-->28. März 2004, 03:58, NZZ am Sonntag
Benzinpreise heben ab
Kapazitätsengpässe im globalen Ã-lmarkt wirken sich auf die Schweiz aus
Eine steigende Nachfrage nach leichteren Rohölen und fehlende Raffineriekapazitäten werden den Preis des schwarzen Goldes hochtreiben.
Katharina Fehr
Fast 2.10 $ für eine Gallone (3,785 Liter) Normalbenzin will eine Tankstelle in San Francisco! So viel mussten die amerikanischen Autofahrer seit Jahren nicht mehr für eine Tankfüllung zahlen. Nach Angaben der American Automobile Association lag der Durchschnittspreis am Freitag bei 1.75 $. In einzelnen Bundesstaaten war es deutlich mehr, und die Preise dürften noch weitersteigen.
Nun könnte man versucht sein, diesen Preisanstieg auf die anstehende «Driving Season», die sommerliche Fahrlust der Amerikaner, zu schieben. Damit würde man zwar den hohen Benzinpreis in den USA, nicht aber den Anstieg der Preise an den Schweizer Tanksäulen und das 13-Jahre-Hoch des Rohölpreises erklären.
Unterschiedliche Qualität
Der Ã-lmarkt befindet sich in einem Ungleichgewicht. Es wird zwar generell genügend Rohöl gefördert, allerdings nicht von der richtigen Sorte. Denn Nachfrage konzentriert sich auf Light Sweet Crude Oil. Von diesem benzinreichen und schwefelarmen Ã-l wie Brent oder das in den USA gebräuchliche WTI kann nicht genügend gefördert und produziert werden, um die Nachfrage zu bedienen. Opec-Länder wie Nigeria oder Algerien, welche Light Sweet Crude fördern, laufen nahe an der Kapazitätsgrenze.
Anders sieht die Lage bei schwererem Rohöl aus. Davon wird genügend gefördert, und die Produktion, zum Beispiel durch die Ã-ffnung der grössten ungenutzten Förderkapazitäten in Saudiarabien und Kuwait, könnte auch kurzfristig deutlich erhöht werden. Die Preisdifferenz zwischen den leichteren Rohölen wie WTI und den schweren Rohölen wie Maya ist deshalb auf ein 20-Jahre-Höchst geklettert. Zwar können auch aus dem schwereren Rohöl die gefragten Treibstoffe hergestellt werden. Doch dafür fehlen die Kapazitäten in den Raffinerien.
«Der Ã-lmarkt ist nicht flexibel genug», sagt David Fyfe von der Internationalen Energieagentur in Paris. Die Nachfrage nach leichteren Ã-len steige laufend durch höhere Umweltstandards, die schwere Ã-le nicht mehr zulassen, und durch Asiens boomende Volkswirtschaften. China hat Japan inzwischen als weltweit zweitgrösster Ã-lkonsument überholt. Für diese Nachfragesteigerung könne aber einerseits zu wenig hochwertiges Rohöl als Ausgangsprodukt gefördert werden. Anderseits aber fehle es eben an den Kapazitäten, das Rohöl zu verfeinern.
In den nächsten Wochen dürfte sich der Ã-lmarkt etwas entspannen. Ein Hinweis darauf war schon diese Woche zu erkennen. Der Preis für ein Barrel Brent sank fast um 2 $ auf 31.25 $. Das Ende der Heizperiode sowie die Signale der Opec, sie könnte vielleicht am 1. April darauf verzichten, ihre Förderquoten wie geplant zu verringern, werden als Gründe dafür genannt.
Die Entspannung hat möglicherweise auch einen Einfluss auf das Verhalten der Hedge-Funds. Sie interessieren sich bereits seit einiger Zeit stark für den Ã-lmarkt. Ihre Spekulation auf einen steigenden Ã-lpreis verstärkte den Aufwärtstrend. An der New York Mercantile Exchange waren diese Woche Netto-Kaufpositionen in der Rekordhöhe von fast 76 Mio. Barrel offen. Ein plötzlicher Rückzug der Hedge-Funds würde auch den Trend nach unten verstärken. Analysten rechnen damit, dass der Ã-lpreis um bis zu 5 $ einbrechen könnte.
Verzichtet die Opec tatsächlich auf eine Verringerung der Förderquote, hätte das aber vor allem einen psychologischen Effekt. Denn die grossen Ã-lproduzenten wie Saudiarabien und Kuwait fördern vor allem schweres Rohöl. Wenig Änderung würde auch die Forderung von einigen amerikanischen Politikern bringen, die strategischen Reserven zu öffnen, um den Markt mit zusätzlichem Ã-l zu versorgen. Goldman Sachs schätzt, dass die meisten Lager vor allem mit schwerem Ã-l und nicht mit Light Sweet Crude gefüllt sind.
Fehlende Rendite
Die Entspannung am Ã-lmarkt wird daher nur vorübergehend sein. Die Beratungsfirma PFC Energy schätzt, dass bereits bei Jahresende die globale Nachfrage die Raffineriekapazität um 1 Mio. Barrel pro Tag übersteigt. Weltweit werden täglich 80 Mio. Barrel Ã-l verbraucht. Jeffrey Currie, Rohstoff- Analyst von Goldman Sachs, hat eine Erklärung für diese Entwicklung. «In den letzten 20 Jahren hat der Energiesektor zu kleine Renditen abgeworfen», sagt er. Trotz dem jüngsten Preisanstieg seien die Renditen im Energiesektor nicht besser als vor fünf bis zehn Jahren. Deshalb sei über Jahre zu wenig in die Produktion, den Transport und die Raffinerien investiert worden. Currie rechnet damit, dass die Angebotsengpässe so lange anhalten, bis eine bessere Rendite wieder Kapital anziehe. Das könne Jahre dauern und bedinge auch höhere Ã-lpreise.
Diese könnten dann auch in der Schweiz spürbar werden. Der Anstieg der Benzinpreise in den letzten Tagen ist ein kleiner Vorgeschmack darauf. Shell, BP, Avia, Esso und Migrol haben Anfang Woche die Preise für Benzin und Diesel um 2 Rappen pro Liter erhöht. Ende Woche doppelten einige Gesellschaften wie BP und Esso mit einer weiteren Erhöhung des Dieselpreises um 3 Rappen nach.
«Bisher wurde ein kräftigerer Preisanstieg an den Schweizer Zapfsäulen durch den schwachen Dollarkurs gebremst», sagt Rolf Hartl, Geschäftsführer der Erdöl-Vereinigung. Doch ob der Dollarkurs so lange tief bleibt, wie die Ã-lpreise hoch bleiben, ist fraglich. Der Preis an den Tanksäulen setzt sich - neben Steuern und anderen Abgaben, die rund 60% ausmachen - aus den Ã-lnotierungen in Rotterdam, dem Franken/Dollar-Kurs und dem Preis für die Rheinfracht zusammen. Würde sich der Dollar um etwa 20% auf 1.50 Fr. erhöhen, könnte sich der Preis an der Zapfsäule schnell um weitere 7 bis 8 Rappen erhöhen. Dann käme man recht schnell in die Nähe von 1.45 Fr. für einen Liter Normalbenzin.
|