Bodo
25.05.2000, 08:56 |
DIE WELTWIRTSCHAFTSKRISE VON 1929 - EIN EINMALIGER FALL? Thread gesperrt |
So lautete die gestrige Sendung auf Arte. War hoch interessant, jedoch blieben bei mir einige Fragen offen.
Wer hat die Sendung auch gesehen?
http://www.arte-tv.com/cgi/prog/dprgemis?emis=200005242045.020407-000-A
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Beutelratte
25.05.2000, 09:15
@ Bodo
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Re: DIE WELTWIRTSCHAFTSKRISE VON 1929 - EIN EINMALIGER FALL? |
>So lautete die gestrige Sendung auf Arte. War hoch interessant, jedoch blieben bei mir einige Fragen offen.
Die Sendung paßte wie die Faust auf`s Auge.
Ich fand nur den positiven Schwenk am Ende etwas unglaubwürdig. Erst schießen sie das heile Weltbild vom Boom ohne Crash mit allen Mitteln ab und dann erscheint Alan Greenspan als alleiniger Retter der Weltwirtschaft - Motto: Mit diesem Mann passiert uns das nicht wieder!?
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JüKü
25.05.2000, 12:04
@ Beutelratte
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Hab`s leider nicht gesehen... |
... solche Tipps müssten, wenn möglich, vorher kommen (hätte z. B. von mir kommen müsen).
...und dann erscheint Alan Greenspan als alleiniger Retter der Weltwirtschaft - Motto: Mit diesem Mann passiert uns das nicht wieder!?
[b]Genau das ist eine der großen Gefahren heute: Die Sorglosigkeit. Gerade vor dieser hat Greenspan selbst aber schon so oft gewarnt - un m. E. zu Recht. Die EW beruhen auf Massenmeinungen, und Greenspan wird heute tatsächlich als Garant dafür angesehen, dass 1929 niht wieder passieren kann (und wenn nicht Greenspan, dann eben jemand anders, schließlich hat die Fed ja dazugelernt... Klar, und die Japaner sind alle dumm und schaffen es deshalb nicht seit 10 Jahren. Ein kleiner Tipp von Greenspan und Japan wäre doch gerettet.
Anderes Beispiel: Hat die Fed Anfang der 80er etwa die Zinsen auf 18 % erhöht, weil sie es so wollte und toll fand? Nein, der Markt hat sie dazu gezwungen. Eine gute Stimmung abwürgen, das klappt früher oder später immer, aber umgekehrt eine schlechte Stimmung (siehe die Sparquote der Japaner) aufzulösen geht erst, wenn alles"am Boden" ist.
Die Hoffnungen auf Greenspan sind gefährlich.
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dottore
25.05.2000, 13:39
@ Bodo
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Re: DIE WELTWIRTSCHAFTSKRISE VON 1929 - EIN EINMALIGER FALL? |
>So lautete die gestrige Sendung auf Arte. War hoch interessant, jedoch blieben bei mir einige Fragen offen.
>Wer hat die Sendung auch gesehen?
Habe die Sendung leider auch nicht gesehen.
1929 ist durchaus kein einmaliger Fall wie die Wirtschaftsgeschichte lehrt. Nehmen wir Beispiele aus längst vergangenen Zeiten:
1. Der Crash des Jahres 30 n. Chr. unter Tiberius. Ablauf: Augustus pumpte mit dem Gold aus Ägypten die römische Wirtschaft gewaltig auf (was er alles"Gutes" für das Imperium tat, hat er uns in der berühmten Inschrift in Ankara hinterlassen:"Ich zahlte... Millionen Sesterzen für..., dann zahlte ich... Millionen für...", usw.). Es begann ein gewaltiger Aufschwung, der alsbald in einer aberwitzigen Schuldenorgie ihren Höhepunkt fand (zum Überschuldungsproblem im alten Rom siehe u.a. als Klassiker das Buch von Ferrero, antiquarisch zu erhalten). Dann ging das Geld (Gold) zur Neige und Nachfolger Tiberius war zu einem strikten Sparkurs gewzungen. Resultat: Sinkende Zinsen, mit entsprechender Finanztitel-Hausse. Als die Hausse ausgelaufen war, drängten die Gläubiger auf Zahlung. Die Preise fielen, vor allem für Grundbesitz. Tiberius verordnete daraufhin ein Gesetz, wonach die"Reichen" gezwungen wurden, Geld in Immobilien anzulegen, um deren Preise zu stützen. Als der Senator Publius Spinther bei der Bank der Herren Balbus & Olbius abheben wollte, erklärte die Bank Konkurs und alsbald waren alle wichtigen Unternehmen des Reiches pleite (vgl. die Darstellung bei Durant, Kulturgeschichte der Menschheit). Tiberius stand unter Schock und traute sich nicht mehr von seinem"Amtssitz" auf Capri zurück nach Rom.
2. Der Crash in den 1550er Jahren in Europa. Ursache zunächst die gewaltigen neuen Silberfunde (Sachsen: Erzgebirge, Nordböhmen, Tirol usw.). Der Staat überschuldete sich und einer der Fugger schrieb:"Der Creditoren sind so viele, dass es einem graust". Dann erklärten sich Frankreich und Spanien für fallit. Der deutsche Kaiser Karl V. war von den Geldprobleme so angewidert, dass er sich in ein Kloster im Estremadura zurückzog. Anschliessend brachen die Finanzmärkte der großen flandrischen Städte zusammen und eine schwere deflationäre Depression überzog die Lande.
4. Frankreich 1720. Ludwig XIV. war mit De-Facto-Bankrott abgegangen, sein Nachfolger als Staatschef (der Kronprinz war zu jung), der Herzog von Orleans, nahm sich der Gedanken des John Law an: Monetarisierung der Staatsschulden, Riesen-Hausse ("Mississippi-Schwindel"), dann der unvermeidliche Zusammenbruch. Law ins Exil, Frankreich im Elend der deflationären Depression.
4. Bismarckzeit. Nach dem Segen der Kriegsentschädigungen ex Frankreich nach dem gewonnenen 1870er Krieg gewaltige Gründer-Hausse in Deutschland, die Berliner Börse hatte damals mehr Titel als heute Frankfurt incl. NM. Kredit-Orgie, dann via Wien (fehlgeschlagene Weltausstellung) der"Krach" an der Börse. Anschließend die"Depression der Bismarckzeit", die Preise fielen bis Mitte der 1890er Jahre. Aufstieg der Sozialdemokratie, Niedergang der Liberalen, Schutzzölle, und das übliche Programm.
Jederzeit können weitere Beispiele nachgeliefert werden. Der Ablauf ist immer derselbe: Erster Anstoß ("fresh money" erscheint). Dann Kreditorgie (Staat und Private). Sachwerthausse. Dann Nachlassen der Zusatznachfrage, Disinflation. Finanztitelhausse wg. sinkender Zinsen. Dann kredit- und"New-Economy"/Gründerzeit usw.-getriebener Bubble. Der platzt. Die Guthaben, die den vordem gemachten Schulden entsprechen, wollen jetzt bedient werden. Scharfe Kontraktion, Finanztitel-Baisse, Wealth-Effect (ex - zumeist nicht realisierten - Aktiengewinnen) verflüchtigt sich. Ales versinkt im Mahlstrom sinkender Kurse, Preise, Werte. Ausweglose Lage. Ende der deflationären Depression erst, nachdem die alten Schulden (Guthaben) ausgebucht sind oder sich per Crash (Banken usw.) verflüchtigt haben. Dann Start zur nächsten Runde...
Und ganz genau so wird es jetzt wieder kommen. Nur GEDULD. JüKü hat in seinen Texten (lesen! lesen!) alles Notwendige dazu klargestellt. Merke: Keine Deprssion ohne vorangegangene Prosperität (Clément Juglar), keine Inflation ohne nachfolgende Deflation.
Die Notenbanken könnten (!) etwas"tun", indem sie Geld via Nullzins ins Land pumpen (ging gerade in Japan schief) oder indem offen zum Notendruck übergangen wird (funktionierte 1930/32 nicht, weil die Sparer, gerade erst von der Hyperinflation bedient, sonst alles abgehoben hätten mit sich logischerweise anschließendem Bankencrash, vgl. die Forschungen von Knut Borchardt dazu).
Sapienti sat.
d.
P.S.: Die angesprochenen"offenen Fragen" werden gern beantwortet - bitte ins Forum stellen. Danke.
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Bodo
25.05.2000, 14:23
@ JüKü
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Wiederholung am Freitag (m.T.) |
Die Sendung wird am Freitag nochmls gesendet, siehe Link
http://www.arte-tv.com/cgi/prog/dprgemis?emis=200005242045.020407-000-A
PS: Es war reiner Zufall, daß ich die Sendung gestern gesehen. Ansonsten hätte ich schon ein Tip gegeben.
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Josef5
25.05.2000, 21:54
@ dottore
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Re: DIE WELTWIRTSCHAFTSKRISE VON 1929 - EIN EINMALIGER FALL? |
>>So lautete die gestrige Sendung auf Arte. War hoch interessant, jedoch blieben bei mir einige Fragen offen.
>>Wer hat die Sendung auch gesehen?
>
>Habe die Sendung leider auch nicht gesehen.
>1929 ist durchaus kein einmaliger Fall wie die Wirtschaftsgeschichte lehrt. Nehmen wir Beispiele aus längst vergangenen Zeiten:
>1. Der Crash des Jahres 30 n. Chr. unter Tiberius. Ablauf: Augustus pumpte mit dem Gold aus Ägypten die römische Wirtschaft gewaltig auf (was er alles"Gutes" für das Imperium tat, hat er uns in der berühmten Inschrift in Ankara hinterlassen:"Ich zahlte... Millionen Sesterzen für..., dann zahlte ich... Millionen für...", usw.). Es begann ein gewaltiger Aufschwung, der alsbald in einer aberwitzigen Schuldenorgie ihren Höhepunkt fand (zum Überschuldungsproblem im alten Rom siehe u.a. als Klassiker das Buch von Ferrero, antiquarisch zu erhalten). Dann ging das Geld (Gold) zur Neige und Nachfolger Tiberius war zu einem strikten Sparkurs gewzungen. Resultat: Sinkende Zinsen, mit entsprechender Finanztitel-Hausse. Als die Hausse ausgelaufen war, drängten die Gläubiger auf Zahlung. Die Preise fielen, vor allem für Grundbesitz. Tiberius verordnete daraufhin ein Gesetz, wonach die"Reichen" gezwungen wurden, Geld in Immobilien anzulegen, um deren Preise zu stützen. Als der Senator Publius Spinther bei der Bank der Herren Balbus & Olbius abheben wollte, erklärte die Bank Konkurs und alsbald waren alle wichtigen Unternehmen des Reiches pleite (vgl. die Darstellung bei Durant, Kulturgeschichte der Menschheit). Tiberius stand unter Schock und traute sich nicht mehr von seinem"Amtssitz" auf Capri zurück nach Rom.
>2. Der Crash in den 1550er Jahren in Europa. Ursache zunächst die gewaltigen neuen Silberfunde (Sachsen: Erzgebirge, Nordböhmen, Tirol usw.). Der Staat überschuldete sich und einer der Fugger schrieb:"Der Creditoren sind so viele, dass es einem graust". Dann erklärten sich Frankreich und Spanien für fallit. Der deutsche Kaiser Karl V. war von den Geldprobleme so angewidert, dass er sich in ein Kloster im Estremadura zurückzog. Anschliessend brachen die Finanzmärkte der großen flandrischen Städte zusammen und eine schwere deflationäre Depression überzog die Lande.
>4. Frankreich 1720. Ludwig XIV. war mit De-Facto-Bankrott abgegangen, sein Nachfolger als Staatschef (der Kronprinz war zu jung), der Herzog von Orleans, nahm sich der Gedanken des John Law an: Monetarisierung der Staatsschulden, Riesen-Hausse ("Mississippi-Schwindel"), dann der unvermeidliche Zusammenbruch. Law ins Exil, Frankreich im Elend der deflationären Depression.
>4. Bismarckzeit. Nach dem Segen der Kriegsentschädigungen ex Frankreich nach dem gewonnenen 1870er Krieg gewaltige Gründer-Hausse in Deutschland, die Berliner Börse hatte damals mehr Titel als heute Frankfurt incl. NM. Kredit-Orgie, dann via Wien (fehlgeschlagene Weltausstellung) der"Krach" an der Börse. Anschließend die"Depression der Bismarckzeit", die Preise fielen bis Mitte der 1890er Jahre. Aufstieg der Sozialdemokratie, Niedergang der Liberalen, Schutzzölle, und das übliche Programm.
>Jederzeit können weitere Beispiele nachgeliefert werden. Der Ablauf ist immer derselbe: Erster Anstoß ("fresh money" erscheint). Dann Kreditorgie (Staat und Private). Sachwerthausse. Dann Nachlassen der Zusatznachfrage, Disinflation. Finanztitelhausse wg. sinkender Zinsen. Dann kredit- und"New-Economy"/Gründerzeit usw.-getriebener Bubble. Der platzt. Die Guthaben, die den vordem gemachten Schulden entsprechen, wollen jetzt bedient werden. Scharfe Kontraktion, Finanztitel-Baisse, Wealth-Effect (ex - zumeist nicht realisierten - Aktiengewinnen) verflüchtigt sich. Ales versinkt im Mahlstrom sinkender Kurse, Preise, Werte. Ausweglose Lage. Ende der deflationären Depression erst, nachdem die alten Schulden (Guthaben) ausgebucht sind oder sich per Crash (Banken usw.) verflüchtigt haben. Dann Start zur nächsten Runde...
>Und ganz genau so wird es jetzt wieder kommen. Nur GEDULD. JüKü hat in seinen Texten (lesen! lesen!) alles Notwendige dazu klargestellt. Merke: Keine Deprssion ohne vorangegangene Prosperität (Clément Juglar), keine Inflation ohne nachfolgende Deflation.
>Die Notenbanken könnten (!) etwas"tun", indem sie Geld via Nullzins ins Land pumpen (ging gerade in Japan schief) oder indem offen zum Notendruck übergangen wird (funktionierte 1930/32 nicht, weil die Sparer, gerade erst von der Hyperinflation bedient, sonst alles abgehoben hätten mit sich logischerweise anschließendem Bankencrash, vgl. die Forschungen von Knut Borchardt dazu).
>Sapienti sat.
>d.
>P.S.: Die angesprochenen"offenen Fragen" werden gern beantwortet - bitte ins Forum stellen. Danke.
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Josef5
25.05.2000, 22:12
@ Beutelratte
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Re: DIE WELTWIRTSCHAFTSKRISE VON 1929 - EIN EINMALIGER FALL?Das war kein einmali |
>>So lautete die gestrige Sendung auf Arte. War hoch interessant, jedoch blieben bei mir einige Fragen offen.
>Die Sendung paßte wie die Faust auf`s Auge.
>Ich fand nur den positiven Schwenk am Ende etwas unglaubwürdig. Erst schießen sie das heile Weltbild vom Boom ohne Crash mit allen Mitteln ab und dann erscheint Alan Greenspan als alleiniger Retter der Weltwirtschaft - Motto: Mit diesem Mann passiert uns das nicht wieder!?
Schon vor ca 3 Jahren habe ich in der Newsgroup Banken und
Boerse etwas aehnliches geschrieben, aber nur wenig Antworten bekommen
In dem 1988 erschienenen Buch"Aufwaerts ohne Ende" hat Paul C.Martin alle
diese Entwickelungen seit Mesepotanien genau geschildert
(Verlag Langen-Mueller/Herbig)
Wir werden von Politikern und Witschaftfachleuten und Bankern auf
eine unglaubliche Weise hinters Licht gefuehrt und belogen
Anscheinend ist auch das Internet nicht in der Lage diese
Mauer des Schweigens zu durchbrechen. Die Wenigen die da durchblicken
durchblicken werden als unverbesserliche Pessimisten und Miesmacher
veraechtlich gemacht und nicht ernst genommen.
Hat jemand eine Idee wie man das alles aendern koennte??
MfG Josef
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Black Elk
25.05.2000, 22:25
@ Josef5
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Re: Ich weiß, wie man das auskuriert.. |
>Die Wenigen die da
>durchblicken werden als unverbesserliche Pessimisten und Miesmacher
>veraechtlich gemacht und nicht ernst genommen.
>Hat jemand eine Idee wie man das alles aendern koennte??
>MfG Josef
Ja, indem alle Pleite gehen die an der Börse zocken. Sozusagen eine Schocktherapie, anders vertehen die Leute nicht. Erst wenn sie kein Geld mehr für Benzin oder überhaupt kein Auto mehr haben, wenn der Urlaub auf Mallorca ausfällt, keine neue Winterjacke mehr gekauft werden kann und man beim Essen gehen vorher ins die Brieftasche schauen muß. Wenn die Leute mit der puren Existenzangst, der Angst ums Überleben konfrontiert werden, dann lassen sie die Finger von riskanten Aktiengeschäften.
Und genau das ist ja das Problem nach einer langen Baisse, niemand will dann mehr investieren.
Black Elk
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klatti
26.05.2000, 10:08
@ Bodo
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Re: Wiederholung am Freitag (m.T.) |
habe in den Fernsehzeitungen nichts gefunden! und was bedeutet
digitales ARD/ZDF? Würde mir das auch gern anschauen!
M.f.G. fragender Klatti
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