-->EUROPÄISCHE SONDE ROSETTA VOR DEM START
Heute beginnt die Jagd nach dem Kometen 67P
VON HANS-JOCHEN KAFFSACK
Europas Raumfahrt steht vor einem einzigartigen Abenteuer, das an die utopischen Visionen von Jules Verne erinnert. Die Kometensonde „Rosetta“ soll am heutigen Donnerstag ihre Reise zum Kometen „Tschurjumow-Gerassimenko“ beginnen.
Zehn Jahre soll der einzigartige Weltraum-Trip dauern - dann, im Jahre 2014, soll Rosetta eine Landefähre absetzen, die huckepack auf dem Schweifstern der Sonne entgegen reiten wird. Dieses Mini-Labor soll unter anderem Bodenproben des kosmischen „Schneeballs“ untersuchen, während die kastenförmige Sonde den Kometen umkreist und auf einem 13-monatigen Flug zur Sonne verfolgt, wie der Komet seinen Schweif bildet. Mit dem Start der drei Tonnen schweren „Rosetta“-Sonde vom Weltraumbahnhof Kourou beginnt einer der spannendsten Flüge in der Geschichte der Raumfahrt.
„Niemand hat bisher so ein Vorhaben gewagt. „Rosetta“ ist eine der anspruchsvollsten Missionen, die je unternommen wurden“, erklärt der Wissenschaftsdirektor der Europäischen Weltraumorganisation ESA, David Southwood. Der leitende Wissenschaftler des „Rosetta“-Projekts, Gerhard Schwehm, fiebert dem außergewöhnlichen Rendezvous in mehr als 675 Millionen Kilometer Entfernung von der Sonne bereits jetzt äußerst gespannt entgegen: „Wir betreten Neuland, denn noch nie gab es eine längere Begegnung mit einem Kometen - vor allem aber können wir als erste bei dem Erwachen eines Kometen aus der Eisstarre hautnah dabei sein“, schwärmt der Deutsche von diesem Tête-à -Tête in der Ferne.
Ursprünglich sollte „Rosetta“ bereits vor etwa einem Jahr zum Kometen „Wirtanen“ starten. Der Flug wurde dann aber nach dem Fehlschlag beim Premierenstart der neuen europäischen Trägerrakete Arians-5-plus sicherheitshalber verschoben. Für ihre Kometenmission, die von der ESA in Paris als „so bedeutsam wie die erste Mondlandung“ gepriesen wird, musste daraufhin ein anderer Schweifstern ausgewählt werden. Die Wahl fiel auf „Tschurjumow-Gerassimenko“. Für den Lander „Philae“ galt es, noch rasch einen Aufprall-Dämpfer zu entwickeln - der neue Zielkomet hat eine 30fach größere Anziehungskraft.
Wenn die „Rosetta“-Sonde am ESA-Weltraumbahnhof bei Kourou in Französisch-Guyana abhebt, wird unweigerlich die Utopie einer Reise auf einem Kometen wieder wach, die Jules Verne vor rund 130 Jahren beschrieb. Der Astronom Palmyrin Rosette steigt bei Verne flugs von der Erde auf einen Kometen über. Benannt ist die Sonde allerdings nach dem bekannten Inschriftenstein, den ein Soldat Napoleons bei der ägyptischen Stadt Rosette entdeckte. Dieser Stein half dem Gelehrten Jean-François Champollion, die Hieroglyphen zu verstehen. „Rosetta“ trägt nun dazu bei, die Ursprünge des Sonnensystems zu „entziffern“.
Kostenpunkt: eine Milliarde Euro. Und wie beim Mars-Express steckt viel deutsche Wertarbeit in dem Projekt. Ingenieure der EADS Astrium in Friedrichshafen wirkten entscheidend mit. Der kleine Lander wurde unter Führung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt, Max-Planck-Institute stellen unter anderem eine Kamera.
In einem Schlingerkurs durch das Planetensystem muss die Sonde vier Mal mit „Swing-by-Manövern“ in den Schwerkraftfeldern von Erde und Mars Schwung holen, um auf den Kurs zu „Tschurjumov-Gerassimenko“ (auch 67P genannt) zu gelangen. Als erste solar betriebene Sonde dringt „Rosetta“ in diese Weiten vor.
Erst im November 2014 bricht nach einer fünf Milliarden Kilometer langen Reise die Zeit des Stelldicheins mit dem Kometen an. Er hat sich seit dem Entstehen des Sonnensystems vor 4,6 Milliarden Jahren kaum verändert und ist somit eine wertvolle „urzeitliche Fundgrube“. Die Hauptsonde wird sich dem Kometen bis auf einen Kilometer nähern.
„Rosetta“ bringt 21 Instrumente zu dem Treffen im Weltall mit, 10 davon auf dem 100-Kilo-Landegerät. Von dem Kometen ist nur bekannt, dass er etwa vier Kilometer lang ist. Das Landegerät soll sich mit zwei Harpunen auf dem unförmigen Schweifstern verankern, Bilder aus nächster Nähe machen und nach Bohrungen in die Kometenkruste Proben von Eis und Gasen aus bis zu 30 Zentimeter Tiefe entnehmen. Der Orbiter schießt derweil hochauflösende Fotos und erkundet Form, Dichte, Temperatur und chemische Zusammensetzung des Kometenkerns. Zurück zum Heimatplaneten brauchen die Bilder und Daten von dem Kometen 50 Minuten, obwohl sie in Lichtgeschwindigkeit reisen. Eine riesige neue ESA-Parabolantenne (Durchmesser 35 Meter) in New Norcia bei Perth in Westaustralien hält die Verbindung zu „Rosetta“: Die Entzifferung der „Hieroglyphen“ des Alls soll dabei keine geringere Frage beantworten als die nach der Entstehung des Sonnensystems und der Erde.
(Internet: „Rosetta“-Homepage der ESA: www.esa.int/rosetta)
Zukunfts-Vision: Die Zeichnung zeigt die Sonde Rosetta über dem Landegerät auf dem Kometen Tschurjumow-Gerassimenko AFP
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