-->Weltuntergangsphantasien gehören zur menschlichen Gesellschaft, wie das Salz in die Suppe. Von Martin Luther bis Bhagwan, von den Davidianern bis zu den Zeugen Jehovas: Man ist und war sich über wenig einig. Aber, dass die Welt bald untergeht, darüber bestand - und besteht - kein Zweifel.
In ähnlicher Form kann man diese lange Tradition des irrationalen Fatalismus auch heute, ja tagtäglich, wahrnehmen. Während die einen vom baldigen Umweltkollaps alp-träumen, wahlweise in der „Sahara-in-Mitteleuropa-Variante“ oder auch mit der Vorstellung einer neuen Eiszeit, sind andere davon überzeugt, dass die Wirtschaft unserer Gesellschaft in sich zusammenbrechen werde und auf ihrem Weg nach unten gleich die ganze Zivilisation mit sich reißt (letzteres allerdings nur in der „Hardcoreversion“). Wiederum andere sehen einen neuen (eigentlich alten) Riesenplaneten am Horizont auftauchen, der auf unserer Erde buchstäblich alles auf den Kopf stellen wird. Undundund...
Entwarnung?
Um dies gleich vorweg klarzustellen: Es soll nicht Aufgabe dieses Artikels sein, generelle Entwarnung zu geben. Denn schließlich besteht - wie immer - durchaus Grund zur Sorge. Natürlich läuft vieles nicht optimal. Hand aufs Herz: Was läuft überhaupt jemals optimal? Wenn wir eines mit Sicherheit sagen können, dann das: In der langen Geschichte der Menschheit hat es so was wie ein „Optimum“ niemals gegeben, und wenn doch, dann relativierte es sich sofort selbst: Nichts, wo nicht eine weitere Steigerung oder Verbesserung möglich bzw. denkbar wird, wenn der entsprechende, angestrebte Zustand erreicht wird. Oder auch - zur Abwechslung - wieder etwas völlig anderes. Etwas, das niemand vorhersah.
Aber vielleicht ist die Sache mit der Entwarnung gar nicht so verkehrt: Denn immerhin hat sich jede einzelne der bisher aufgestellten Untergangstheorien noch als völlig unhaltbar, ja geradezu völliger Nonsens herausgestellt. Man denke nur an die Prognosen über das Waldsterben oder einen kommenden globalen Atomkrieg, um zwei weitere Beispiele anzuführen, die den meisten von uns noch in Erinnerung sein sollten. Freilich: Diese Apokalypso-Szenarien traten allesamt nicht ab, ohne vorher bei nicht zu wenigen Individuen, Familien und manchmal sogar ganzen Gesellschaften beträchtlichen Schaden anzurichten. Aber halt: Den Schaden haben ja nicht die Untergangsprophetien angerichtet - es waren vielmehr die Menschen selbst, die daran glaubten. Self-fulfilling-prophecy heißt das wohl...
Gemeinsamkeiten
So unterschiedlich die jeweiligen Proponenten der jeweiligen Theorie kommenden Unheils auch sein mögen, ja, so heftig sie sich mitunter sogar verbal oder gar körperlich bekämpfen, es gibt dennoch einige exakte Parallelen zwischen ihnen. Dazu gehört wohl in aller erster Linie, dass der Untergang eine „ausgemachte Sache“ sei, dass da die „Eisenbahn drüber fährt“, und im Grunde niemand etwas dagegen machen könne. Und wenn doch, dann sind die jeweiligen „Patentrezepte“ derartig praxisfremde Kopfgeburten, dass an so was wie ihre reale Umsetzung schon von Anfang an nicht zu denken ist. Ob nun das Einstellen der meisten sogenannten CO2-Emissionen, die Einführung eines „im Überfluss vorhandenen“ neuen Geldes (welches alleine ob dieser Eigenschaft bereits völlig wertlos wäre) oder auch gleich die Abschaffung der Staaten (freilich ohne einen Hinweis, wie es danach konkret weitergehen soll), bis hin zur Empfehlung, alle Assets zu versilbern und nur noch Bargeld zu halten, am besten unter der eigenen Matratze: All diese „Lösungen“ haben gemein, dass wohl erst ihre flächendeckende Durchführung zu untergangsähnlichen Zuständen führen würde.
Eine psychologische Erklärung?
Wie bereits gesagt, scheint es sich bei diesem Phänomen keineswegs um eine moderne Erscheinung zu handeln. Und erneut Hand aufs Herz: Wer ist schon jederzeit völlig frei von einem gewissen Fatalismus, das (Un-)Wohlergehen der eigenen Umwelt betreffend? Wie einfach ist es doch, sich (eine Prise) Zuspruch und damit Anerkennung zu holen, wenn man sich zum aktuellen Zeitgeschehen mit den Worten äußert: „Da kannma halt nix machen.“ Oder „Das geht doch sowieso alles den Bach runter.“ Oder „Die werden sich noch wundern.“
Was bewegt so viele Leute, in diesen Chor des Jammerns und Lamentierens miteinzusteigen? Und sich dabei am Ende sogar noch irgendwie wohl zu fühlen?
Eine mögliche Antwort wäre, dass dies die (in den allermeisten Fällen) unbewusste Reaktion auf die (harte) Erkenntnis sein könnte, eben selbst nicht unsterblich zu sein. Eine Art Resignation ob der Gewisshaftigkeit der eigenen Unvollkommenheit? Ausfluss der bedrückenden Realisierung, dass auch die eigene Existenz eine endliche ist?
Wenn das so ist, dann wäre es doch nur „gerecht“, wenn dann auch alles andere verschwinden würde, abdanken und untergehen, auf Nimmerwiedersehen. Und dann vielleicht noch so rechtzeitig, dass man es noch selbst miterleben kann, bevor das eigene Ende naht? Wer würde es nicht reizvoll finden, den Untergang der Titanic aus der ersten Reihe und fußfrei miterleben zu dürfen?
Welchen Schuh man sich dafür anzieht, ist dann wohl völlig sekundär. Es gibt - wie bereits erwähnt - eine breite Auswahl von gängigen Modellen zur Verfügung. Tatsächlich war das Sortiment dank moderner Medien wie Internet usw. nie so reichhaltig. Da findet sich wirklich für jeden die optimale Passform, um auf der „Rolltreppe abwärts“ festen Tritt zu haben.
Ein Kontraindikator?
Wenn wir aber schon nach Theorien für den weiten Nährboden apokalyptischer Fantasien suchen, dann wäre es wohl etwas billig, sich schon mit einer einzigen möglichen Erklärung zufriedenzugeben. Schon deshalb, als monokausale Gebilde bei so komplexen, gesellschaftsübergreifenden Themen wie diesem den Schönheitsfehler haben, eben aufgrund ihres Alleingültigkeitsanspruchs schlichtweg in die Irre zu führen...
Wie bereits erwähnt, hat offenbar jede Zeit ihre gängigen Vorstellungen vom baldigen Untergang. Ja, es scheint sogar so zu sein, dass mit fortschreitendem, technischem Fortschritt (und den damit einhergehenden Problemen) sowohl Quantität als auch Qualität der Untergangstheoritis beständig zunehmen. Man könnte daraus folgern, dass sich ohne entsprechendes Problembewusstsein keine so konkreten Zukunftsängste bilden können. Paranoia hat ja bekanntlich den unbestreitbaren Vorteil, dass man sich nicht so leicht überraschen lässt. Man sieht der Gefahr ins Auge, ohne sie zu ignorieren. Das ist eine Eigenschaft, die wohl ganz wesentlich zum beständigen Überleben der Spezies Mensch beigetragen hat. Um Probleme zu lösen, muss man sich ihrer erst einmal gewiss werden. Und sie ernst nehmen.
Wenn sich also viele Menschen der gegenwärtigen Herausforderungen bewusst sind, dann werden sich wohl immer einige finden, die bereit sind, etwas zu unternehmen. Menschen, die - z.B. nach einer ersten Schockreaktion - konstruktiv tätig werden, um das Beste aus der gegebenen Situation zu machen. Für sich - und in der Folge selbstverständlich für andere, die z.B. in der Demokratie diese Menschen mit der Macht ausstatten, ihre Ideen mit entsprechender Unterstützung in die Tat umzusetzen. So schwer ist es ja nun wirklich nicht, die Signale zu vernehmen...
Um demnach endlich auf des Pudels Kern zu kommen: Vielleicht sind diese Apokalypsen-Visionen keine Krankheitsymptome einer untergehenden Spezies, sondern in Wahrheit prächtige Blüten einer Gesellschaft, die sich auf dem Höhepunkt ihrer bisherigen Entwicklung befindet - und nicht auf ihrem Niedergang. Immer mehr Menschen beschäftigen sich mit wirklich wichtigen Dingen, die um sie herum passieren - was sollte daran schlecht sein? Wer weiß, vielleicht müsste man sich viel mehr Sorgen machen, wenn alle ständig nur noch im siebten Himmel schweben würden? Ausgelassene Partystimmung allerorts würde wohl viel besser auf die Titanic passen, oder? Dann wäre die gegenwärtig zu verzeichnende Hysterie mancherorts in Wahrheit der beste Kontraindikator dafür, dass die Gesellschaft ihre Probleme nicht meistern könnte, oder gar kein Interesse daran bestünde.
Zudem ist es ein bekanntes Paradoxon, dass die Spannungen innerhalb einer Gemeinschaft (z.B. innerhalb einer Familie oder in einem Verein) umso eher zunehmen, als es den darin befindlichen Personen (materiell) äußerst gut geht. Denn geht’s der Familie schlecht, hat man sozusagen ein gemeinsames, schweres Problem zu bewältigen, dann halten alle zusammen und stehen füreinander ein, ohne dass es dazu großer Führungsgeschicke bedürfte... Übertragen auf eine Gesellschaft heißt das, dass nicht etwa wirtschaftliches Siechtum der einzige materielle Grund zum Auswandern sein muss. Es kann auch das ziemlich genaue Gegenteil sein. Wer könnte ernsthaft behaupten, dass es den Menschen z.B. in der BRD heute insgesamt schlechter ginge als etwa 1980 oder 1990? Auf der anderen Seite war 1945 Auswanderung praktisch für niemanden ein großes Thema, obwohl wirklich aller (materieller) Grund dafür gegeben war. Der Krieg hatte zusammengeschweißt, und wer wollte da schon der Heimat den Rücken kehren?
Fazit
Wie man es auch dreht und wendet, bei Lichte betrachtet besteht kein Grund zu voreiligem Gehorsam einer Geschichte gegenüber, die noch gar nicht geschrieben wurde. Das (persönliche) Ende ist für die allermeisten von uns noch in weiter Ferne, es gibt bis dahin noch so viel zu erleben, das man nicht missen oder leichtfertig aufs Spiel setzen sollte. Natürlich muss auch Platz vorhanden sein, sich selbst gegenseitig das Leben schwer zu machen und den jeweils Anderen einen schmerzvollen Untergang zu prophezeien, aber man kann es auch übertreiben. Und selbstverständlich kann man es auch ganz, ganz anders machen...
Lösungen müssen aus dem Inneren kommen, um auch wirklich zu passen. Ebenso entwickelt sich der Ausweg erst im und durch das Labyrinth selbst. Also gewissermaßen die Kraft, die zwar gerne mal das Böse will, aber dann doch das Gute schafft...
Morgen ist ein neuer Tag.
Gruß, silvereagle
|
-->Guter Beitrag Silvereagle!
Sicher haben solche Phänomene wie die Weltuntergangsphantasien größerer Teile der Gesellschaft eine ihrer Ursachen in einer Art Massensuggestion. Zu der dieses Forum mit seinen Inhalten und den Ansichten seiner Benutzer ebenso beiträgt, wie andererseits die Bildzeitung, z.B.
Wenn ich mich bewusst von diesem psychologischen Effekt freizumachen versuche, z.B. in dem ich auf andere Kommunikationskanäle schalte, dann stelle ich meistens fest, dass dort nichts als rosa Sonnenbrillen und wattierte Heftpflaster verteilt werden.
Hinterfragt man man mal die Aussagen derer, die den apokalyptischen Visionen das Wort reden, dann wird man nicht selten feststellen, dass die die realen Mißstände in der Welt einfach nicht sehen wollen.
Natürlich verlangt kein Mensch, dass man sich wegen Kriegstreiberei, Umweltzerstörung, Arbeitslosigkeit, Überbevölkerung, Vermögensumverteilung, Überschuldung, etc. Sorgen macht, solange es einen selber nicht oder nur am Rande betrifft. Der Einzelne kann ohnehin nichts am Fortgang der Dinge ändern.
Klar wäre es eine bequeme Philosophie zu sagen:"Es geht uns doch allen noch gut", und"es geht doch immer irgendwie weiter" etc.
Tatsächlich aber scheint es so zu sein, dass derzeit viele innerlich spüren, dass eine Korrektur fällig ist. Die Ungewißheit des Nachkommenden führt dann zu Fragestellungen und Diskussionen, die wiederum Angst, Untergangstheorien und Fatalismus hervorrufen.
Selbstverständlich wäre es viel sinnvoller, sich über die erforderlichen Innovationen der nächsten Generation Gedanken zu machen, als sich in apokalyptischen Visionen und einem Hadern mit der eigenen Unsterblichkeit zu ergehen. Praktisch aber scheint dazu die Zeit noch nicht gekommen zu sein, denn wohin man auch blickt, stellen sich - auch bei objektiver Betrachtung - der realen Ausführung mannigfache Hindernisse entgegen.
Aber Du hast Recht, man kann die kommende Zeit neugierig erwarten oder angstvoll herbeifürchten. Jedem das Seine.
Dass indes in nicht allzu ferner Zeit etwas Neues kommen wird, scheint mir gewiss.
So, wie der frisch gekeimte Apfelbaum unweigerlich mit einer Zerstörung des Apfelkerns einhergeht, so werden auch hier alte Strukturen aufgelöst werden müssen, um dem Neuen Raum zu geben.
Ob wir den Weg miesepetrig leidend oder kraftvoll optimistisch gehen, ist eine Frage der eigenen Mentalität. Man kann sich seine Weggefährten ja je nach Gusto aussuchen. Und da legst Du mit Deinem Beitrag einen guten Schritt vor.
>Morgen ist ein neuer Tag.
Genau, und den werden sich die meisten erst mal mit Arbeit versauen. ;-))
>Gruß, silvereagle
Gruss Gundel
|
-->Hallo Silvereagle,
das meiste der Weltuntergangsszenarien ist wohl reine Paranoja. Dass die Welt nicht untergehen kann, ist alleine schon physikalsich unmöglich.
Ich denke jedoch, dass durchaus einiges, was vorhergesagt wurde, eingetroffen ist. Untergehen tun z.B. derzeit ca. 50% aller Pflanzen und Tierarten, die Schönheit der Natur, die Delphine, Wale und Orang Utahs...
>Man denke nur an die Prognosen über das Waldsterben....
Fichtelgebirge - Erzgebirge - Alpen
Leider gewöhnen sich die meisten Menschen an die gravierenden Veränderungen, die hier stattfinden. Aber zumindest dort, wo ich wohne, sind die Voraussagen eingetroffen. Dass keiner mehr davon redet, heisst noch lange nicht, dass es nicht Realität ist.
Aber was heisst schon untergehen? Eigentlich ist es eh nur der Wechsel und die Veränderung, die uns Angst macht. Nachdem wir derzeit in der grösstmöglichen materiellen Absicherung leben, werden natürlich auch die Ängste größer, dass sich diese wieder dem Normalzustand der übrigen Menschheit nähert.
In irgendeinem Interview über die Intifada habe ich mal von einem Araber gelesen:"Wir werden immer stärker sein, da wir keine Angst vor dem Tod haben." Das ist was Wahres dran. Wer nichts zu verlieren hat, kann nur gewinnen - und umgekehrt.
Die Menschen werden durchaus irgendwann mal untergehen. Das kann in 10 Jahren, 100 Jahren oder in tausenden von Jahren sein. Meist überlebt nur ein kleiner Teil der Population. Aber Artensterben hat es in der Weltgeschichte schon oft gegeben und war Anlass für weitere Evolution und Weiterentwicklung. In ein paar Millionen Jahren gibt es dann sicher wieder neues intelligentes Leben auf der Erde in anderen Formen:-) Die Natur und Gott hat damit kein Problem, es sind schon wir alleine in unserem begrenzten Bewusstsein, die daraus ein Problem machen.
Und ein bisschen Angst und Leidensdruck kann - wie du ja schön beschrieben hast - einen sehr positiven Effekt auf die Entwicklung ausüben. Wenn wir uns immer nur von allem Leiden und allen Mühen fernhalten wollen, wird es sicher nicht besser mit unseren Befindlichkeiten.
grr.... ich wollte jetzt aber nichts gegen das Auswandern aus Absurdistan schreiben, hab mich aber grad dabei ertappt...
Gruss,
Yak
|