Popeye
15.05.2004, 18:54 |
@Uwe - ver sacrum Thread gesperrt |
-->Das ist die Geschichte, die uns Herodot (Geschichte und Geschichten I/94 erzählt:
Und sie sind, unseres Wissens, die ersten auf der Welt gewesen, die Gold-und Silbermünzen geprägt und gebraucht haben, und auch die ersten Kaufleute. Die Lyder selber behaupten auch, die Spiele, die jetzt bei ihnen sowie bei den Hellenen bekannt sind, seien ihre Erfindung. Und zwar seien sie zu der Zeit bei ihnen erfunden, als sie Siedler nach Tyrsenien (Etrurien) entsandt hätten, und da erzählen sie folgende Geschichte:
Als Atys, Manes' Sohn, König war, kam eine große Hungersnot über ganz Lydien. Und eine Weile ertrugen die Lyder sie ganz geduldig, als sie aber nicht aufhören wollte, sahen sie sich nach Gegenmitteln um, und der eine kam auf dies, der andere auf das. So wurden also damals die Spielregeln für Würfel, Knöchel, den Ball und alle übrigen Spiele erfunden außer dem Brettspiel, denn dessen Erfindung schreiben sich die Lyder nicht zu. Das erfanden sie also, und nun verfuhren sie so, um den Hunger zu vertreiben: Den einen Tag spielten sie durch, um nicht ans Essen zu denken, am andern aßen sie und ließen das Spielen. Auf solche Weise brachten sie achtzehn Jahre hin. Als aber die Not nicht nachließ, sondern noch härter drückte, da sonderte nun ihr König sämtliche Lyder in zwei Teile und entschied durchs Los, wer blieb und wer auszog aus dem Land, und zu dem Teil, der das Bleiben erloste, stellte sich der König selber, zu dem aber, der fortging, seinen Sohn, der hieß Tyrsenos. Die nun erlosten, das Land zu verlassen, zogen nach Smyrna und bauten sich Schiffe. Dahinein taten sie alles, was sie für die Fahrt gebrauchen konnten, und fuhren los, sich Unterhalt und Land zu suchen. Schließlich, nachdem sie an vielen Völkern vorbeigekommen waren, kamen sie zu den Ombrikern [Umbrien], und dort bauten sie sich Städte und wohnen da bis zum heutigen Tag. Sie nannten sich nun nicht mehr Lyder, sondern nach dem Sohn des Königs, der sie führte, nannten sie sich Tyrsener [Etrusker].
Also die klassische Version des"ver sacrum", des geheiligten Frühlings.
Daran wäre wenig Geheimnisvolles, wenn sich nicht die Fachleute ziemlich einig darüber wären, dass Schrift und Sprache der Etrusker nicht indoeuropäisch sind (siehe zum Beispiel hier - Mitte der Seite.
Die Etrusker hatten eine aufwendige Begräbniskultur - wie auch auf der Hamburger Ausstellung wieder zu sehen war. Wären, wie Herodot schreibt, die Lyder zugewandert und hätten sie sich dann als Elite etabliert, müsste dies heute noch an den Haplogroups der mtDNA feststellbar sein. [So lässt sich etwa an meiner Haplogruppe noch feststellen, dass meine Vorfahren mütterlicherseits vor ca. 30.-40.000 Jahren nach Europa eingewandert sind.] Falls aber nur Männer eingewandert sind (?) eben nicht am mtDNA sondern nur am Y-Chromsom.
Den Aufsatz kannst Du in 6 Monaten in voller Länge lesen, dann wird er freigeschaltet.
Grüße nach Berlin
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JoBar
16.05.2004, 10:55
@ Popeye
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Re: man kann sich auch täuschen, zB bei der mtDNA:) |
-->>Die Etrusker hatten eine aufwendige Begräbniskultur - wie auch auf der Hamburger Ausstellung wieder zu sehen war. Wären, wie Herodot schreibt, die Lyder zugewandert und hätten sie sich dann als Elite etabliert, müsste dies heute noch an den Haplogroups der mtDNA feststellbar sein. [So lässt sich etwa an meiner Haplogruppe noch feststellen, dass meine Vorfahren mütterlicherseits vor ca. 30.-40.000 Jahren nach Europa eingewandert sind.] Falls aber nur Männer eingewandert sind (?) eben nicht am mtDNA sondern nur am Y-Chromsom.
Guckst Da:
14.05.2004 - [b]Genforschung - Väter reden beim Mitochondrien-Erbgut doch ein Wörtchen mit
Studie zeigt: mitochondriale DNA kann auch väterliche Anteile enthalten
Die ringförmige DNA in den Mitochondrien (mtDNA) kann Anteile von Mutter und Vater enthalten. Mit dieser Entdeckung widerlegt ein internationales Forscherteam die Annahme, die mitochondriale Erbsubstanz werde ausschließlich von der Mutter vererbt und sei nicht durch Vermischung mit väterlicher DNA verändert. Das berichten die Wissenschaftler aus den USA, Dänemark und Deutschland in der Fachzeitschrift Science (Bd. 304, S. 981). Die Ergebnisse des Teams um Yevgenya Kraytsberg von der Harvard-Universität sind besonders für die Erforschung von Abstammungslinien von entscheidender Bedeutung, die auf der Annahme basieren, dass die mtDNA ausschließlich von der Mutter geerbt wird.
...
Auch wenn die Wahrscheinlichkeit für eine solche Vermischung nur sehr klein ist, ist diese Entdeckung besonders für Evolutionsbiologen und Anthropologen interessant: Sie verwenden die mitochondriale DNA häufig dazu, Abstammungslinien oder Verwandtschaftsverhältnisse während der menschlichen Evolution aufzuklären. Wichtigste Grundlage für diese Methode ist die Annahme, dass Veränderungen der mitochondrialen DNA ausschließlich aus Fehlern stammen, die sich im Lauf der Zeit beim Kopieren einschleichen, und nicht durch die Vermischung der Erbinformationen beider Elternteile. Die neuen Ergebnisse zeigen jedoch, dass diese Annahme nicht in jedem Fall zutreffen muss.
Ganzer Artikel http://www.wissenschaft.de/wissen/news/240973.html
[/b]
J
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Popeye
16.05.2004, 11:54
@ JoBar
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Re: man kann sich auch täuschen, zB bei der mtDNA:) |
-->Hallo, @JoBar,
Danke für den Fund. Nun muss man abwarten, was"sehr klein" im statistischen Zusammenhang bedeutet.
Die gesamt mtDNA-Analyse hat viele Unsicherheiten und lebt von statistischen Verfahren, die weit über mein Verständnis gehen.
Unsicherheiten bestehen vor allem hinsichtlich der Häufigkeit von mtDNA Mutationen, aber auch hinsichtlich diverser statistischer Meßverfahren - ähnlich (wie hier schon oft diskutiert) C14-Methode.
Gruß & Dank
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Uwe
18.05.2004, 00:02
@ Popeye
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Re: @Popeye - ver sacrum (nochm. Thema: Etrusker) |
-->Hallo, Popeye!
Besten Dank für Deine Informationen, wobei ich jedoch zu Protokoll gebe, dass ich mit den Grundlagen der mtDNA nicht so vertraut bin, um daraus selbst eigene Erkenntisse ableiten zu können, so dass ich mich vorerst auf das"Konsumieren" beschränken werde.
Popeye:[i] >Also die klassische Version des"ver sacrum", des geheiligten Frühlings.[/i]
... der, so las ich, noch in historischen Zeiten als Brauch bei zahlreichen Völkern Italiens als religöser Ritus fortbestand, indem dem Kriegsgott im Falle von Not - Krieg, Epedimien oder Hungersnot - alles dargebracht wurde, was im kommenden Frühjahr geboren werden sollte. Das bezog sich auch auf junge Menschen (denkbar waren wohl in Vorhistorischen Zeiten auch Kindsopfer; dottore wies auf die Vielschichtigkeit von Kindesmord hin), für die es dann, waren sie im heiligen Frühling geboren, mit dem Erreichen des 21. Lebensjahr galt, die Heimat zu verlassen.
Doch wie ich schon vorher in meiner Antwort erwähnte, meine ich, dass die Variante der"Volkwerdung" nach den derzeitig Sichtstand durchaus viele mögliche Antworten, die zu den Fragen über die Herkunft der (Kultur der) Etrusker gestellt werden können, beinhaltet.
Übrigens könnte dieses Geschichte, die Du vorgetragen hast, eine Quelle der Spruchs"Spiel statt Brot" sein, wenn man die etwas andere Fassung zugrunde legt (s.u.).
Zur Möglichkeit, dass sich die Etrusker aus Teilen der"Seevölker" entwickelten (dottore lenkte bereits die Aufmerksam darauf), kann ergänzend angemerkt werden, was Giovannangelo Camporeale (Prof. für Etruskologie und Archäoligie an der Uni Florenz) schreibt:
«Ein Völkername, der demjenigen entspricht, mit dem die Griechen die Etrusker in historischen Zeiten bezeichneten, Tyrrhenio oder Tyrsenio, ist in einer ägyptischen Hieroglypheninschrift belegt. Auf ihr ist von"Seevölkern" die Rede, die zwischen 1230 und 1170 v. Chr. versucht hätten, Ägypten zu erobern; eines davon wird als Trs(ch).w bezeichnet, was viele mit den Tyrsenoi gleichzusetzen vorschlugen....» (mehr in einer Post der nächsten Tage, Popeye; G. Camporeale: Die Etrusker, Geschichte und Kultur)
Dieser Gesichtspunkt, würde vermutlich auch eine Argument liefern, warum die"Voretrusker" nach dem Mißerfolg der Eroberung einen derartigen Weg zur Westküste Italiens nahmen. War es möglicherweise gar ihr Ausgangspunkt, an denen sie mit gesammelten Erfahrungen aus vorderen Orient, zurückkehrten? (m.E. denkbare Herleitung aus Kartendarstellung in:"Die Indoeuropäer", R. Schmoeckel, S. 214/215 -> Ausgangsgebiet der Urnenbestattung -> Illyrer? -> Seevölker?...)
Gruß,
Uwe
Auszug aus: Jecques Heurgon, Die Etrusker (ISBN 3-491-96109-2):
Unter der Herrschaft von Atys, dem Sohn des Manes, (diese Angabe versetzt uns ins 13. Jahrhundert v. Chr.) entstand in ganz Lydien eine große Teuerung. Einige Zeit hindurch versuchten die Lydier, ihr Leben wie gewohnt weiterzuführen; als die Teuerung nicht nachließ, suchten sie nach Gegenmaßnahmen: die einen schlugen dies vor, die anderen jenes. Zu dieser Zeit sollen das Würfelspiel, das Knöchelchenspiel, das Ballspiel und alle anderen Spiele entstanden sein, das Damespiel ausgenommen; seine Erfindung beanspruchen die Lydier nicht. Folgendermaßen setzten sie ihre Erfindungen gegen den Hunger ein: Je einen Tag lang lenkten sie sich durch Spiel von ihrem Verlangen nach Nahrung ab, am zweiten Tag aßen sie. Achtzehn Jahre lebten sie so. Als aber die Not, anstatt abzunehmen, immer mehr wuchs, teilte der König das lydisdie Volk in zwei Gruppen; zwischen ihnen entschied das Los, welche im Land bleiben durfte und welche es verlassen mußte. Er selbst stellte sich an die Spitze derjenigen, die verblieben; mit der Führung der Auswanderer betraute er seinen Sohn, Tyrrhenos mit Namen. Diejenigen, die das Land verlassen mußten, begaben sich nach Smyrna, bauten Schiffe, beluden sie mit allem, was sie an Wertvollem besaßen, und stachen in See auf der Suche nach Land und neuen Lebensmöglichkeiten. Nachdem sie mit mehreren Völkern in Berührung gekommen waren, gelangten sie schließlich zu den Umbrern; dort bauten sie Städte, und dort wohnen sie bis heute. Aber sie tauschten den Namen Lydier gegen einen anderen, den sie von dem Königssohn, der sie geführt hatte, ableiteten: sie nannten sich nach ihm Tyrrhenier.«
Herodot 5.Jh. v.Chr. |