-->Auszug aus dem Investor' Daily von heute
von Jochen Steffens
Sie werden es vielleicht schon vernommen haben. Die Londener Investmentbank NM Rothschild hat sich dazu entschlossen, den Rohstoffhandel endgültig einzustellen. Damit wird auch das traditionelle Goldfixing, ein Ritual, dass seit 85 Jahren nahezu unverändert zelebriert wird, eingestellt.
Sie müssen sich das so vorstellen: Seit dem Jahre 1919 findet jeden Werktag um 10.30 Uhr und 15 Uhr in der dritten Etage des Rothschild Hauses in der St. Swithin Lane, mitten in London, ein heute schon etwas bizarr erscheinendes Ritual statt. Fünf Herren, mit Telefonen und Flaggen bewaffnet, finden sich zu einem Treffen ein. Während sie per Telefon mit ihren Handelsräumen und großen Kunden in Verbindung stehen, zeigen sie mit ihren Flaggen die Veränderungen des Goldpreis an. Erst wenn keiner mehr mit seiner Flagge wedelt, wird der Goldpreis festgelegt. Obwohl ich diese Szene noch nie real gesehen habe, muss ich doch schmunzeln, wenn ich mir vorstelle, dass 5 ehrenvolle Herren an großen schweren Tischen sitzen und den anderen mit Flaggen wedelnd Goldtaxen signalisieren...
Ebenso wie dieses Ritual hat sich eigentlich auch der illustre Kreis der beteiligten fünf Banken nicht geändert. Allerdings haben durch Eigentümerwechsel und Übernahmen andere Banken an Einfluss gewonnen. So sind Banken wie die Deutsche Bank, Societe Generale, HSBC und die kanadische Nova Scotia Bank an diesem Prozedere beteiligt.
Doch keine Sorge. Das Fixing wird so lange weitergeführt, bis sich ein Nachfolger für die Rothschild-Bank gefunden hat. Sollte dieser gefunden sein, dürfte sich allerdings das Flagge zeigen beim Goldpreis endgültig aus der Tradition verabschieden.
Natürlich kann man sich fragen, warum sich denn gerade die Rothschild Bank aus dem Goldfixing verabschiedeten. Hier gibt es eine einfache Begründung: Nach einer Überprüfung der Rentabilität wurde dieser Bereich zu Gunsten lukrativerer Bereiche aufgegeben. Das Rohstoffgeschäft der Rothschildbank hätte nur noch 2 % der operativen Einkünfte generiert und sei damit uninteressant geworden. Auch wenn einige Kommentatoren einen speziellen Zusammenhang mit dem Thema Gold sehen wollen, die Rothschild Bank hat nicht nur den Goldhandel, sondern ihr gesamtes Rohstoffgeschäft aufgegeben, so zum Beispiel auch den Handel mit Ã-l-Kontrakten. Insgesamt wird der Wind im Bankengeschäft härter, so dass eine Abkehr von"unrentablen Geschäftszweigen" ein sehr natürlicher Prozess ist.
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