädigung. Die Häufigkeitsziffer liegt 40 Prozent über dem Gesamt-Berliner Schnitt.
Diese Häufigkeitszahl ist eine relative Zahl, eine Art Index, der im Verhältnis zur Einwohnerzahl errechnet wird. Er liegt in Gesamt-Berlin bei 7087, in Neukölln-Nord aber bei 9918. Der vergleichsweise kleine Soldiner Kiez in Wedding hat 8684, ist also auch überdurchschnittlich belastet - in absoluten Zahlen sind das 503 Taten, vor allem Körperverletzungen.
Im Innenausschuss des Parlaments wurden Lösungen diskutiert; Schuldzuweisungen blieben nicht aus. So meinte der grüne Abgeordnete Ã-zcan Mutlu, wenn man Zuwanderern die ganze Zeit das Gefühl gebe, sie seien hier nicht erwünscht, dürfe man sich nicht wundern, wenn sie sich nicht integrierten und Clans bilden. Man müsse den Ausländern auch Chancen geben, in dieser Gesellschaft anzukommen.
Andere wollen in den Problemgegenden mehr Wohneigentum schaffen, damit sich die Bewohner besser um ihren Kiez kümmern. Selbstkritisch stellte der CDU-Abgeordnete Kurt Wansner fest, es sei nicht gelungen, in der Wohnbevölkerung eine gute Mischung zu erreichen. „Multikulturell wäre ja gut, mit gegenseitigem Respekt, aber was wir haben, ist eher monokulturell“, sagte Wansner. Manche Straßenzüge werden von Russen dominiert, andere ganz von Arabern oder Türken bewohnt.
Zwei Polizisten berichteten von ihrem Alltag. Während der eine, zuständig fürs Rollbergviertel, dort eine Besserung feststellt, seit die Polizei mehr kontrolliert, sieht sein Kollege aus Kreuzberg-Nord die Sache düsterer: „Zum Teil findet deutsches Leben dort nicht mehr statt.“ Fatina Keilani
Die Berliner Morgenpost schreibt das:
<h3>Innensenator warnt vor Ghettos</h3>
Körting: Problemkiezen Rollberg- und Soldiner Viertel sowie Teilen von Spandau droht der soziale Verfall
Von Stefan Schulz
Innensenator Ehrhart Körting (SPD) hat vor der Gefahr entstehender Ghettos gewarnt. Im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses sagte er gestern, in neun Problemkiezen der Stadt drohe die Lage vollständig umzukippen.
"Es gibt noch keine Ghettos", sagte Körting,"aber wenn wir die Situation nicht in den Griff bekommen, dann bekommen wir ein Problem." Zu den neun so genannten Problemkiezen zählt der Senator allein vier Bereiche in Spandau: die Wilhelmstadt, das Falkenhagener Feld, die Neustadt und die Wasserstadt Oberhavel. Hinzu kommen das Rollberg-Viertel in Neukölln, Charlottenburg Nord rund um den Klausenerplatz, das Soldiner Viertel in Wedding, der Beussel-Kiez in Tiergarten und Schöneberg Nord rund um die Potsdamer Straße. Die Kieze zeichneten sich vor allem dadurch aus, dass sich Straftaten wie Körperverletzung, häusliche Gewalt, Sexualdelikte und Rauschgifthandel dort konzentrierten. Körting nannte als Gründe die hohe Arbeitslosigkeit, soziale Probleme und Verwahrlosungstendenzen. In manchen Gebieten, wie etwa dem Rollberg-Viertel, sei Integration immer weniger zu erkennen."Dort bewohnen bestimmte Nationalitäten ganze Straßenzüge, und es gibt auch keine Vermischung zwischen den verschiedenen Gruppen mehr." Aus polizeilicher Sicht könne man nur mit stetiger Präsenz der Beamten gegensteuern. Der Innensenator betonte aber auch, dass die im Kiez tätigen sozialen Gruppen die Verantwortung trügen.
Der Grünen-Abgeordnete Wolfgang Wieland forderte gemeinsame Anstrengungen."Man kommt an Grenzen in einer Stadt, wo das Sozialamt in vielen Bereichen der größte Brötchengeber ist", sagte er. Fritz Felgentreu (SPD) regte eine"aktivierende Sozialpolitik" in den Kiezen an. CDU-Innenpolitiker Frank Henkel warnte indes vor Ortsteilen, die bereits einem"Pulverfass" gleichen würden.
Ein Beispiel dafür ist das Neuköllner Rollberg-Viertel. Im Quartier leben 5800 Menschen. Der Ausländeranteil liegt bei 37 Prozent, jeder Vierte ist unter 18 Jahre alt, die Arbeitslosigkeit beträgt mehr als 20 Prozent. Ebenso wie die anderen Problemkieze ist auch das Rollberg-Viertel durch soziale Probleme und eine extrem hohe Zahl von Straftaten geprägt. 1384 Rauschgiftdelikte, 3564 Körperverletzungen, 2858 Sachbeschädigungen und 642 Raubtaten schlugen in den ersten elf Monaten 2003 zu Buche, was einer Kriminalitätshäufigkeit von 9918 Straftaten entspricht. Die Zahl berechnet sich aus den Deliktzahlen pro 100 000 Einwohner, geteilt durch die Zahl der Kiezbewohner. Damit liegt das Viertel weit über dem Berliner Schnitt von 7076 und an der Spitze aller Problemkieze. Fast ebenso hoch ist die Häufigkeit in den vier Spandauer Kiezen. Rund um die Potsdamer Straße liegt die Zahl bei 8862, im Soldiner Kiez bei 8684 und im Beussel-Kiez bei 7916.
Und die Berliner Zeitung schreibt das:
Dienstag, 13. Januar 2004
<h3>Die Problemkieze liegen im Westen</h3>
Polizei legt Stadtteil-Atlas vor: Neun Gebiete mit hoher Kriminalität Innensenator Ehrhart Körting (SPD) warnt vor Ghettobildung
Jan Thomsen und Andreas Kopietz
Innensenator Ehrhart Körting (SPD) hat vor einer beginnenden Ghettoisierung in Stadtteilen mit hohem Ausländeranteil gewarnt. Im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses sagte er, für bestimmte Wohngebiete wie das Neuköllner Rollbergviertel oder den Soldiner Kiez in Wedding gebe es ein"Risiko, dass diese Kieze in Richtung Ghettoisierung abkippen". Viele Ausländer, etwa arabische Großfamilien im Norden Neuköllns, blieben unter sich, ein Wille zur Integration sei immer weniger zu erkennen.
Zum Beleg, dass Integrationsprobleme mit hoher Kriminalität einhergehen, legte der Senator den Abgeordneten einen Plan mit neun besonders"problemorientierten Kiezen" der Hauptstadt vor, den die Polizei im Jahr 2003 auf Grundlage von Deliktzahlen so genannter kiezbezogener Straftaten erstellt hat. Die Polizei zählt dazu knapp 40 Tatbestände: unter anderem Körperverletzung, Raub, Diebstahl, Sachbeschädigung, Drogenhandel, Nötigung, Bedrohung und Freiheitsberaubung. Sämtliche Problemkieze liegen im Westteil der Stadt, und zwar in allen Bezirken bis auf Steglitz-Zehlendorf, Reinickendorf und - trotz des hohen Ausländeranteils von mehr als einem Drittel der Einwohner im Westen - auch Friedrichshain-Kreuzberg.
Gerade der Neuköllner Norden, wo vor allem Türken und Araber wohnen, schneidet in der Polizeistatistik schlecht ab. Laut Plan werden dort die meisten Kiez-Straftaten begangen, nämlich 40 Prozent mehr als im Berliner Durchschnitt. Eine hohe Zahl von Drogendelikten, Körperverletzung, Sachbeschädigungen und Raub sei registriert. Ähnlich sieht aus Polizei-Sicht die Situation im Norden Schönebergs aus, wo bei einem Ausländeranteil von 28 Prozent vor allem Türken, Ex-Jugoslawen, Polen und Araber leben. Weniger bekannt sind bislang die Schwierigkeiten im Bezirk Spandau, der gleich vier Problemkieze aufweist. Im Neubaugebiet der Wasserstadt zum Beispiel verzeichnete die Polizei im vergangenen Jahr besonders viele Diebstähle aus Keller- oder Bodenräumen. Im Spandauer Kiez Falkenhagener Feld wiederum gibt es laut Polizei verstärkt"Gebietsstreitigkeiten" zwischen jungen Aussiedlern und Türken.
Senator Körting betonte zwar, dass es nirgendwo in Berlin"No-go-Areas" gebe, also Wohngebiete oder Straßenzüge, in denen die Polizei oder andere Bürger von den Anwohnern nicht geduldet würden. In Neukölln sei jedoch der Widerstand gegen Polizeibeamte im Einsatz besonders häufig. Dort wurde im April vergangenen Jahres auch der SEK-Beamte Bernd Krüger beim Versuch erschossen, einen Libanesen zu verhaften. Arabische Großfamilien, die vielfach in der Gegend um die Sonnenallee wohnen, wollten ihre Auseinandersetzungen teils mit eigenen Schlichtern unter sich regeln, anstatt sich an die Polizei zu wenden, sagte Körting. Das berichten auch immer wieder Beamte aus den örtlichen Schutzbereichen. Die Konfliktlösung übernehmen dabei so genannte Friedensrichter. Meist werden Auseinandersetzungen gegen Geldzahlungen beigelegt.
Der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Frank Henkel, sagte, gerade im Soldiner Kiez gebe es sehr wohl Straßenzüge, in die sich"aus Angst vor Gewalt" kaum noch jemand traue. Im November 2003 hatten dort zwei junge Araber mit einer Eisenstange die Scheibe eines Funkwagens eingeschlagen und dabei einen Polizisten verletzt. Der grüne Innenexperte Wolfgang Wieland warnte allerdings vor einer Dramatisierung. Probleme in Stadtteilen mit vielen Migranten könnten Innensenatsverwaltung und Polizei nicht lösen."Die Polizei kann nicht den Sozialingenieur spielen", sagte Wieland. Zur Kriminalitätsbekämpfung bedürfe es vor allem besserer präventiver Arbeit. Der FDP-Innenexperte Alexander Ritzmann erklärte, man dürfe eine vorhandene Tendenz zur Abschottung nicht verstärken, indem man Ghettos ausrufe und die Lage skandalisiere."Das Hauptproblem sind die Ghettos in den Köpfen". Seite 16
Ob die wohl auf der gleichen Pressekonferenz waren? Oder liegt es daran, daß jeder durch seine speziell getönte Brille schaut?
J
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