-->Investoren wetten auf Arbeitslose
Von Heike Buchter, New York
Der Arbeitsmarkt war in den vergangenen Monaten in den USA immer wieder für eine böse Überraschung gut. Institutionelle Anleger haben jetzt die Möglichkeit, sich gegen die finanziellen Folgen der Enttäuschung abzusichern.
Dafür haben die Deutsche Bank und Goldman Sachs ein Derivat eingeführt. Wetten die Anleger sonst auf Kursverläufe von Wertpapieren, Rohstoffen oder Indizes, dient jetzt die Zahl der US-Bürger, die sich jeden Donnerstag neu arbeitslos melden, als"Underlying" für den Optionskontrakt.
Ã-konomische Entwicklungen wie steigende Arbeitslosigkeit, Inflation, sinkendes Verbrauchervertrauen bergen enorme Risiken für Marktteilnehmer."Wir bieten ein Instrument, mit dem sich Investoren gegen die Reaktionen des Marktes absichern können", sagt Bill Cassano, Vice President der Abteilung"Economic Derivatives" bei Goldman Sachs.
Banken mit Echo zufrieden
Am vergangenen Donnerstag fand die erste Auktion der Optionen statt. Die beteiligten Banken sind mit dem Echo zufrieden, wollten aber keine genauen Zahlen nennen. Institutionelle Investoren reichen vor der Veröffentlichung der wöchentlichen Arbeitslosen-Statistik ihre Gebote für die Optionen ein. Ein Teilnehmer kann etwa darauf setzen, dass die Arbeitslosenzahl über den Prognosen der Analysten liegt. Je höher der tatsächliche Wert der Statistik über der Optionszahl liegt, desto mehr Gewinn streicht der Anleger ein.
Die Deutsche Bank und Goldman haben bereits Erfahrung mit Derivaten auf volkswirtschaftliche Daten. Im Oktober 2002 starteten sie mit Optionen auf die Zahl neugeschaffener Stellen auf dem US-Arbeitsmarkt sowie auf den ISM-Index, einen wichtigen Indikator der US-Industrie. Im Mai 2003 legten sie mit einem Derivat auf die Euro-Zonen-Inflation nach.
Wunsch der Kunden
Das jüngste Produkt auf die US-Arbeitslosendaten sei auf Wunsch der Kunden aufgelegt worden, sagt Oliver Frankel, Managing Director bei Goldman Sachs. Zu diesen Kunden zählen Hedge Funds, Brokerhäuser und Banken. Ein Investmentfonds war der letzte Neuzugang. Etwa die Hälfte von ihnen kommt aus den USA, der Rest aus Europa.
Die volkswirtschaftlichen Derivate basieren auf einem ungewöhnlichen Modell. Anders als bei Aktienoptionen oder Ã-l-Futures gibt es keinen Gegenpart und keinen unterliegenden Wert. Ausgetüftelt haben die Arbeitslosen-Optionen Softwareentwickler des New Yorker Start-ups Longitude. Im Kern funktioniert das Modell wie Pferdewetten - die Investoren setzen gegeneinander. Das System benötigt daher keinen Kontraktpartner für jeden Einsatz. Marktmacher, die Käufer und Verkäufer zusammenführen, sind überflüssig. Die beiden Banken stellen quasi die Rennbahn. Wie dort gilt auch hier: Die Verlierer zahlen die Gewinner.
Selbst viele Profis halten Derivate für gefährlich. Warren Buffett nannte sie"finanzielle Massenvernichtungswaffen". Bond-Guru Bill Gross warnte vor versteckten Verlusten. Ein überzeugter Verfechter ist dagegen Yale-Ã-konom Robert Shiller. Durch ökonomische Derivate könnten Versicherungen neue Risiken übernehmen. Seine Vision: Gewerkschaften könnten ihre Mitglieder absichern, Pensionsfonds ihr Risiko effizienter managen, Kommunen sich vor steigenden Sozialausgaben schützen.
<font color=#FF0000>Mein Wunsch wären Derivate auf verhungernde Menschen. Ich muß mich schließlich absichern, hahahah</font>[img][/img]
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