-->Guten Morgen
Glaubwürdigkeit haben in US und GB weder die Dienste noch die Regierungen. Daher geht es um mehr als ein Schwarz Peter Spiel. Es dreht sich um das Mass an Glaubwürdigkeit des Staates, ohne das die Zerrütung der polit. Kultur kein Ende finden wird auf der Fahrt ins Verderben.
Ob die Justiz ihren Part noch spielen kann/muss und die Glaubwürdigkeit der Staatsmaschinerie retten wird, ist wieder einmal bei Hoffnung angesiedelt.
Huttonisierende Pseudountersuchungen jedefalls reichen nicht nur nicht aus, das Vertrauen wieder herzustellen, sondern fahren die Sache tiefer in die Finsternis.
8. Februar 2004, 02:06, NZZ am Sonntag
Wer zieht den schwarzen Peter?
Die Geheimdienste an der Schnittstelle von Demokratie, Staatsräson und Spionage
In London und Washington ringen Ausschüsse mit der dornigen Frage, ob die Geheimdienste falsche Angaben über den Irak an die Politiker weitergaben. Auf dem Spiel steht die Glaubwürdigkeit künftiger Warnungen vor allerlei Unbill.
Martin Alioth, Dublin
Mit George Smiley und James Bond verfügen die britischen Geheimdienste über fiktive Denkmäler, die ihresgleichen suchen und die das Bild des Gewerbes nachhaltig geprägt haben. Smileys Ziehvater John Le Carré verwendet den ansonsten wenig üblichen Ausdruck «tradecraft» auffallend häufig, um das Handwerk zu beschreiben; nicht so sehr die Berufsregeln des Agenten im Feindesland, als vielmehr jene des Analytikers, der die Synthese aus dem bunten Puzzle von Informationen heraussiebt. George Tenet, der reale Chef der amerikanischen CIA, sprach letzte Woche ebenfalls von «analytical tradecraft». Exakt um die Qualität dieser Auswertungen von nackten Daten notwendigerweise zweifelhaften Ursprungs und um die mögliche Verzerrung dieser Erkenntnisse durch die bekannten Wünsche der Politiker geht es bei den laufenden Untersuchungen in London und Washington. Parlamentarische Demokratien fordern - mindestens im Nachhinein - Rechenschaft darüber, ob ihre Soldaten mit irreführenden Behauptungen in einen völkerrechtlich nicht sanktionierten Krieg entsandt wurden.
Eine Pyramide von Filtern
Nach Schätzungen des britischen Nachrichtensenders Sky beschäftigen die beiden Säulen der britischen Auslandspionage über 6000 Angestellte und verfügen über ein kombiniertes Budget von 550 Millionen Pfund (1,2 Milliarden Franken) pro Jahr. MI 6, offiziell Secret Intelligence Service (SIS), die Auslandspionage mit ihrem auffälligen, spöttisch als «neo-babylonisch» bezeichneten Hauptquartier an der Themse, beaufsichtigt die Eleven von James Bond, während GCHQ (Government Communications Headquarters) das Ohr der britischen Regierung im Äther darstellt: Aus ihrem ringförmigen Neubau in Cheltenham hören, entziffern und übersetzen die polyglotten Angestellten alles, was in der Welt vorgeht - vom Mobiltelefon in Clapham über das Lokalradio in Kandahar bis zum Chatroom im Internet. Die Fülle der vorgefilterten Daten findet alsbald ihren Weg ins britische Verteidigungsministerium, zum Defence Intelligence Staff (DIS), für den unter anderem der verstorbene David Kelly arbeitete. Hier wird ausgewertet, analysiert, abgewogen. Das ist Tradecraft.
Sämtliche Geheimdienste Ihrer Majestät koordinieren ihre Aktivitäten im Joint Intelligence Committee (JIC), derzeit unter dem Vorsitz von John Scarlett. Scarlett war der verantwortliche Redaktor des bekannten Dossiers der britischen Regierung über ABC- Waffen des Iraks vom September 2002. Scarlett nahm die Änderungswünsche der engsten Mitarbeiter des Premierministers Blair, Alastair Campbell und Jonathan Powell, entgegen und entsprach deren Forderung nach absoluten Behauptungen in vielen Fällen.
Nicht erst, seit die zwei Untersuchungskommissionen in den USA und Grossbritannien eingesetzt worden sind, melden sich pensionierte und andere ehemalige Geheimdienstler eifrig zu Wort. Die Zahl der Redewilligen aber hat sich seither auf beiden Seiten des Atlantiks vervielfacht. Sie befürchten, dass die Anlage und der Auftrag der Untersuchungen unvermeidlich dazu führen, dass Nachrichtendienste angeschwärzt werden, während die Politiker ihre weisse Weste anbehalten dürfen. Brian Jones, der bis vor wenigen Wochen im britischen Verteidigungsministerium als Fachkollege David Kellys arbeitete, nahm diese Woche in der liberalen Zeitung «Independent» kein Blatt vor den Mund. Gemeinsam mit seinen Kollegen habe er darauf gedrängt, dass das Dossier die Existenz von irakischen B- und C-Waffen als «wahrscheinlich» bezeichnen sollte. Doch als er gegen das Fehlen von relativierenden Formulierungen protestierte, wurde ihm beschieden, MI 6 verfüge über derart brisante Zusatzinformationen, dass seine Bedenken gegenstandslos seien. Jones bekam diese angeblichen Fakten indessen nie zu Gesicht, ebenso wenig sein Chef, der trotzdem beschloss, die Proteste seines Untergebenen zu ignorieren. «Mein Vorgesetzter war brandneu im geheimdienstlichen Geschäft, unvertraut mit den Auswertungsverfahren», schrieb Jones; mit anderen Worten: Dem Chef fehlte Tradecraft.
Es liegt in der Natur der Sache, dass die Arbeit der Geheimdienste nie zeitgleich von gewählten Repräsentanten beaufsichtigt werden kann. Agenten riskieren ihr Leben und verdienen Diskretion. Doch der Widerspruch zu demokratischen und rechtsstaatlichen Normen ist augenfällig, und sogleich stellt sich die Frage: Darf ein Rechtsstaat seine eigenen Grundsätze verletzen, um sich selbst zu schützen? Darf der Staat seine Sicherheit zwielichtigen Subjekten anvertrauen? Eine Antwort könnte lauten: nur wenn die strikten Regeln von Tradecraft spielen.
Britische Militärs und Agenten benutzen Nordirland seit Jahrzehnten als Sandkasten. Bekannt ist seit kurzem, dass die polizeilichen und militärischen Geheimdienste dort paramilitärische Killerkommandos beider Konfessionen mit ihren Spitzeln steuerten, dass sie sogar willfährig Komplizendienste bei der Ermordung missliebiger Elemente leisteten. Der britische Staat war kombattant, nicht Schiedsrichter und Ordnungshüter. Liegt das noch im Interesse des Gemeinwesens? - «Und», wie die Römer fragten, «wer überwacht die Wächter?»
Gefordert ist Gewissheit
Seymour Hersh hat in einer Serie von Nachforschungen im Magazin «New Yorker» den Nachweis erbracht, dass der amerikanische Verteidigungsminister Rumsfeld im Pentagon das «Office of Special Plans» (OSP) kreierte, um die lästigen Regeln von Tradecraft zu umgehen. Mit direktem Zugang zum Präsidenten filterte das OSP - in enger Umarmung mit Ahmed Chalabis Irakischem Nationalkongress - ein Gruselkabinett irakischer Ambitionen heraus. Sidney Blumenthal, einst Berater Präsident Clintons, behauptete im «Guardian», 15 Mal sei das Wort «wahrscheinlich» aus dem amerikanischen Gegenstück des britischen ABC-Dossiers verschwunden. Blumenthal bezichtigt den CIA-Direktor Tenet der Willfährigkeit. Tenet selbst kam letzte Woche kaum überraschend zu anderen Schlüssen. Wer aber seine Rede sorgfältig liest, kommt nicht umhin, die Entfernung der Möglichkeitsform zu bedauern. Tenet räumt ein, dass sich bloss die Absicht Saddams zur Produktion von Massenvernichtungswaffen nachweisen lässt, nicht aber der Vollzug. Sind Absichten strafbar?
Zahlreiche Eingeweihte haben in den letzten Wochen bestätigt, dass es sämtlichen Geheimdiensten an menschlichen Quellen im Irak mangelte. Die Analytiker liessen die Politiker nie darüber im Zweifel, dass ihr Hypothesengebäude fragil war. Doch die Politiker verlangten Gewissheiten, weil sie - vermutlich - eine bereits gefällte Entscheidung rechtfertigen wollten. Blair musste letzte Woche zugeben, dass er noch am 18. März 2003, während der Unterhausabstimmung über den Kriegseinsatz, nicht wusste, dass die sogenannte 45-Minuten-Behauptung nur für taktische Gefechtsköpfe galt. Sein Dossier hatte vier Mal festgestellt, der Irak könne biologische und chemische Kampfstoffe binnen einer Dreiviertelstunde zum Einsatz bringen - ohne Angaben über das Trägersystem zu machen. Die Zeitungen titelten damals, die britische Garnison in Zypern sei unmittelbar bedroht, und kein Minister korrigierte diesen Eindruck. Blairs Berater Powell hatte in einer E-Mail geschrieben: «Was wird die Schlagzeile im (London Evening) ‹Standard› sein? Welche wollen wir?» Wegen dieser tiefschürfenden Überlegung wurde im Dossier behauptet, Saddam Hussein sei bereit, chemische und biologische Waffen einzusetzen. Die frühere Qualifikation, «wenn er angegriffen wird», fiel ersatzlos weg.
Auf beiden Seiten des Atlantiks steht der Vorwurf im Raum, dass die sauren Früchte geheimdienstlicher Arbeit versüsst wurden, um den Bedürfnissen der Politiker zu genügen. Blair hatte vollkommen Recht, als er im Unterhaus feststellte: «Wir sind die gewählten Politiker, wir fällen Entscheidungen. Es ist unsere Aufgabe, die Marschrichtung zu bestimmen, und Sache der Wähler, darüber zu urteilen.» Aber gleichzeitig schulden die Politiker den Wählern Rechenschaft über die Sorgfalt ihrer Meinungsbildung. Wenn sich jetzt herausstellt, dass Blair die richtigen Fragen nicht gestellt hat, weil er den Ausgang vorweg bestimmt hatte, muss er dafür die Verantwortung tragen. Denn die mutmassliche Manipulation der Geheimdienste auf Kosten der herkömmlichen Regeln von Tradecraft fordert einen hohen Preis: Wer wird noch nervös über die Streichung transatlantischer Flüge? - George Smiley wird nicht ungestraft übergangen.
Diesen Artikel finden Sie auf NZZ Online unter: http://www.nzz.ch/2004/02/08/al/page-article9E8SS.html
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<ul> ~ Schwarzer Peter...</ul>
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-->>Guten Morgen
>Auf dem Spiel steht die Glaubwürdigkeit künftiger Warnungen vor allerlei Unbill.
Bem:
Auf dem Spiel steht die Glaubwürdigkeit von Staatsinstitutionen und zweitens die der us-regierungshörigen, internnationalen, konservativen Edelnuttenpresse. Letztere hat bei ihrer Aufgabe un bei ihrem eigenen Anspruch, die Leser über die Fakten aus der polit. Welt sachangemessen zu informieren, völlig versagt. Wieso? Weil sie, was von US kommt, frei von eigenen Überlegungen hofpresseartig zum Besten gibt. Das heisst eine wache Zeit so beim Namen: Irreführung des Lesers. (Oder wie ich gerne sage: der Kunde ist der Idiot so oder so).
>Parlamentarische Demokratien fordern - mindestens im Nachhinein - Rechenschaft darüber, ob ihre Soldaten mit irreführenden Behauptungen in einen völkerrechtlich nicht sanktionierten Krieg entsandt wurden.
Bem:
Der Rechtsstaat fordert, dass die Justiz bei Verdacht auf Vergehen/Verbrechen des Staates aktiv wird.
Es darf nicht sein, dass die Justiz durch Unterlassung selber in den Schmutz gezogen wird.
Huttonisierende Kommissionen vertiefen nur das Loch, in das der Rechtsstaat fällt. Und das ist auch deren Zweck: das ganze in der Dunkelheit aus den Augen verlieren machen.
>Eine Pyramide von Filtern....
Bem:
Es mag ein Interesse haben, wie die Dienste beschaffen sind. Die NZZ lenkt mit solchen Erwägung aber vom Problem ab: wie weit darf der Staat -gesteuert von der jeweiligen Junta- die Bevölkerung in die Irre führen im Namen höherer und höchsthimmlischer Zwecke, die für die zu Idioten gemachte Masse völlig intransparent sind und nur für Eingeweihte zugänglich sind.
Was sind das für Zwecke, die dem Volk nicht mittgeteilt werden dürfen.
Hier ist der Boden, aus dem Verschwörungstheorien und -wirklich schlimm- ungesundes Misstrauen der Bevölkerung in den Staat spriesst.
Hier ist der Mist, auf welchem die sog. Qualitätjournallie -offensichtlich für alle, selber nicht eingeweiht in die Zwecke- ihre grosssprecherische Hofberichterstattung treibt.
>Doch der Widerspruch zu demokratischen und rechtsstaatlichen Normen ist augenfällig, und sogleich stellt sich die Frage: Darf ein Rechtsstaat seine eigenen Grundsätze verletzen, um sich selbst zu schützen? Darf der Staat seine Sicherheit zwielichtigen Subjekten anvertrauen? Eine Antwort könnte lauten: nur wenn die strikten Regeln von Tradecraft spielen.
Bem:
Blabla lallala. Dummheit oder chronischer Wille zur Verdrehung. Diese Zeitung ist eine Schande für den Berufsstand.
Nein die Frage lautet: darf ein Junta -gewählt auf Zeit- den Staat durch Lug und Trug für undurchsichtige Zwecke missbrauche?
>Gefordert ist Gewissheit
Bem:
.. vielleicht noch gepaart nicht mit 'brutalstmöglicher' Aufklärung. Nein, Wir verlangen eine Untersuchung durch die Justiz.
> weil sie - vermutlich - eine bereits gefällte Entscheidung rechtfertigen wollten.
Bem:
Das war für die NZZ ein grosser Schritt!
Vielleicht wird auch ihr einmal in ferner Zukunft die ganze Dimension dieser US/GB-Ungeheurelichkeit bewusst; ihr und den anderen Qualitätsversagern.
> Wenn sich jetzt herausstellt, dass Blair die richtigen Fragen nicht gestellt hat, weil er den Ausgang vorweg bestimmt hatte, muss er dafür die Verantwortung tragen.
Bem:
Blair gehört zweifellos vor ein Gericht. Die Verdachtsmomente reichen aus.
Aber die Verantwortung wird schon getragen: die Iraker, die Soldaten, die beschissene Bevölkerung, die Weltmeinung,...: sie alle tragen und bezahlen jetzt schon.
Auch der Begriff 'Verantwortung' ist diesem Deppenblatt nicht geläufig: Leere Worte über wichtige Themen stilistisch aufbereitet.
Die NZZ hat und leistet weiterhin -scheinbar etwas abnehmend- ihre ideologisierten Beiträge zu Verdummung und Verschleierung. Man sei auf der Hut!
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