dottore
12.04.2004, 17:59 |
Notenbank - die älteste deutsche (als Projekt) entdeckt Thread gesperrt |
-->Hi,
von den Historikern der Geschichte der Ã-konomie vermutlich übersehen, ich fand jedenfalls nichts, ein anonymes Traktat"Klugheit zu Leben und zu Herrschen" 1733 von Cörner in Leipzig und Köthen verlegt.
Im Anhang dazu Cap. 8, Vom Credit Wesen und Verlag. Die Autoren (v.B. und B. - wer mag's gewesen sein?) schlagen darin ein Projekt zur Errichtung einer"Wechselbank" vor. Ohne zu langweilen der Vorschlag gerafft:
1. Man errichtet eine (übliche) Depotbank mit der bekannten 100%-Deckung.
2. Diese Depotbank (Capital-Bank) zieht Wechsel auf sich selbst und überträgt diese auf eine zweite Bank (Credit- oder Wechselbank)
3. Diese Wechsel kann der Kreditsuchende bei ihr kaufen. Laufzeit: 6 Monate. Zinssatz: 4 % p.a.
4. Dazu muss er Sicherheiten (Obligation) andienen, u.a. Grundeigentum, Bürgen, notfalls muss er selbst haften (Sanktion: Galeere, Zwangshaus zum Abarbeiten seiner Schuld, klingt brutal, war aber damals Schuldner-Schicksal).
5. An der zweiten Bank kann sich beteiligen, wer möchte und erhält entsprechende Zinsen abzgl. der entstandenen Bankkosten. Auch in die erste Bank kann er einlegen, allerdings bringt das nur indirekt, also über die zweite Bank etwas.
Resultat (und gut für den Landesherrn):
"Item ich kann mein Capital an zwey Orten zugleich genießen, und behalte doch mein Capital in Händen... Item ich (Fürst) bin sicher, daß ich unmüglich kan betrogen werden."
Formular der Oblgation:"Ich (Schuldner) habe empfangen einen Wechsel à 200 Thlr. aus dem landesfürstlichen Wechsel-Collegio gegen Versicherung meines auf 400 Thlr. taxierten Gartens auf 6 Monath."
Beim Wechsel selbst gilt das bekannte scharfe Wechselrecht. Hübsch der Bonitätsabschlag, siehe die jüngste Debatte hier zur Änderung der AGB der Buba.
Interessanterweise soll der Wechsel einen Monat länger laufen als die Obligation (also umgekehrt zu heute). Grund: Damit notfalls vom Schuldner die Obligation in Kurant verwandelt, also versilbert werden kann. Einen Monat lang wäre der Wechsel (alias modern: die"Banknote") also"ungedeckt" bezogen auf den Sicherheits-Andiener.
Immerhin die Conclusio:
"Gewinnet nicht also der Fürst ohne Geld? Womit? Nur mit des Landes Credit. Wodurch? Durch den Landes-Wechsel. Indem nun durch diesen Landes-Wechsel [modern: Banknote] so große Effecta verrichtet werden können, der Fürst und das Land dadurch reich, der Handel-Wandel befördert wird, so thäte ja der Fürst übel, wann er diese Gold-Grube nicht anlegte... Oder es überlasse der Fürst die Einrichtung dieses Wechsels einigen Prvatis, ziehe von dessen Nutzen einen gewissen Pacht, so sollen sich bald Leute dazu anfinden."
Schlau waren sie halt schon immer, wenn's ums Geld ging. Die Grundlage dieses Projektes war allerdings ein"Aerarium" (fürstliche Schatzkammer). Dieses monetäre Kapital war noch zu diesem Zweck bis in die klassischen Notenbanken des Goldstandards vorhanden (Erstkapital-Ausstattung mit Spezie, was dann ca. 100 Jahre später sehr schön bei der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank zu beobachten war, gegr. 1835).
Inzwischen besteht das ZB-Kapital im wesentlichen aus Steueransprüchen. Allerdings: Sollten die Staaten ihre ZBs liquidieren, kämen sie doch noch ans Gold, sogar die Feds an das der Treasury. Sie müssten dazu nur ihre entsprechenden Gold-Noten präsentieren.
Als kleine Oster-Lesefrucht präsentiert.
Ob ein Aerarium (Staatsschatz) aus Spezie (Metall) oder aus Besteuerungsansprüchen besteht, ist dann nicht mehr so wichtig.
Gruß!
PS: In Hamburg, wo es die bekannte Depotbank gab (Vorbilder: Venedig, Amsterdam) hat man es auch mit so etwas Ähnlichem versucht, aber es ging schief, weil die eingereichten privaten Papiere platzten, was der"Banco" dort nur mit Ach & Krach überlebte. Heute kommt's nur noch auf den"Staatskredit" selbst an und dass der sein Ende in sich selbst findet, hatten wir schon in extensis...
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Popeye
12.04.2004, 21:39
@ dottore
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Re: Notenbank - die älteste deutsche (als Projekt) entdeckt |
-->Kleines Dankeschön für Deine Antwort weiter unten:
von den Historikern der Geschichte der Ã-konomie vermutlich übersehen, ich fand jedenfalls nichts, ein anonymes Traktat"Klugheit zu Leben und zu Herrschen" 1733 von Cörner in Leipzig und Köthen verlegt.
EA 1722, ebenda, Titel:"Klugheit zu leben und zu herrschen, nach dem Sinn und Lehr-Art eines wahrhafftig hochgelahrten Mannes und mit eigenen Gedancken des Verfassers untermischet" -insgesamt mindestens 4 Auflagen, die letzte Aufl. 1737 (Cörner Frankfurt/Leipzig) 708 S.(!!), Titel:"Klugheit zu leben und zu herrschen / mit grossem Fleiss zweier wahrhaftig hochgelahrten Männer verfasset"; Dein Exemplar scheint die 3. Aufl. zu sein (?)
Also hat wohl zunächst nur einer anonym geplaudert und der andere hat es aufgeschrieben - auch anonym - (Hervorhebungen im Titel von mir)
Zugeschrieben:
Rüdiger, Andreas, 1673-1731 - ziemlich sichere Zuschreibung von Kress über alle anderen...
Unsichere Zuschreibung:
Entweder
Buddeus, Johann Franz *1667-1729*
oder
Bode oder Boden, Heinrich von *1652-1720* - über ihn konnte ich nichts finden.
Im Anhang dazu Cap. 8, Vom Credit Wesen und Verlag. Die Autoren (v.B. und B. - wer mag's gewesen sein?) schlagen darin ein Projekt zur Errichtung einer"Wechselbank" vor.
In keiner gesichteten Bibliographie wird der Anhang gesondert erwähnt; Deine 1733-Ausgabe spricht im Titel aber wohl von"...in zwey Theilen verfasset",
ich kann deshalb nach Sichtung der Bibliographien nicht sicher beurteilen, ob der 'Anhang' lediglich beigeheftet (wie nicht unüblich) oder zum Buch gehört.
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dottore
13.04.2004, 15:35
@ Popeye
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Re: Notenbank - die älteste deutsche (als Projekt) entdeckt |
-->Hi Popeye,
besten Dank vorweg.
>EA 1722, ebenda, Titel:"Klugheit zu leben und zu herrschen, nach dem Sinn und Lehr-Art eines wahrhafftig hochgelahrten Mannes und mit eigenen Gedancken des Verfassers untermischet" -insgesamt mindestens 4 Auflagen, die letzte Aufl. 1737 (Cörner Frankfurt/Leipzig) 708 S.(!!), Titel:"Klugheit zu leben und zu herrschen / mit grossem Fleiss zweier wahrhaftig hochgelahrten Männer verfasset"; Dein Exemplar scheint die 3. Aufl. zu sein (?)
Da die Ausgabe 1733 Fürst August Ludwig gewidmet ist (1728-55) und 1722 noch Fürst Leopold (1704-28) regierte, halte ich das mit der EA für fragwürdig. Die Widmung des Verlegers Cörner an August Ludwig (dieser als Fronstispiz)"erkühne mich, gegenwärtiges Buch in unterthänigster Devotion zu überreichen..." kann ich mir nicht bei einer späteren Auflage vorstellen. Die Auflage 1737 ist in der Seitenzahl (708) identisch mit der mir vorliegenden. Allerdings sind Widmung und Vorrede in die Paginierung nicht einbezogen.
>Also hat wohl zunächst nur einer anonym geplaudert und der andere hat es aufgeschrieben - auch anonym - (Hervorhebungen im Titel von mir)
>Zugeschrieben:
> Rüdiger, Andreas, 1673-1731 - ziemlich sichere Zuschreibung von Kress über alle anderen...
>Unsichere Zuschreibung:
>Entweder
> Buddeus, Johann Franz *1667-1729*
Dies beiden Zuschreibungen halte ich für falsch. Sowohl in der Vorrede als auch im Anhang ist eine deutliche Distanzierung von dem an"Politik" usw. zu lesen, was an den Universitäten Halle, Jena, Wittenberg, Leipzig gelehrt wird (just den Lehrstätten der beiden) und das im Ton: Ihr habt doch keine Ahnung vom wirklichen und erfolgreichen geschäftlichen Leben, das sich in den westlichen Staaten wie den Niederlanden, Frankreich und England abspiele.
Außerdem ist im Anhang beim Durchrechnen der"Bäncke" nicht nur die Rede von Hannover, sondern auch von Pattensen (Calenberger Land) und Calenberg. Ich halte es für ausgeschlossen, dass sich die Herren Rüdiger und Buddaeus in der nordwestdeutschen Geographie derart ausgekannt haben, dass sie diese Orte als Beispiel anführen. Sie hätten doch die Beispiele viel besser nach Sachsen (Leipzig hatte eine Kaufmannsbörse usw.) oder wenigstens Halle verlegen können.
>oder
>Bode oder Boden, Heinrich von *1652-1720* - über ihn konnte ich nichts finden.
Vielleicht eher? Im Buch hatte ich vor Jahrenden einen Zettel mit"Boden" gelegt, aber zu dem habe ich dann auch nichts mehr gefunden. Aber posthum? Als Autoren (lt. Ausgabe 1733) heißt es:"Zwey grosse, gelehrte und erfahrne Männer, nemlich den bekannten Staatsmann Baron von B. und den Hochgelahrten B. welche aber lieber hierunter unerkannt zu seyn belieben wollen."
Ob die"B." überhaupt recte sind, wer weiß?
>Im Anhang dazu Cap. 8, Vom Credit Wesen und Verlag. Die Autoren (v.B. und B. - wer mag's gewesen sein?) schlagen darin ein Projekt zur Errichtung einer"Wechselbank" vor.
>In keiner gesichteten Bibliographie wird der Anhang gesondert erwähnt; Deine 1733-Ausgabe spricht im Titel aber wohl von"...in zwey Theilen verfasset",
>ich kann deshalb nach Sichtung der Bibliographien nicht sicher beurteilen, ob der 'Anhang' lediglich beigeheftet (wie nicht unüblich) oder zum Buch gehört.
Der Anhang gehört zum Buch und ist ab 544 durchpaginiert, wenn auch in einer deutlich anderen Type gesetzt.
Vermutlich werden wir bei der Suche nach dem ersten Notenbank-Theoretiker deutscher Zunge zunächst nicht weiterkommen. Gewagter Tipp: Heinrich von Brühl, der 1732 Kammerpräsident geworden war. Die zahlreichen Hinweise auf das Manufacturwesen, das Lob Frankreichs, der übliche klassische Merkantilismus ("Gold und Silber ist des Landes Reichthum...", 655), der sich um das Bank-Projekt rankt, könnten ein Hinweis sein. Aber dann doch wohl ein zu verwegener Gedanke.
Vielleicht hilft noch ein Zufallsfund, ansonsten muss ich wohl in die Archive. Denn reizen tät's mich ungemein - die heutige ZB schon im 18. Jh."erdacht".
Staub, Staub... drum umso herzlicheren Gruß!
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