-->Speku-Steuer-Urteil: Wer gewinnt
von Heiko Revenstorff, Ernst & Young Hamburg
Berlin - Das Verfassungsgericht hat entschieden: Die Besteuerung der Spekulationsgewinne bei Wertpapierverkäufen ist verfassungswidrig. Zumindest für 1997 und 1998 darf die Vorschrift nicht (mehr) angewendet werden.
Für die Jahre ab 1999 sahen sich die Richter aber nicht in der Pflicht, ein entsprechendes Urteil zu fällen. Die Gesetzeslage habe sich soweit geändert, dass nicht automatisch weiter von einem Vollzugsdefizit ausgegangen werden könne.
Der Gesetzgeber wird das Urteil nutzen, die Besteuerung effektiver zu machen. Die Einführung einer Kapitalabgeltungssteuer wird wahrscheinlicher. Bis dahin wird der Staat sein Kontrollinstrumentarium ausbauen. Das Bankgeheimnis könnte wieder Thema werden. Den Banken sind ohnehin erweiterte Mitteilungspflichten auferlegt. Dazu wird im Rahmen der Terrorbekämpfung die Kontrolle von Geldtransfers erleichtert.
Gewinner sind alle, die 1997 oder 1998 Spekulationsgewinne erzielt und versteuert (!) haben und deren Steuerbescheide noch"offen" sind. Das Finanzamt wird ihre Bescheide ändern.
Ferner hat der Kläger einer Gruppe geholfen, die ihm ein Dorn im Auge ist."Offene Fälle" sind auch jene, die ihre Gewinne verschwiegen haben - die Steuerunehrlichen. Diese werden ohnehin prüfen, ob sie die Steueramnestie nutzen sollen. Wenn die Gewinne nicht mehr besteuert werden können, dürfte die Entscheidung für die Amnestie umso leichter fallen. Nicht steuerpflichtige Einnahmen sind ja nicht anzugeben und auch nicht nachzuversteuern.
Hinzu kommt: Das Gericht hat nur für 1997 und 1998 entschieden. Bislang nicht angesprochen blieben jedoch die Jahre vor 1997, wahrscheinlich weil - mit Ausnahme der Amnestiekandidaten - nur noch wenige"offene Fälle" vorliegen. Die nicht kleine Gruppe der Steuersünder könnte aber wohl auch für diese Jahre geltend machen, dass die Besteuerung verfassungswidrig war. Das"strukturelle Erhebungsdefizit" bestand vor 1997 ebenso. Auch hier gilt deshalb: Findet sich jemand mit einem anfechtbaren Steuerbescheid der Jahre vor 1997 und streitet sich dieser bis nach Karlsruhe durch, stehen die Chancen gut, dass der Richterspruch wiederum"Verfassungswidrig" lautet. Amnestiekandidaten könnten daher gut dastehen, wenn ihre von 1993 bis 1998 (oder gar 2002) schwarz erzielten Spekulationsgewinne letztlich nicht besteuert werden durften. Sie hätten sich dann sogar gesetzeskonform verhalten!
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