-->In Amerika nehmen die Inflationssorgen zu
Höhere Leitzinsen rücken näher / Anleihebesitzer müssen sich auf Kursverluste einstellen
ctg. WASHINGTON, 6. April. Die Besitzer amerikanischer Staatsanleihen müssen sich in den kommenden Wochen und Monaten auf weitere Kursverluste einstellen. Diese Einschätzung ist von zahlreichen Beobachtern der Anleihemärkte zu hören, nachdem überraschend positive Daten vom amerikanischen Arbeitsmarkt am vergangenen Freitag Sorgen vor einem Wiederaufleben der Inflation Vorschub geleistet haben. Als Folge ist es an den amerikanischen Anleihemärkten zu einem Kursrutsch und Renditesprung gekommen. Die maßgebliche Staatsanleihe mit zehn Jahren Laufzeit wirft inzwischen wieder eine Rendite von rund 4,2 Prozent ab; sie hatte vor Veröffentlichung der Daten 3,88 Prozent betragen. Im Schlepptau der amerikanischen Renditen haben sich auch die Euro-Zinsen erhöht. So rentiert die zehnjährige Bundesanleihe inzwischen mit 4,1 Prozent.
Für die Kurswende an den Anleihemärkten gibt es eine Reihe von Gründen, die mit der Belebung auf dem Arbeitsmarkt in Verbindung stehen. Zum einen hat sich die Wahrscheinlichkeit einer Leitzinserhöhung durch die amerikanische Notenbank (Fed) womöglich schon im Sommer spürbar erhöht. Dafür spricht, daß die Währungshüter um Chairman Alan Greenspan in den zurückliegenden Wochen die Schwäche des Arbeitsmarktes mehrfach als größte Hürde auf dem Weg zu einer Zinserhöhung bezeichnet haben. Greenspan und seine Kollegen haben seit geraumer Zeit auf die Notwendigkeit hingewiesen, die lockere Geldpolitik wegen des kraftvollen Wirtschaftswachstums zu beenden. Allerdings haben sie betont, mit einem Zinsschritt so lange"geduldig" zu warten, bis sich der Konjunkturaufschwung auch auf dem Arbeitsmarkt niederschlage. Nach Ansicht zahlreicher Fed-Beobachter ist gleichwohl nicht mit einer Leitzinserhöhung - der Zielzinssatz für Tagesgeld beträgt nur 1 Prozent - schon in diesem Frühjahr zu rechnen. Es wird allgemein erwartet, daß die Fed noch eine Weile beobachten wird, ob sich die positive Tendenz in der Schaffung neuer Jobs fortsetzt. Eine Reihe von Wall-Street-Ã-konomen hat den Monat August als möglichen Zins-Termin im Kalender markiert. In engem Zusammenhang mit der Geldpolitik stehen überdies die Inflationserwartungen an den Märkten. Auch sie haben sich in den vergangenen Tagen erhöht und zum Renditeanstieg vor allem bei Anleihen mit längeren Laufzeiten beigetragen. Die niedrige Inflationsrate - und im vergangenen Jahr sogar Befürchtungen einer möglichen Deflation - hat die Preisaussichten über lange Zeit gedämpft. Seit einigen Wochen aber mehren sich die Hinweise auf eine leichte Beschleunigung der Inflation, getrieben unter anderem vom hohen Ã-lpreis und dem schwachen Dollar. Eine Besserung auf dem Arbeitsmarkt könnte hierzu einen Beitrag in Form steigender Löhne leisten, heißt es nun vielfach.
Ein Barometer für die Inflationserwartungen in Amerika stellt der Renditeabstand zwischen der zehnjährigen Staatsanleihe und den inflationsgeschützten Regierungsanleihen (Tips) mit derselben Laufzeit dar: Der Abstand beträgt inzwischen rund 2,5 Prozent, deutlich mehr als noch vor einem Jahr (siehe Graphik). Darin spiegelt sich die Erwartung der Marktakteure, daß die Inflationsrate in den nächsten Jahren im Durchschnitt 2,5 Prozent betragen dürfte.
Schließlich erklärt sich der Renditeanstieg auch damit, daß die Schaffung neuer Arbeitsplätze die Sorgen über einen möglichen Konjunkturknick dämpft. Vor dem Hintergrund des schwachen Arbeitsmarktes hatten Ã-konomen zuletzt die Befürchtung geäußert, das Vertrauen der Konsumenten könne schwinden und die private Nachfrage bremsen. Die höheren Anleiherenditen sind auch Ausdruck eines wachsenden Konjunkturoptimismus, von dem sich die Anleger eine höhere Rendite auf ihr eingesetztes Kapital versprechen.
Nahezu einig sind sich die Marktbeobachter über die Richtung der Kursbewegung an den Kapitalmärkten in den nächsten Wochen, die Geschwindigkeit des erwarteten Renditeanstiegs ist allerdings umstritten: Jene, die von einer nachhaltigen Besserung des Arbeitsmarktes noch nicht überzeugt sind, sagen für die zehnjährigen Staatsanleihen Renditen höchstens in der Nähe von 4,5 Prozent bis zum späten Sommer voraus. Hingegen sehen jene, die gewiß sind, daß der März nur der Anfang einer Hausse am Arbeitsmarkt gewesen ist, durchaus Renditen von rund 5 Prozent noch vor dem Herbst. Die Anleihe-Experten der Investmentbank Goldman Sachs rechnen zwar nicht mit einem Kursrutsch am Kapitalmarkt, raten Anlegern gleichwohl, in einem internationalen Anleihe-Portfolio bis auf weiteres nicht auf amerikanische Papiere zu setzen.
Text: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 07.04.2004, Nr. 83 / Seite 23
Bildmaterial: F.A.Z.
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