-->Von Rolf Hochhuth
Nicht ich"bringe die Guillotine in einen Zusammenhang mit Managern", wie der BDI-Präsident mir vorhält. Sondern ich schrieb mit Benn:"guillotinereif" sei eine Gesellschaft, die - um bei ihrem erlauchtesten Beispiel: Ackermanns Deutsche Bank zu bleiben -, nach einem Gewinn von 9,8 Milliarden Euro vierzehn Prozent ihrer Mitarbeiter hinauswirft: 11 080 Banker! Da Herr Ackermann Eidgenosse ist, scheint es mir so human wie nötig, ihn an Wilhelm Tell ("Rebell und Mörder", Bismarck) und an Jacob Burckhardt zu erinnern, die beide den"Mord als Hilfsmittel" legitimiert haben, der eine praktisch, der andere aus seiner Geschichtskenntnis. Und Ackermann weiß, was Geßler, gemessen an ihm, für ein grotesk harmloser Mann war.
Burckhardt, 1867:"Es liegt nahe, dass zunächst bei Abwesenheit aller legalen Rechtsmittel, da man Richter in eigener Sache wird, eine Regierung oder ein Idividuum die Zernichtung des Gegners unternimmt." Der Basler schrieb"Zer" - nicht: Vernichtung. Welches"legale Rechtsmittel", sollte Herr Ackermann sich fragen, hat einer seiner von ihm 11 080 Liquidierten? Und er sollte wirklich fürchten, dass es ihm ergeht wie Rohwedder, gegen den ja auch kein einziger der siebzehn Millionen Ossis"ein legales Rechtsmittel" gehabt hat. Dass Meuchelmord amoralisch ist - so amoralisch wie die Geschichte als Ganzes - ist eines. Dass er auf Dauer nie vermeidbar ist, wie die Überlieferung lehrt, ein anderes.
Die Deutsche Bank, im selben Jahr gegründet wie Bismarcks Reich: 1871, hat trotz ihres Rekordgewinns nach 130 Jahren völlig niederträchtig an ihren Mitarbeitern gehandelt, doch weil sie die prominenteste deutsche Firma ist, wurde ihr Schurkenstück zum Musterstück für ausnahmslos alle Großbetriebe. Während die Deutsche Bank dem ausscheidenden Direktor Breuer seinen Abgang mit neun Millionen Euro versüßte, als sie schon wusste, sie werde diese Massenentlassungen vornehmen - versichert heute der Schweizer Josef Ackermann, es sei sogar"rechtens", dass er 55 Millionen Euro Schmiergelder beim Verkauf von Mannesmann"gewährt" hat. Mag man diese Schmiergelder auch als"Prämien" oder Abfindungen"verbrämen" - entzogen dem Betrieb sind sie in jedem Fall; schnuppe, wer sie bekam...
Typisch auch, dass unsere Fernseh-Moderatoren, allesamt Unterlinge der Wirtschaft, deshalb mit keiner Silbe die Betroffenen erwähnten, denen"Schaden erwachsen sei", nämlich die Angestellten, oft Entlassenen - sondern allein die Aktionäre...
Zwickel als Mitangeklagter beweist, dass Links oder Rechts überhaupt keine Kategorien mehr sind.
Frau Merkel z. B. zetert, der"Wirtschaftsstandort Deutschland sei gefährdet", wenn endlich ein Staatsanwalt Korruption untersucht.
Der Bundeskanzler sagt lachend in die"Tagesschau":"Von besser geplanten Subventionen schon gehört!" - wenn ihm mitgeteilt wird, die Fusion der Dresdner mit der Deutschen Bank sei geplatzt. Statt dass dieser als SPD-Mann Firmierende sich erleichtert zeigt, wenn zunächst einmal die Entlassung von weiteren 16 000 Bankern, die der Fusion geopfert werden sollten, aufgeschoben ist...
Ein ebenfalls beispielloses Wirtschaftsverbrechen hat mich veranlasst, vorige Woche vor der Dahlemer CDU gegen die Nominierung Schäubles zum Bundespräsidenten zu sprechen. Denn Herr Schäuble hat federführend seine ohne Ironie"Treuhand" genannte Mafia ermächtigt, zu verhindern, dass auch nur ein einziger Ossi im Radius von zwanzig Kilometern um die Friedrichstraße einen Milchladen kaufen konnte! Weil Schäuble sämtliche Bauten von Wert wie allen Boden in der DDR allein den Westeuropäern samt uns Wessis verhökern ließ. Wenn BWB das Palais Liebermann, Wand an Wand mit dem Brandenburger Tor, sich untern Nagel riss, schenkte der Kohlstaat BWB dazu noch 50 Prozent Steuern!
Herr Schäuble soll von Glück sagen, noch auf freiem Fuß zu sein, statt Bundespräsident auch über die von ihm zu Parias gemachten 17 Millionen werden zu wollen. Er hat die Ostzone, die allein vierzig Jahre lang unter den Stiefeln der Rotarmisten die Ruchlosigkeiten der Deutschen Wehrmacht in Russland abgebüßt hat, auch für uns Westzonen-Deutsche, allein an Wessis oder meist sogar an Ausländer verschleudert. Dagegen hat ein anständiger Mensch wie Havel in Prag nur erlaubt, dass allein Tschechen - wie das die Schweizer seit Generationen auch tun - Land und Häuser der CSSR zu kaufen und dank der Grundstücke selber"kreditwürdig" werden. Schäuble dagegen hat siebzehn Millionen seiner Nation zu Proletariern gemacht! (Proletarier heißt der Besitzlose, wie ich dem Lexikon noch heute glaube).
Schäuble hat somit durch den Ausverkauf zwischen Werra und Oder allein an Landfremde samt uns Wessis verhindert, dass ein einziger Ossi mitbieten konnte. Er hat sich damit an den Ossis vergangen, wie die Amerikaner es getan hätten - das haben sie aber nicht, weil sie unter Truman und Eisenhower die weitaus anständigste Besatzungsmacht der ganzen Weltgeschichte gewesen sind - wenn sie ihre Marshall-Plan-Milliarden nicht uns geschlagenen Kriegsverbrechern zum Wiederaufbau geschenkt hätten -, sondern ihren eigenen Geschäftsleuten. Und hätten die ermutigt: Fliegt mit den Dollars nach Frankfurt, und kauft euch Siemens und die IG-Farben und das Ruhrgebiet und die süddeutschen Rittergüter und die Hotels und die Werften: Die liegen jetzt alle angebombt im Dreck, aber eben deshalb kriegt ihr die für 'n Appel und ein Ei. Die europäische Geschichte kennt kein Beispiel, dass die Hälfte einer Nation die andere Hälfte jemals um ihr gesamtes nennenswertes Eigentum geprellt hat wie der Kohlstaat die Honecker-Untertanen.
erschienen am 24. Jan 2004 in Kultur / Medien
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