-->hallo,
ja, warum macht er es dann so selten - das schlaue Kerlchen?
aws.
kiz
<font size="5">Was Kant Anlegern zu sagen hätte </font>
von Bernd Niquet
Berlin - In seinem 200. Todesjahr ist der Philosoph Immanuel Kant wieder en vogue. Eigentlich paradox, wenn jemand besonders aktuell ist, weil er lange tot ist. Womit wir bei der Börse wären. Denn die ist auch stets paradox.
Im Grunde passiert mit Kant heute das Gleiche wie mit John Maynard Keynes, der zwar eine revolutionäre Geldtheorie entwickelt hat, die jedoch keiner kennt, weil alle Keynes nur von der in der Praxis so dümmlich ausgeführten staatlichen Nachfragepolitik her kennen. Und was bei Keynes das"deficit spending", ist bei Kant der kategorische Imperativ. Millionen Schüler (vielleicht mit Ausnahme von Josef Ackermann, Klaus Esser und Klaus Zwickel) sind mit dem kategorischen Imperativ gezwiebelt worden, der fordert, man möge sich stets so verhalten, dass das eigene Verhalten zum allgemeinen Gesetz werden könnte. Doch Börse und Moral - das ist ein schlüpfriges Terrain!
Weit interessanter für Börsianer ist da Kants Erkenntnistheorie. Über diese gibt es nur ein Urteil: Sie ist so revolutionär, dass sie auch 200 Jahre nach Kants Tod (außer von ein paar Spezialisten) von niemandem begriffen worden zu sein scheint. Denn Kant hat uns Unglaubliches zu vermelden: Wir haben keine Chance, die Welt, die um uns herum existiert, so wahrzunehmen, wie sie ist. Sie erscheint uns vielmehr in dem Licht, das wir selbst auf sie werfen: So, wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus. Was jedoch bedeutet, dass der Schall, den wir aus dem Wald vernehmen, wenig über den Wald, dafür viel über uns sagt. Womit wir endgültig bei der Börse wären.
Naive Zeitgenossen halten es für möglich, die verborgenen Börsen-Gesetze herauszuarbeiten und erkennen zu können. Hätten sie hingegen ihren Kant gelesen, dann wüssten sie, dass dies auf Ewigkeit unmöglich sein wird."Der Verstand schöpft seine Gesetze nicht aus der Natur", hat Kant 1783 in seiner"Kritik der reinen Vernunft" geschrieben,"sondern schreibt sie dieser vor". Dies ist Kants berühmte, jedoch unbeachtete kopernikanische Wende. Und wo könnte es wahrer sein, was Kant uns zu vermelden hat, als an der Börse. Wenn selbst die Natur von uns nur dadurch erkannt werden kann, dass wir ihr unsere Erkennungsschemata aufdrücken, was soll dann erst mit der Börse sein?
Nehmen wir etwa die (aus Kantischer Sicht) naive These, dass der Kurs einer Aktie sich stets an ihrem inneren Wert orientieren soll. Um dies überprüfen zu können, müssten wir mehr wissen, als wir wissen können. Wir müssten davon ausgehen, dass Preis und Wert voneinander abweichen, was jedoch in einer Geldwirtschaft unmöglich ist, da wir hier allein über das Preissystem als Bewertungsmaßstab verfügen. Wir befinden uns damit prinzipiell in der gleichen Situation, in der Kant um 1750 steckte, als er darüber reflektierte, ob die"Dinge an sich" hinter den Erscheinungen für uns überhaupt zugänglich sind. Kant verneinte und schrieb:"Die Erscheinung ist das allein Wahre." Und das Ding an sich bleibt für uns unzugänglich.
Wer sich so der Börse nähert, erspart sich Mühe und Leid. Denn ein derartig aufgeklärter Anleger weiß so gut wie Kant, dass"die Vernunft nur das einsieht, was sie selbst nach ihrem Entwurf hervorbringt". Er wird sich daher des Versuchs erwehren, klüger sein zu wollen, als wir sein können. Er wird sich auf seinen Verstand berufen und jegliche vermeintliche Objektivität, die sich nach Ansicht in der Kantschen Theorie Ungeschulter hinter den Erscheinungen verbergen soll, unbeachtet lassen.
Klassisches Merkmal aller Kantianer unter den Anlegern ist folglich ihre Aufgeklärtheit. Denn wie schrieb Kant über Aufklärung?"Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude! [/b]Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung. Und Selbstdenken heißt: den obersten Probierstein der Wahrheit in sich selbst zu suchen." Dem bleibt nichts hinzuzufügen.
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